Im kalten Monat Dezember, kurz vor Weihnachten, habe ich mich nach Neukölln aufgemacht, um die Künstlerin Maki Shimizu in ihrem Atelier und Büro, Musenstube genannt, zu besuchen. Ihr Comic “Adagio” kursiert in der ganzen Stadt und auch ihre bunten Holzschnitt-Portraits machen neugierig auf die Künstlerin, die sich dahinter verbirgt. Endlich in der Musenstube angekommen, serviert mir Maki Weihnachtsstollen, Bier und Cola und plaudert munter aus dem Nähkästchen.
S.M.: Wie hat deine künstlerische Laufbahn in Japan begonnen? Und wie bist du nach Deutschland gekommen?
M.S.: In Japan habe ich anfangen Freie Kunst studieren. Als Studienrichtung gab es hauptsächlich klassische Malerei, Skulptur oder Design. Zeichnen als autonome Studienrichtung gab es nicht und Illustration wollte ich auch nicht studieren.
S.M.: Und wie bist du nach Deutschland gekommen?
M.S.: Ich hatte Liebeskummer, hab mir einfach ein Ticket irgendwohin gekauft und bin dann mit Schlafsack und Bleistift in Frankfurt angekommen. Von da aus habe ich eine Wanderung begonnen, wohin war mir egal.
Das war voll schön aber nach 14 Tagen war ich kaputt von diesem Abenteuer. Ich wollte endlich wieder einmal in einem Bett schlafen. So bin ich schließlich ohne Geld vor einer Jugendherberge gelandet. Die Besitzerin fand mich, wie ich vor der Tür saß und Blümchen gezeichnet habe. Ich fragte sie ob ich bleiben kann. Nachdem ich Frühstück gemacht hatte und Teller gewaschen hatte, durfte ich erst mal bleiben. Ich habe mit Kindern aus der Herberge gezeichnet. Da entwickelte sich mein Wunsch, ein Buch für Kinder zu machen. Nachdem ich dann noch mein Studium in Japan abgeschlossen hatte, zog ich dann schließlich nach Bielefeld und begann ein Grafikdesign-Studium, um meinen Traum zu erfüllen und ein Buch zu veröffentlichen.
S.M.: Und wie bist du dann in Berlin gelandet?
M.S.: Ich hatte meine Ideen von meinem Haustierbuch an viele Verlage geschickt, aber leider nur Absagen bekommen. Doch schließlich hatte mich Hannes Wanderer von Peperoni Books zu sich eingeladen, um bei einem Kaffee über meine Pläne zu sprechen. Anfänglich wussten wir nicht, wie wir es anpacken und realisieren sollten. Daher waren weitere “Kaffee-Sessions” notwendig und ich bin dann tatsächlich nach Berlin gezogen. Nach vielen weiteren Treffen konnte ich endlich mein erstes Buch publizieren: Makis Haustierbuch.
Und da das Buch ja schon gemacht war und ich nichts weiter hier zu tun hatte, war ich eigentlich schon wieder weggezogen. Aber dann bekam ich eine Mail von Annette, die vor vier Jahren die Musenstube eröffnet hatte. Sie fragte, ob ich nicht bei einer Ausstellung mitmachen wolle, und ich hatte ein gutes Gefühl dabei. Es ergab sich dann auch die Möglichkeit für mich, dort arbeiten zu können. Und so entstand unsere Ateliergemeinschaft. Es war außerdem schon immer ein Traum von mir, in einem kleinen Atelier mit Klavier zu arbeiten.
S.M.: Wie arbeitest du künstlerisch? Was sind deine Projekte?
M.S: Ich zeichne eigentlich immer und überall. Irgendwie ist es auch zu einer Sucht geworden. Zeichnen ist für mich wie Atmen. Ich habe zwei große Projekte. Seit zehn Jahren porträtiere ich meine Freunde. Ich möchte keine Portraits von prominenten Figuren mache – ich finde meine Freunde im Alltag hübsch und schön. Meine Kollegin Yuko Chikazawa fertigt dann Holzschnitte aus meinen Skizzen an. Das Projekt war erst nur als Übung gedacht- nun sind in zehn Jahren schon über hundert Porträts entstanden. Bei einer Ausstellung in der Comic-Bibliothek “Renate” in Mitte hatte ich diese Porträts präsentiert, und es wurde von den Leuten gut aufgenommen. Das nehme ich als Ansporn, um weiterhin mit neuen Techniken zu experimentieren, um nicht in eine Schublade gesteckt zu werden oder in einer zu verschwinden.
Das zweite größere Projekt ist das Zeichnen von Comics. 2011 hat der Jaja Verlag meinen Comic “Adagio” heraus gebracht. Es sind Alltagsbetrachtungen – Geschichten was zuhause und in der Musenstube passiert. “Adagio” ist mein Alltags-Ego. Ich will mich in Zukunft noch weiter mit dem Comic-Genre auseinandersetzen und habe auch schon wieder neue Projekte und Ideen.
Zu ihrem neuesten Projekt ist Maki an Silvester nach Napoli geflogen. Während ihres Aufenthaltes möchte sie, inspiriert durch die Poesie Salvatore Palombas, einen neuen Comic entwickeln.
Wir sind sehr auf Makis zeichnerische und erzählerische Interpretationen der napolitanischen Lyrik Palombas gespannt und wünschen viel Erfolg!
Publikationen:
Makis Haustierbuch
Mit dem Originaltext von Paul Eipper
256 Seiten
Ca. 300 Abbildungen in Farbe und Schwarz-Weiß
EUR 25
Adagio
Comicbuch, DinA5, S/W, 80 Seiten
mit Siebdruckumschlag
Auflage: 300 Exemplare
Euro 14
Maki Shimizu mit Adagio © Seeance Magazin Nadine Zoller
Maki Shimizu mit Adagio © Seeance Magazin Nadine Zoller
Holzschnitt-Drucke © Seeance Magazin Nadine Zoller
© Maki Shimizu
© Maki Shimizu
© Maki Shimizu
© Maki Shimizu
© Maki Shimizu
© Maki Shimizu