Bildungsbericht Deutschland: sind Chancenungleichheit und Talentverschwendung politisch gewollt?

Auch der neue Bildungsbericht für Deutschland bestätigt wieder einmal das, was wir alle schon im Prinzip erahnen: Die Exportnation, die so dringend auf Bildung und Know – how angewiesen ist, verschwendet durch das dilletantisch gemanagte Bildungssystem unzählige Talente und produziert eine Bildungsungerechtigkeit wie in kaum einem anderen Industrieland. Das ist gleichermaßen beschäment als auch gefährlich. Unsere sogenannte politische Elite, die verantwortlich dafür zeichnet, denkt nach pädogogischen Mustern aus dem vorletzten Jahrhundert und möchte offensichtlich die eigene Klientel der Oberen vor Bildungskonkurrenz schützen.

Bildungsministerin Schavan, die des Plagiats bei ihrer Doktorarbeit verdächtigt wird, hält ignorant und arrogant am Mangelsystem fest. die föderal Verantwortungsstruktur führt zu einem Flickenteppisch in der Bildungslandschaft. Flicken von Gebieten mit schlechter Bildung oder noch schlechterer, aber keineswegs – wie von Bayern und Thüringen propagierter vorbildlicher Bildung. Der PISA Schock hat angeblich soviel bewegt. Aber stimmt das auch?

Nein, ganz eindeutig nicht. Der Bürger wird wieder einmal getäuscht.Von Chancengleichheit kann nämlich keine Rede sein: Kinder aus sogenannten bildungsfernen Familien – also Arbeiter,  Niedriglöhner und Hartz 4 – Familien schaffen es in Deutschland viel seltener ans Gymnasium und ins Studium als Mitschüler aus dem geachteten Bildungsbürgertum. Eine neue Studie zeigt: Selbst wer sich das Abitur erkämpft hat, setzt lieber auf eine Berufsausbildung. Geld und Vermögen ist wichtiger als echtes talent, um weiter zu kommen.

Ja. es ist wahr. Mehr Abiturienten, mehr Studenten, mehr Akademiker – jedes Jahr steigen die Zahlen. Und die Politiker brüsten sich dann damit, dass es angeblich so toll aufwärts geht in der Bildungsrepublik Deutschlands. Sie preisen die Reformen, Abitur nach 12 Klassen, Bildungsexellenz an den Universitäten, die Erhöhung des BAFÖGs um wenige Prozentpunkte udgl. mehr, mit denen sie die Schulen und Hochschulen in den vergangenen Jahren umgebaut haben und mehr soziale Durchlässigkeit erwirkten. Das Bildungssystem ist tatsächlich ein klein wenig durchlässiger geworden, aber im Vergleich zu anderen europäischen ländern ist dies nur eine marginale Verbesserung.

Jetzt zeigt eine neue Studie mit dem Titel “Aufstiegsangst?”: Gerecht geht es noch lange nicht zu im deutschen Bildungssystem, vor allem nicht beim so wichtigen Schritt von Schulen auf Unis und Fachhochschulen. Trotz aller Reformen der vergangenen 40 Jahre haben Kinder und Jugendliche aus den bildungsfernen Familien weitaus schlechtere Chancen auf ein Studium. Hier entwickelt sich die Studierquote sogar rückläufig! Das bedeutet in der realität: Im Verhältnis sinkt bei sozial ökonomisch benachteiligten Bevölkerungsgruppen der Anteil derer, die mit ihrem Abi tatsächlich an eine Hochschule gehen.

Nach einem Spiegelbericht zeigt sich bei der vorliegenden neuen Studie folgendes:

“Noch immer sind die Zugangswege zum Studium hoch selektiv”, so Steffen Schindler, promovierter Soziologe und Autor der Studie, die am Montag von der Vodafone-Stiftung vorgestellt wurde. Die Ungerechtigkeit beim Hochschulzugang beginnt demnach bereits beim klassischen Abitur und zeigt sich dort besonders drastisch: Kinder gebildeter Eltern haben eine siebenmal höhere Chance, die allgemeine Hochschulreife zu erlangen, als Kinder aus benachteiligten Schichten.

Schindler hat für die Studie, die auf seiner Doktorarbeit basiert, zahlreiche Statistiken der letzten Jahrzehnte ausgewertet und so bearbeitet, dass sie sich vergleichen ließen. Ihm zufolge ist es die bislang größte Datenauswertung zum Hochschulzugang, eine so differenzierte Analyse habe es noch nicht gegeben. Als bildungsfern gelten bei ihm Familien, in denen die Eltern höchstens den Hauptschulabschluss geschafft habe.

Dass Deutschland übermäßig viele Bildungsverlierer produziert, ist ja nicht neu. Bereits der letzte Bundesbildungsbericht zeigte, dass 15 bis 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen kaum eine Chance auf sozialen und ökonomischen Aufstieg haben: Sie können nicht richtig lesen oder Texte verstehen, brechen ihre Ausbildung häufig ab und offizielle Weiterbildungskurse erreichen sie kaum. Warum aber nutzen viele Abiturienten aus benachteiligten Familien nicht ihre Chancen, die sich so schwer erkämpft haben?

Schuld sind laut der Studie das soziale Umfeld der jungen Erwachsenen und die gestiegenen Anforderungen an Auszubildende:

  • Bildungsferne Familien neigen eher zu sehr zurückhaltenden und rückwärts gewandten konservativen Entscheidungen, was Ausbildung und Berufswahl angeht – sie gehen vermeintlich eher auf Nummer sicher. Ein Kind an die Uni zu schicken, das ist aus ihrer Sicht ein eher unüberschaubares Unterfangen, das zudem oft viel zu teuer ist.
  • Selbst bei sehr guten Schulnoten ihrer Kinder entscheiden sich bildungsferne Familien eher gegen eine Studienkarriere. Dagegen legen gebildete oder besser verdienende Eltern mehr Wert auf das Erreichen eines hohen Bildungsabschlusses. Die tradition verpflichtet. Kurz: Die Abstiegsangst der besser Situierten ist größer als der Aufstiegswille der Benachteiligten.
  • Für immer mehr Ausbildungsberufe gilt das Abitur als Standardvoraussetzung. Darum entscheiden sich auch Kinder aus bildungsfernen Familien für ein Abitur, selbst wenn sie von vornherein nie ein Studium aufnehmen wollen. Früher reichte zum beispiel für den berug des Bankkaufmannes die mittlere Reife aus. Heute ist Abitur die Mindestvorrraussetzung.
  • Die Entscheidung für oder gegen ein Studium wird mittlerweile relativ spät getroffen, meist erst in der Oberstufe oder nach dem Abitur. Früher war oft schon nach der Grundschule klar: Wer nicht aufs Gymnasium geht, wird nicht studieren. Durch den Ausbau anderer Wege zum Abitur und Fachabitur hat sich die Entscheidung nach hinten verlagert. So zeigen sich “Effekte der sozialen Herkunft” auch erst später.

Studienautor Schindler findet es vor diesem Hintergrund problematisch, “wenn selektiv spezielle Bevölkerungsgruppen von der Hochschulbildung abgelenkt werden und somit Bildungsungleichheit entsteht”.

Die Gesellschaft wird es unter diesem rückständigen und von sozial politischer Klüngelei durchzogenen (Un)Bildungssystem nicht schaffen bei der steigenden globalen Konkurrenzsituation den wirtschaftlichen Wohlstand zu sichern. Begabungsresserven werden weiterhin verschwendet. Die sozio – kulturelle Kluft in der Gesellschaft nimmt zu und mir ihr die Ungerechtigkeit und soziale Spannungen.


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