Ein neuer Bluttest soll Sicherheit bringen: Das „Down-Syndrom“ (Trisomie 21) wird nach Überzeugung von Wissenschaftlern künftig vorausgesagt werden können – behinderte Neugeborene mit dieser Erkrankung wären dann „Geschichte“ (siehe http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/trisomie-21-bluttest-erkennt-down-syndrom-beim-foetus-a-837554.html).
Welch ein Erfolg, das mögen sich viele Eltern zurufen und den Durchbruch als Meilenstein in der Forschung ansehen. Doch was auf den ersten Blick wie eine Erlösung für die Menschheit aussieht, ist schlussendlich nichts Anderes als die konkrete Umsetzung der Ausselektierung von dem, was lebenswert und -unwert ist. Nach dem Beschluss über die PID bekommen die Folgen eines perfektionistischen Denkens nun Konturen.
Zweifelsohne können nur die Wenigstens tatsächlich beurteilen, wie der Alltag mit einem behinderten Kind aussieht. Und auch ist die Angst verständlich, die werdende Eltern in sich tragen, wenn die Ungewissheit bevorsteht. Dass eine Behinderung nahezu immer eine Herausforderung ist, wird niemand abstreiten können. Und doch fragt sich: Was wäre an dieser Welt eigentlich noch vielfältig, wenn wir den Facettenreichtum von Gottes Offenbarung nicht mehr dankbar annehmen würden?
Man mag es als Schicksal ansehen, wenn es anders kommt als erhofft; aber wem steht schlussendlich zu, die individuelle Lebensfreude eines Kindes, das anders sein mag als andere, und die Liebe der Eltern zu genau solch einem Sohn oder einer Tochter infrage zu stellen? Und das von außen, mit dem Versuch, sich mit immer neuen Tricks und Kniffen dem Geheimnis der Schöpfung auf die Spur zu machen! Verwerflich ist nicht, dass sich Wissenschaftler und Ärzte um die Gesundheit von Müttern und ihren Nachkommen bemühen – nein, das ist sogar ihre Aufgabe. Aber beschämend wird es dann, wenn sich Forscher anmaßen, zum Richter zu werden.
Niemand kann in ein Kind hinein sehen, das mit „Down-Syndrom“ oder anderen Behinderungen sein Dasein meistert. Wer mit einem Bluttest vorabbestimmen will, ob ein Mensch möglichst ohne Reibungen und Kanten durch die Zeit kommen wird, der ist schon selbst an der größten Aufgabe unserer Existenz gescheitert: Die Grenzen zu erkennen, die uns als Geschöpfen durch einen funktionierenden Lauf des Lebens gesetzt sind, ist wahrlich eine Meisterleistung. Und doch fängt sie einfach an: Wer es nicht schafft, sich aus dem Allerpersönlichsten hinaus zu halten – und etwas Anderes stellt die Behinderung eines (behinderten) Kindes dar –, der nimmt uns allen das Wesentliche. Denn die Erfahrung ist es, die uns und unseren Lebenssinn bereichern. Das Mitverfolgen und Konfrontiertsein mit dem, was kurvig und steil ist, macht uns erst stabil und gibt uns eigenen Halt in den Tiefen.
Eltern würden mit einem Bluttest damit nicht nur in mögliche seelische und psychische Krisen gestürzt, die das Wissen um Ablehnung und eventuelle (Spät-)Abtreibung eines behinderten Kindes mit sich bringt. Sie würden auch der unbezahlbaren Buntheit an Eindrücken beraubt, die letztlich das Geschenk sind, was uns zur Vollkommenheit verhilft. Kurzum: Neue Spielchen an den Zahnrädern Gottes machen unsere Welt nicht nur kälter und ärmer, sondern nehmen ihr den letzten Rest an Respekt vor dem Unbegreiflichen, vor uns selbst und denen, die uns nachfolgen sollen.
Dennis Riehle