Birnkuchen aus guten Birnen – zur Kochbuchpatenschaft

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Vor einiger Zeit bekam ich ein Kochbuch aus dem Jahre 1900 geschenkt.  Es ist das “Neue Augsburger Kochbuch mit 365 Speisenzetteln und den dazugehörigen Anweisungen sowohl für die gut bürgerliche als höhere Küche”.

Ich muss gestehen: mehr als darin blättern, an den Seiten zu riechen, die (wenigen) sorgfältig gezeichneten Illustrationen anzuschauen und mich an den lustigen Formulierungen zu freuen, habe ich nicht damit getan – bis jetzt. Nun hat aber der Küchenatlas Blog zu einer Blogparade mit Kochbuchpatenschaft aufgerufen – ein Blogevent, dass alte Rezepte, Zubereitungtechniken, Küchengeräte und ähnlich historische Kochvergnügen sammelt und im Gegenzug dafür pro Beitrag 10 Euro für die Restaurierung eines antiken Kochbuchs spendet (mehr darüber könnt ihr hier lesen).

Welche tolle Gelegenheit also, mein Neues Augsburger Kochbuch vom Regal zu balancieren, die Seiten nochmal durch die Finger flattern zu lassen und dabei tief einzuatmen, auf der Suche nach einem schön altmodischen, klassischen Rezept. Natürlich lockte es mich sofort zum Gebäck. Was hat man sich wohl früher zum Sonntagskaffee gegönnt? War meine Frage. Eigentlich nichts großartig anderes als heute: Kuchen, Plätzchen, Kekse und Cremes, wenig erstaunlich also. Doch verdutzt blieb ich trotzdem als ich merkte, dass da ja garkeine Bilder drin sind! Wie soll ich bloß einen Kuchen backen, wenn ich garnicht weiß, wie der zum Schluss aussehen soll?

Die damaligen Hausfrauen hatten da wohl keine so klaren Vorschriften (eigentlich besser, wenn ich überlege, dass sie kein Drang plagte, die neuesten pinkfarbenen Mini-Guglhupf-Silikonbackförmchen zu kaufen, wenn sie einmal den Minigugl-Teig ausbacken wollten). Also nahm ich mir die Freiheit ebenso, und beschloss, dass der von mir gewählte, zur Herbststimmung passende “Birnkuchen mit Guß” in kleinen Tartelettförmchen zubereitet werden würde.

Das Rezept (Nummer 1073)  ist ziemlich knapp gehalten und lautet folgendermaßen:

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Natürlich war meine erste Sorge die Entscheidung des Teiges, der hier nur so flüchtig erwähnt wird. Ich fand allerdings die Rezepte für alle drei Varianten im Verzeichnis und entscheid mich für den “Bröselteig”.  Das mit den guten Birnen nahm ich mir ebenso sehr zu Herzen, machte einen großen Bogen um den Nachbarschafts-Rewe und radelte zum Obsthändler. Und dort warteten sie schon auf mich, die guten Birnen, in der Auslage, darüber ein Schild mit klarer Schrift: “Birnen Gute Luise”. Sie waren auserwählt, und kamen mit heim.

birnenkuchen wie früher birnkuchen mit guss © vivi d'angelo foodfotografie münchen

Das Tolle daran: beim guten Obsthändler gab es auch wirklich gute Walnüsse – frische von diesem Jahr, wie mir die Händlerin erklärte, die solle ich unbedingt probieren. Ich nehme an, eine historische Hausfrau lässt sich in jedem fall von ihrer Vertrauensobsthändlerin beraten, und nahm also auch die Frischnüsse mit und beschloss, die gestoßenen Mandeln, die in den “Guß” sollten, damit zu ersetzen.

birnenkuchen wie früher birnkuchen mit guss © vivi d'angelo foodfotografie münchen

Nun ging es also ans Backen:

birnenkuchen wie früher birnkuchen mit guss © vivi d'angelo foodfotografie münchen

Der “Bröselteig” (den ich bei den Grundteigen fand) war zum meinem Erstaunen überhaupt nicht bröselig, sondern eher geschmeidig und (ebenso neu für mich) enthielt keine einzige Prise Backpulver (gab es das damals überhaupt schon?). Die Zubereitung geschieht folgendermaßen:

“Zwölf Loth (210 Gr.) Butter, ein halbes Pfund (280 Gr.) Mehl werden auf dem Nudelbrett gut abgebröselt, dann ein ganzes Ei, ein Eidotter, ein Eßlöffel guter saurer Rahm nebst einem Körnchen Salz, sechs Loth (105 Gr.) Zucker hinzu gethan und hievon ein Teig gemacht, welchen man gut arbeitet und dann nach Belieben verwendet”.

Ich kicherte über das Körnchen Salz, folgte den Anweisungen und verteilte die Masse in meine Förmchen.

Darauf die guten Birnen, die ich in Butter und etwas Rohrzucker schwenkte und mit “Zimmt” würzte.

pochierte birnen für birnenkuchen wie früher birnkuchen mit guss © vivi d'angelo foodfotografie münchen

Und darauf kam widerum der “Guß No. 1053″,

den ich beim “Apfelkuchen auf dritte Art” fand:

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Nun musste das Ganze nur noch “schön backen”. Ich nahm mir die Freiheit, 20 Minuten bei 180° einzuschätzen, und lag da garnicht mal so falsch (trotzdem wagte ich keinen Schritt ais der Küche).

Das Endergebnis: gute, schön gebackene Birnkuchentörtchen wie vor 114 Jahren.

Sie duften sogar besser als die Seiten des Augsburger Kochbuchs und – ein Wunder! – sind auch ohne Backpulver aufgegangen. Sie schmecken wunderbar butterig, bröselig, zimtig süß und irgendwie bekannt. Es ist lustig und seltsam zugleich: es gibt Lebensmittel, die auf der Zunge so eine Art “Ur-Geschmack” erwecken. Mit diesem guten Birnkuchen geht es mir so ähnlich: er schmeckt so nach Vertrautem, nach schon Gegessenem, nach etwas, was bestimmt mal früher auf den Tisch kam, und doch kann ich nicht nennen, was es ist. Nach Kindheit.

Ich bin begeistert. So gut, dass mein Augsburger Buch ganze 1650 altbekannte, unentdeckte, bestimmt nach Kindheit schmeckende Rezepte enthält. Danke Blogparade.

birnenkuchen wie früher birnkuchen mit guss © vivi d'angelo foodfotografie münchen

 


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