[Blogparade] Die Sache mit dem Online-Dating

Marktwert testen. Das war mein Hauptargument. Und vielleicht den Ex stalken. Denn ich wusste, der war auf diesem Flirtportal angemeldet, das ich ins Visier genommen hatte.

Ich war 19 und frisch getrennt. Die erste schmerzhafte Trennung. Weltuntergang. Dass Liebeskummer vorbeigeht, muss man ja erst lernen. Ich lernte es langsam und auf die harte Tour: kalter Entzug.

Damals – 2008 – war es noch deutlich aufwändiger, sich ein Online-Profil auf einer dieser Plattformen einzurichten. Damals gab es noch keine Apps, über die man sich via Facebook anmelden konnte, sofort ein Bild, Vorlieben und eine „Über mich“-Seite fertigerstellt hatte. Früher hat man sich damit noch Mühe gegeben.

Ich gab mir Mühe. Ich wollte geheimnisvoll wirken, interessant, ich wollte angesprochen werden. Selber ansprechen? Das war nicht meine Taktik. Schließlich wollte ich meinen Marktwert testen, wollte wissen, wie anziehend Männer mich finden, nachdem ich fast zwei Jahre nicht verfügbar gewesen war. War ich attraktiv genug? War ich interessant genug?

[Blogparade] Die Sache mit dem Online-Dating

Das Online-Ich vs. das wahre Ich 

Wer war ich auf dieser Plattform? Ich konnte mich selbst neu erfinden, fühlte mich dadurch selbstbewusst und total aufgeklärt. Sicher, ich war neugierig und durchaus offen für Neues – „offen für alles, aber nicht für jeden“ war damals ein beliebter Spruch in meinem Freundeskreis, der auf mich absolut zutraf. Ich fühlte mich sicher hinter meiner Online-Identität, die nur einen winzigen Teil meiner Persönlichkeit offenbarte, der mich auch ein Stück weit auf mein Äußeres reduzierte, denn schließlich waren viele Männer nur aufgrund meines Anzeigebildes auf meinem Profil gelandet. Und ganz offensichtlich vermittelten meine (zugegeben gestellten) Bilder ein ganz anderes Image. Niemand sah meine Unsicherheit, meine mangelnde Erfahrung mit dem anderen Geschlecht, mein Unverständnis für Ironie.

Von DVD-Abenden und der Suche nach dem Master 

Und während sich manche online verstecken, leben andere genau dort all das aus, was sie offline verbergen. Und so begann eine wirklich amüsante Zeit, in der ich von vielen ganz unterschiedlichen Menschen angeschrieben wurde. Bewusst „Menschen“, denn es waren genauso auch Frauen dabei. Paare, die nach einer dritten Person suchten. Männer, die nach einer devoten Sklavin suchten. Oder nach einer Domina. Nachrichten, die mit harmlosen Einladungen zu DVD-Abenden begannen und sich schnell als Sex-Dates entpuppten, zu denen ich natürlich nie hingegangen bin. Jungs – denn Männer konnte man einige von ihnen nicht nennen –, die glaubten, sich einen Fetisch aneignen zu müssen, um interessant zu sein. Einer davon hat mich monatelang bekniet, ihm ein Foto meiner Hände zu schicken. Was ich natürlich nie gemacht habe.

Mehr als nur Partnersuche 

Aber es entwickelten sich auch wirklich tiefgründige Gespräche. Der Handfetischist und ich schrieben tagelang via ICQ und unterhielten uns wirklich gut. Solange wir das Thema Hände ausblendeten, verstanden wir uns prächtig. Ein anderer Junge teilte eines meiner Hobbies: das Schreiben. Wir tauschten uns extrem viel aus und ich durfte sogar seinen ersten Roman Korrektur lesen. Ich fühlte mich geehrt und auf eine völlig asexuelle Weise tief mit ihm verbunden. Leider ist der Kontakt brüchig geworden und wir haben uns aus den Augen verloren. Für mich aber der eindeutige Beweis, dass es immer zuerst um den Menschen gehen sollte und dass jeder eine Chance verdient hat, gesehen zu werden als der, der er wirklich ist. Sich aber zu öffnen in dieser Online-Welt ist hart, denn manchmal sind die Enttäuschungen herbe. Und ich glaube, dass die schnelllebigen Apps heutzutage dieses Öffnen kaum noch zulassen und dass sie das echte Kennenlernen eher erschweren.

Das erste Date 

Das tatsächliche Dating nahm ich erst sehr viel später in Angriff. Aber auch nur, weil es sich ergab. Weil ich zwischen all den Bondage- und Menage a troi-Anfragen und neben Handfetischisten auch mal den einen oder anderen Mann kennenlernte, mit dem ein normales, aber irgendwie aufgeladenes Gespräch entstand. Mein erstes Date führte mich 400 km von zu Hause weg und war ein echt gelungener Wochenendtrip inkl. Weihnachtsmarkt, Schokoladenmuseum und Citybummel. Achja – und ein bisschen Knutschen. Danach gings bergab und der ernstzunehmende Kontakt erstarb noch vor dem Jahreswechsel. Ich war geknickt. Er auch. Denn wir fanden uns schon toll. Aber 400 km waren ihm zu weit und keiner von uns befand sich in einer Lebenssituation, die einen Umzug gut vertragen hätte. Und vielleicht waren wir auch einfach viel zu jung, um die Tragweite einer solchen Entscheidung zu bedenken.

Ein schlechtes Date später gab ich die Suche nach dem Traummann auf.

Hat also die Suche nach dem Traummann im Internet mein Leben vereinfacht? „Oder sind nur fiese Typen, die sich nicht fest binden wollen, auf Tinder, Lovoo & Co. unterwegs?“, fragt Kati in ihrer Blogparade und das ist der Grund, warum ich das überhaupt erzähle.

Ich sage: Nein. Denn:

Wenn man aufhört zu suchen … 

… wird man gefunden.
Herr Fuchs fand mich. Obwohl er gar nicht suchte. Ein dummer Zufall hatte ihn auf diese Plattform aufmerksam gemacht: Ein Werbesystem, bei dem bereits angemeldete Nutzer Freunde anwerben und dafür dann Vorteile erhalten konnten. Eine Freundin hatte ihn geworben.

Sein Profilbild war entsprechend nichtssagend, denn er suchte ja keine Freundin. Und dennoch sprach es mich auf eine Weise an, die ich nicht ignorieren konnte. Meine Taktik, niemanden anzusprechen, verfolgte ich weiter – und sie ging auf. Immer wieder spukte ich auf seinem Profil herum. Jeder Nutzer der Plattform konnte die fünf oder sechs letzten Profilbesucher sehen und so erkennen, wer eventuell interessiert war. Und so sah er mich alle paar Tage bis er den Mut fand, mir etwas an meine Pinnwand zu schreiben. Weil das nicht sehr privat war, war der nächste Schritt eigentlich immer ICQ. Und dann das Telefon.

Wir verstanden uns prächtig und trotz einer Entfernung von 500 km trafen wir uns nicht nur einmal. Ziemlich schnell stellte sich der glückliche Zufall, dass wir beide auf dieser Plattform angemeldet waren – ohne ernsthaft nach einem Partner zu suchen – als das Beste heraus, das uns passieren konnte. Denn heute sind wir verheiratet.

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Verliebt, verlobt, verheiratet

Gerne möchte ich euch in den nächsten Monaten mehr über diese spannende Zeit der Hochzeitsvorbereitungen erzählen – vom Kleidkauf und vom ersten gemeinsamen Fotoshooting, von der Locationsuche und der Papeterie. Möchte euch Tipps weitergeben, die auch uns geholfen haben. Vielleicht habt ihr Fragen, die ich euch beantworten kann? Seid ihr daran interessiert?

[Blogparade] Die Sache mit dem Online-DatingUnd apropos Fotoshooting: Die tollen Bilder sind übrigens vom wunderbaren Lars May, der unsere Hochzeit fotografiert hat und im Vorfeld ein Verlobungsshooting mit uns in Königswinter gemacht hat, bei dem diese Fotos entstanden sind. <3


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