Blonde Redhead
„Barragán“
(4AD)
Über zwanzig Jahre musiziert Kazu Makino nun schon mit den Brüdern Simone und Amadeo Pace. Zu behaupten, sie hätten dies nahezu unbeobachtet getan, wäre übertrieben, aber ihre Anhängerschaft ist überschaubar – wie immer, wenn man eine Nische bespielt und ehrenwerter Weise für sich beschlossen hat, diese für großes Geld und noch größere Hallen nicht zu verlassen. Über ihrer steht im Übrigen in großen Buchstaben ‚Dreampop‘ geschrieben – was auch immer das heißen mag – und man kann Blonde Redhead hoch anrechnen, das sie diesen eigenartigen Begriff über die Jahre sehr weit gedehnt haben. Die letzten zwei, drei Alben wandelten beispielsweise zwischen bittersüßen Tagträumereien (insofern doch ein Genrebezug) und schwer melancholischem Klagegesang, verführerisches Moll, feingewebte Gitarren und Makinos mal feen-, mal sirenenhafte Stimme bestimmten das Bild.
Für das Verständnis des nun folgenden „Barragán“ ist es hilfreich, auch die Arbeit der Band an weniger bekannten Projekten zu erwähnen: Neben der Initiation der Erdbeben-Benefizplatte „We Are The Works In Progress“ haben Blonde Redhead auch die Soundtracks zu zwei Filmdokumentationen geschrieben – zum einen für Keven McAlester’s „The Dungeon Masters“ und später zu Brendt Barburs Film „The Commentator“, Computerspiele und Radklassiker, beides keine Themen, hinter denen man eine Indiepopband vermuten würde. Die Liebe zu konzeptionellen Scores läßt sich nun auf dem vorliegenden Album deutlich heraushören. Denn wie keine ihrer Platten zuvor ist diese hier wie die Klangkulisse zu einem fiktiven Drama angelegt.
Wer die Filme von Pedro Almodovar kennt und liebt, der wird zwischen ihnen und der Musik von „Barragán“ einige (unfreiwillige?) Parallelen erkennen können. Auch hier kippen die Stimmungen ineinander über, wechseln von beschwingt und lebendig über träge und schwermütig zum großen, gern auch theatralischen Gefühlsausbruch. Begleitet von einer Alltagsgeräuschkulisse gibt also es nach zarter Einstimmung die verzaubernden Töne der „Lady M“, gefolgt von federleichten Takten und herrlich schiefen 80er Synths („Dripping“) und den lässigen Hooks zum fettem Bass der „Cat On Tin Roof“. Richtiggehend südländisch dann „The One I Love“, das selbst gleich mehreren Richtungen folgen will. Und weil diese großartige Platte neben vielen Abwechslungen und Gegensätzen auch Herzstücke braucht und hat, kommen mit „No More Honey“, „Mind To Be Had“ und „Defeatist Anthem“ – zusammen knappe zwanzig Minuten lang – gleich drei Songs am Stück, die sich auf angenehme Weise dem verspielten Psychrockblues von Warpaint nähern.
Sie machen das so ähnlich, aber auf ihre Art deutlich puristischer und genau dies ist einer der wichtigsten Wesenszüge des Albums: Blonde Redhead haben für „Barragán“ gelernt, mit weniger mehr zu machen, haben die Anzahl der Instrumente und Schichten für den neuen Sound merklich zurückgenommen und erzielen dennoch eine vergleichbar beeindruckende Wirkung wie auf den vorangegangenen Werken. Ob nun Akustikgitarre, Flöte oder sogar eine Maultrommel, programmiertes Geplucker, die Riffs einschmeichelnd melodiös oder laut und schräg, es wird nichts übertrieben und immer mit Bedacht kombiniert und so ist der Gesamteindruck ein guter und bleibender. Und jetzt, wo das erste Halbjahr schon gedanklich gewogen ist, darf man sich schon mal zur Ansage versteigen: Top Twenty 2014, mindestens. www.blonde-redhead.com
04.10. (CH) Freiburg, Fri-Son
05.10. (CH) Luzern, Schüür
„Barragán“
(4AD)
Über zwanzig Jahre musiziert Kazu Makino nun schon mit den Brüdern Simone und Amadeo Pace. Zu behaupten, sie hätten dies nahezu unbeobachtet getan, wäre übertrieben, aber ihre Anhängerschaft ist überschaubar – wie immer, wenn man eine Nische bespielt und ehrenwerter Weise für sich beschlossen hat, diese für großes Geld und noch größere Hallen nicht zu verlassen. Über ihrer steht im Übrigen in großen Buchstaben ‚Dreampop‘ geschrieben – was auch immer das heißen mag – und man kann Blonde Redhead hoch anrechnen, das sie diesen eigenartigen Begriff über die Jahre sehr weit gedehnt haben. Die letzten zwei, drei Alben wandelten beispielsweise zwischen bittersüßen Tagträumereien (insofern doch ein Genrebezug) und schwer melancholischem Klagegesang, verführerisches Moll, feingewebte Gitarren und Makinos mal feen-, mal sirenenhafte Stimme bestimmten das Bild.
Für das Verständnis des nun folgenden „Barragán“ ist es hilfreich, auch die Arbeit der Band an weniger bekannten Projekten zu erwähnen: Neben der Initiation der Erdbeben-Benefizplatte „We Are The Works In Progress“ haben Blonde Redhead auch die Soundtracks zu zwei Filmdokumentationen geschrieben – zum einen für Keven McAlester’s „The Dungeon Masters“ und später zu Brendt Barburs Film „The Commentator“, Computerspiele und Radklassiker, beides keine Themen, hinter denen man eine Indiepopband vermuten würde. Die Liebe zu konzeptionellen Scores läßt sich nun auf dem vorliegenden Album deutlich heraushören. Denn wie keine ihrer Platten zuvor ist diese hier wie die Klangkulisse zu einem fiktiven Drama angelegt.
Wer die Filme von Pedro Almodovar kennt und liebt, der wird zwischen ihnen und der Musik von „Barragán“ einige (unfreiwillige?) Parallelen erkennen können. Auch hier kippen die Stimmungen ineinander über, wechseln von beschwingt und lebendig über träge und schwermütig zum großen, gern auch theatralischen Gefühlsausbruch. Begleitet von einer Alltagsgeräuschkulisse gibt also es nach zarter Einstimmung die verzaubernden Töne der „Lady M“, gefolgt von federleichten Takten und herrlich schiefen 80er Synths („Dripping“) und den lässigen Hooks zum fettem Bass der „Cat On Tin Roof“. Richtiggehend südländisch dann „The One I Love“, das selbst gleich mehreren Richtungen folgen will. Und weil diese großartige Platte neben vielen Abwechslungen und Gegensätzen auch Herzstücke braucht und hat, kommen mit „No More Honey“, „Mind To Be Had“ und „Defeatist Anthem“ – zusammen knappe zwanzig Minuten lang – gleich drei Songs am Stück, die sich auf angenehme Weise dem verspielten Psychrockblues von Warpaint nähern.
Sie machen das so ähnlich, aber auf ihre Art deutlich puristischer und genau dies ist einer der wichtigsten Wesenszüge des Albums: Blonde Redhead haben für „Barragán“ gelernt, mit weniger mehr zu machen, haben die Anzahl der Instrumente und Schichten für den neuen Sound merklich zurückgenommen und erzielen dennoch eine vergleichbar beeindruckende Wirkung wie auf den vorangegangenen Werken. Ob nun Akustikgitarre, Flöte oder sogar eine Maultrommel, programmiertes Geplucker, die Riffs einschmeichelnd melodiös oder laut und schräg, es wird nichts übertrieben und immer mit Bedacht kombiniert und so ist der Gesamteindruck ein guter und bleibender. Und jetzt, wo das erste Halbjahr schon gedanklich gewogen ist, darf man sich schon mal zur Ansage versteigen: Top Twenty 2014, mindestens. www.blonde-redhead.com
04.10. (CH) Freiburg, Fri-Son
05.10. (CH) Luzern, Schüür