Fronleichnam ist hier kein staatlicher Feiertag, deshalb wird die Prozession am Sonntag nachgeholt. Schon vor vier Jahren war ich dabei, und gestern beschlich mich wieder dasselbe Gefühl wie damals: Die Missionare haben hier versucht, eine Kopie ihrer Heimat zu schaffen, und für die meisten von ihnen war das ein bayerisches Dorf. Zumindest stelle ich mir vor, dass die Dorfprozessionen am Main und südlich davon auch so ablaufen: Der Priester mit der Monstranz unter einem Baldachin, davor der rückwärts gehende Messdiener, der das Allerheiligste beweihräuchert, die kleinen Mädchen, die Blumen streuen, der Fahnenschmuck überall. Schülerinnen, Mönche, Schwestern, Männer und Frauen gehen in getrennten Gruppen, die Ordner bemühen sich ernsthaft und relativ erfolgreich, für Ordnung zu sorgen. Einer von ihnen blickt so streng (Foto oben), dass ich an den bayerischen Wachtmeister denken muss, der mir einmal 5 Mark wegen freihändigen Fahrradfahrens abgeknöpft hat (auf einem breiten Radweg, außer mir und ihm war kein Mensch weit und breit zu sehen, und ich war sogar auf dem Weg zur Kirche !). Zum Abschluss wird “Großer Gott, wir loben dich” gesungen (Melodie Wien 1776, Text auf Suaheli), mit Orgelbegleitung.
Beim anschließenden Mittagessen bittet Br.Dietmar mich um die Fotos, “damit ich sie daheim zeigen kann”. Br.Dietmar ist bayerischer Schwabe und war der einzige Bayer in der Prozession. Wenn er die Bilder zuhause zeigen will, dann war die Sache vielleicht doch nicht so bayerisch. Immerhin kam das durch Mark und Bein gehende Geräusch nicht von einer Blaskapelle, sondern von einem Baragumu, dem Antilopenhorn, dessen Ton einem fast den Boden unter den Füßen wegzieht (Foto unten, den Ton hört man beim Betrachten des Fotos leider nicht), und die Begeisterung der Teilnehmer und Teilnehmerinnen machte auch nicht den Eindruck, als ob hier ein “fremder Ritus” durchgezogen würde. Im Gegenteil: Die Prozession kam mir viel stimmiger und echter vor, als ich das von Meschede her in Erinnerung habe.
Bin ich im Urwald oder in Oberbayern ?
Autor des Artikels : rsk6400
Zum Original-ArtikelErlebnisse eines deutschen Mönchs im Alltag auf Kuba.