Bildpsychologie

Was will uns dieses Bild sagen? In Ausstellungen hört man häufiger diesen Satz, zumeist hinter vorgehaltener Hand. Niemand will sich die Blöße geben, ein Bild nicht zu verstehen. Angst vor der Blamage als Nullchecker im Raum zu stehen, spielt eine große Rolle. Die Angst ist so groß, dass man lieber leise fragt, als sich auf sein Bauchgefühl zu verlassen. Wer ehrlich zu sich selbst ist, kennt diese Situationen des „sich nicht selbst vertrauen“. Besonders Bilder, ganz besonders ungewöhnliche Fotografien, stürzen Bildbetrachter in den Orkus des Selbstmisstrauens. Aus meiner Sicht ist dies auch der Grund, warum sich so wenig Fotografen ausgefallene Methoden der Bildgestaltung und Bildausarbeitung verwenden. Bloß keine Stolpersteine auf dem Weg zur Werklobpreisung zulassen! Platt planierte Wege sind die beliebtesten Wanderpfade des satten Bürgertums. Ein schwieriges Thema, ich weiß. Deshalb jetzt eine nüchterne Betrachtung.

Seit einiger Zeit beschäftige ich mich mit Edeldruck-Verfahren, speziell mit Cyanotypie und Vandyke. Die Cyano-Bilder werden satt blau, die Vandykes herrlich braun-schwarz. Auf den ersten Blick ist das ganz nett und irgendwie wirken alle Bilder außergewöhnlich und toll, egal welche Farbe sie haben. Da ich mich aber mit der Bildaussage beschäftige, soll der Bildton auch eine Aussage erzeugen. Ich will Bilder haben, die in den Kopf gehen. Also muss ich mich mit dem Bildinhalt und dessen Farbe auseinandersetzen, weil Farben Emotionen auslösen. Edeldrucke sind dafür ein wundervolles Spielfeld. Nebenbei beschäftige ich mich auch mit der Gestaltung des Bildrandes. Wer kennt sie nicht, die unsägliche Diskussion in Foren nach dem Motto „… den Bildrahmen hätte ich anders gestaltet“. Aua, da läuft es mir eiskalt den Rücken herunter, aber der Kommentator schaut zumeist schon mal in die richtige Richtung.

Bildpsychologie

Cyanotypie. Blau, kühl, distanziert. Es ist interessant, wie ein unruhig gestalteter Bildrand diesen Bildern zusätzliche Dynamik verleiht. Blaue Bilder haben es schwer, sich einzuschmeicheln, können keine Wärme vermitteln. Blau ist tatsächlich emotional mit Kälte besetzt. Wer sich mit der Fotografie näher beschäftigt weiß, dass Kontraste durch Blau zustande kommen. Zudem geht der Farbton Blau selten ins Schwarz, eher ins Weiß.

Bildpsychologie

Vandyke. Braun-schwarz, braun-rot, Wärme, Tiefe, Ruhe. Ein unruhig gestalteter Bildrand würde stören, den Bildinhalt sogar zerstören. Selbst fehlende Symmetrien werden diesen Bildern verziehen, weil sie in ihrer Farbgebung „versöhnlich“ wirkt. Man erwartet auch sofort eine bedeutende Tiefe. Braun und Rot sind Farben, die mit Wärme und Ruhe gleichgesetzt werden. Bilder dieser Art wirken Bilder weich. Schwarz ist dabei eine natürliche Folge, weil man bei dunklen Farben förmlich auch sattes Schwarz herbeisehnt. Reines Weiß will dabei niemand sehen … das stört eher.

Ein Bild, zwei Arten der Ausarbeitung. Selten sieht man einen direkten Vergleich zwischen Cyanotypie und Vandyke. Jedes Bild wirkt für sich stark. Nebeneinander gestellt, wird jeder schnell entscheiden können, welches Bild ihm besser gefällt. Durchaus eine emotionale Entscheidung. Wir alle sind steuerbar. Farben und Formen geben den Ausschlag. Wer ernsthaft mit seiner Fotografie arbeitet, der kommt an diesem Thema nicht vorbei … natürlich nur, wenn es keine Angst vor dem unbequemen Weg hat.

Zum Schluss noch eine Werbeeinblendung:
Bei Spürsinn finden in Kürze Workshops zu den Themen Cyanotypie und Vandyke statt. Übrigens können beide Verfahren auch von Digitalfotografen genutzt werden. Auf den Workshops wird gezeigt wie es geht.

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