Am 19. April 1943 verlässt der Schweizer Chemiker Albert Hofmann (*1906 - †2008) seinen Laborarbeitsplatz und macht sich mit dem Fahrrad auf den Weg nach Hause. Im Anschluss an diese Fahrt erlebt er äußerst seltsame Dinge. Seither wird dieses Datum von einer ganzen Reihe von Menschen zum Anlass genommen, den sogenannten Bicycle Day zu feiern. Ein wahrlich kurioser Feiertag.
Auf der Suche nach einer Kreislaufstimmulanz
Um die Ereignisse des 19. Aprils 1943 zu verstehen, muss allerdings ein bisschen weiter ausgeholt werden: Hofmann arbeitete 1938 für den Pharmakonzern Sandoz und hatte im Rahmen seiner Tätigkeit den Auftrag eine Kreislaufstimulanz aus dem Mutterkorn Lysergsäurediethylamid zu entwickeln. Dabei hatten der Schweizer und seine Kollegen die Lysergsäure als primären Wirkstoff des Pilzes "Claviceps purpurea" (befällt vor allem Getreide) identifiziert und diese in verschiedenen Verbindungen künstlich herstellen können.
Die medizinische Wirkung des Mutterkorns ist schon seit dem Altertum bekannt, wo er als blutstillendes, die Gebärmutter kontrahierendes Naturmittel in der Geburtshilfe verwendet wurde. Allerdings zeigte das gewonnene Extrakt bei verschiedenen Tierversuchen keine medizinisch relevante Wirkung und Hofmann wandte sich anderen Forschungen zu. U.a. konnten er und sein Team das bis heute in vielen Kreißsälen der Welt verwendete Standardpräparat Methergin aus den Wirkstoffen des Pilzes gewinnen.
Albert Hofmann nimmt Lysergsäurediethylamid
Da Hofmann jedoch immer den Verdacht hegte, dass er bei den ersten Versuchen etwas übersehen haben könnte, nahm er fünf Jahre später die Arbeit an dem Lysergsäurediethylamid-Projekt wieder auf. Sachkundige Leser werden an dieser Stelle erkennen, dass Lysergsäurediethylamid nichts anderes als die vollständige chemische Bezeichnung von LSD ist und während der Arbeiten am 18. April 1943 bemerkte Hofmann an sich selbst eine latent halluzinogene Wirkung des hergestellten Stoffes: Körperliches Unwohlsein, ein Gefühl innerer Unruhe bewogen ihn am 18. April seinen Arbeitstag zu beenden und nach Hause zu fahren.
Rückblickend berichtet er davon, dass er bei geschlossen Augen für ca. zwei Stunden intensive Visionen hatte. Dementsprechend vermutete er, dass er das LSD durch Hautkontakt während seiner Experimente aufgenommen hatte. An besagtem 19. April 1943 entschied er sich, die Wirkung des Stoffes in einem Selbstversuch zu verifizieren und verabreichte sich 250 Mikrogramm LSD, was in etwa der kleinsten wirksamen Menge aller bis dato bekannten Mutterkornalkaloide entsprach.
Nun hatte der Schweizer aber die Wirkung des LSD vollkommen unterschätzt und sah sich auf einmal dem zehnfachen - andere Quellen sprechen lediglich von fünffachen - der normal wirksamen Dosis (ab ca. 20 Mikrogramm) ausgesetzt. Auf dem Heimweg mit dem Fahrrad erlebte Hofmann dann einen starken LSD-Rausch, den er wie folgt beschreibt:
Mit Velo nach Hause. Von 18 - ca. 20 Uhr schwerste Krise, siehe Spezialbericht: Die letzten Worte konnte ich nur mit grosser Mühe niederschreiben. [...] die Veränderungen und Empfindungen waren von der gleichen Art [wie gestern], nur viel tiefgreifender. Ich konnte nur noch mit grösster Anstrengung verständlich sprechen, und bat meine Laborantin, die über den Selbstversuch informiert war, mich nach Hause zu begleiten. Schon auf dem Heimweg mit dem Fahrrad [...] nahm mein Zustand bedrohliche Formen an. Alles in meinem Gesichtsfeld schwankte und war verzerrt wie in einem gekrümmten Spiegel. Auch hatte ich das Gefühl, mit dem Fahrrad nicht vom Fleck zu kommen. Indessen sagte mir später meine Assistentin, wir seien sehr schnell gefahren. [Zu Hause angelangt] wurden Schwindel und Ohnmachtsgefühl zeitweise so stark, dass ich mich nicht mehr aufrecht halten konnte und mich auf ein Sofa hinlegen musste. Meine Umgebung hatte sich nun in beängstigender Weise verwandelt. [...] die vertrauten Gegenstände nahmen groteske, meist bedrohliche Formen an. Sie waren in dauernder Bewegung, wie belebt, wie von innerer Unruhe erfüllt. Die Nachbarsfrau [...] war nicht mehr Frau R., sondern eine bösartige, heimtückische Hexe mit einer farbigen Fratze. etc. etc."
Albert Hofmann: Protokoll des LSD-Selbstversuchs*
Daher gilt der 19. April 1943 im Rückblick als Jahrestag der Entdeckung der psychoaktiven Eigenschaften des LSD und wird dementsprechend von zahlreichen LSD-Anhängern und Konsumenten als sogenannter Bicycle Day gefeiert. Und wer damit nichts am Hut hat, kann alternativ ja auch den Tag des Knoblauc h (engl. National Garlic Day), den Tag des Amaretto (engl. National Amaretto Day) oder Tag der Wäscheaufhängens (engl. National Hanging Out Day) feiern.
*Zitiert nach Wolfgang Schmidbauer & Jürgen vom Scheidt: Handbuch der Rauschdrogen. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2004