Blasphemie in Kassel

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Karikatur des Künstlers Mario Lars

Ich gebe ja zu: Nicht allein in Russland scheint Blasphemie ein straf­wür­di­ges Verbrechen zu sein. Wir brau­chen gar nicht bis nach Moskau zu schauen, wo Staat und Kirche ges­tern erst einen Schauprozess gewan­nen. Während dort die Freunde Putin und Kyrill1  eine Demonstration der Macht gaben, mosern in Kassel die Kirchen gegen ein Plakat2 : “Evangelische und katho­li­sche Kirche sowie die Freikirchen und die ortho­doxe Kirche sehen die reli­giö­sen Gefühle von Christen ver­letzt und for­dern, die Werbung abzu­hän­gen.”

Worum geht es?
Erst ein­mal um  die – nun ja – etwas frag­wür­dige Karrikatur  des Künstlers Mario Lars, auf dem der ans Kreuz gena­gelte Jesus zu sehen ist. Aus dem Himmel über ihm ertönt eine Stimme, die sagt “Ey… du… Ich habe deine Mutter gefickt”… Gut, das könnte man sicher anders aus­drü­cken; aber Satire ist Kunst. Und Kunst darf alles.

Mit die­sem gro­ßen Plakat wirbt die Caricatura für ihre aktu­elle Ausstellung an der Fassade des Kulturbahnhofs Kassel. Das ruft (natür­lich) die Sofortbeleidigten auf den Plan: “Die Freiheit der Kunst sei zwar ein hohes und wich­ti­ges Gut der Gesellschaft, aber es gebe auch ein Recht dar­auf, in der Ausübung sei­ner Religion nicht ver­letzt zu wer­den.” 

Ich sehe zwar in die­sem Beispiel nicht, worin hier irgend­wer bei der Ausübung sei­ner Religion gefähr­det wer­den könnte (schließ­lich hält das Plakat ja keine Kirchentür zu) – oder wie sich jemand belei­digt füh­len kann, weil Mario Lars in Jugendsprache die jung­fräu­li­che Empfängnis Marias auf die Schippe nimmt… aber ein­ge­denk der Vorgänge in Moskau, die aus einer viel zu engen Verflechtung von Staat und Kirche her­rüh­ren und der hier ges­tern gestell­ten Forderung, den Blasphemie-Paragrafen auch in Deutschland end­lich abzu­schaf­fen, möchte ich aus­nahms­weise mal kno­chen­tro­ckene Juristensprache bemü­hen:

1) Wer öffent­lich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Inhalt des reli­giö­sen oder welt­an­schau­li­chen Bekenntnisses ande­rer in einer Weise beschimpft, die geeig­net ist, den öffent­li­chen Frieden zu stö­ren, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer öffent­lich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) eine im Inland beste­hende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeig­net ist, den öffent­li­chen Frieden zu stö­ren.

Das ist gel­ten­des Recht in Deutschland! Das ist der § 166 des Strafgesetzbuches!

Und wie in Russland liegt es im Ermessen eines Richters oder Staatsanwaltes, zu erklä­ren, wann eine Tat geeig­net ist, “den öffent­li­chen Frieden” zu stö­ren.

Soweit ich weiß, wurde der 166 in den letz­ten Jahren nur sel­ten ange­wandt… Wir soll­ten des­halb ganz genau beob­ach­ten, wie es in Kassel wei­ter­geht.

Nic

  1. http://www.zeit.de/2012/34/Putin-Orthodoxe-Kirche
  2. http://www.hna.de/nachrichten/stadt-kassel/kassel/karikaturenstreit-kirche-findetbild-verletzend-2463730.html – auch das Foto stammt von dieser Quelle

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