Es hätte so etwas wie ein Abschiedsbesuch werden sollen. Vor einiger Zeit schon habe ich mich innerlich vom blau-gelben Möbelhaus zu lösen begonnen, fuhr nur noch hin, wenn es unbedingt sein musste und setzte mich vertieft mit kritischen Artikeln auseinander. Es fiel mir nicht leicht, mich von dem Geschäft zu distanzieren, das mich von frühester Kindheit, über schwierige Teenagerjahre zur ersten Wohnung bis hin zu den Kleinkinderjahren unserer Kinder begleitet hatte. Doch eine zunehmend konsumkritische Haltung, einige enttäuschende Beziehungen zu Möbelstücken, die mehr versprachen, als sie halten konnten und der wachsende Wunsch nach Möbeln, die eine Geschichte haben, trieben mich vermehrt in die Arme der Brockenstuben. Daran änderte auch unsere Schwedenreise nichts, obschon es im Möbelhaus auch ein paar Lebensmittel zu kaufen gibt, die ich seit unserer Rückkehr schmerzlich vermisse.
“Ein letzter Besuch muss sein”, sagte ich gestern, als mir bewusst wurde, dass unsere Küchenschränke ein rundum erneuertes Innenleben benötigen, wenn ich je so etwas wie Ordnung herstellen will. Ich weiss, man bekommt solche Dinge auch andernorts, aber “Meiner” hat gerade eine Weiterbildung zu bezahlen und da liegt das blau-gelbe Möbelhaus am ehesten im Bereich des Bezahlbaren.
Also fuhr ich heute Morgen mit meinem sehr schwedisch aussehenden Prinzchen – die Michel aus Lönneberga-Verkleidung ist zu seiner zweiten Haut geworden – und einer langen Einkaufsliste los und das war eindeutig ein Fehler. Die Blau-Gelben haben nämlich ganz offensichtlich gespürt, dass ich mich von ihnen zu entfremden begann und mir scheint, dass sie so ziemlich alle Register gezogen haben, um mich zurückzugewinnen: Fröhlichere Farben, fantasievollere Muster, eine Rückbesinnung auf die småländischen Wurzeln, etwas weniger “Made in China”, Zusammenarbeit mit meinem bevorzugten Vegi-Restaurant, ein paar bestechende Aufbewahrungsideen und eine Lehrlingsarbeit, die ich am liebsten nachmachen würde, wäre ich handwerklich nicht vollkommen unbegabt.
Als wäre das alles nicht genug, mussten diese Angestellten, die gewöhnlich ziemlich schroff und distanziert sind, ein Riesentamtam um mein herziges kleines Prinzchen machen, das sie alle zum Anbeissen fanden. Wissen die denn nicht, dass es in der Schweiz streng verboten ist, fast fünfjährige Jungen süss zu finden? Spätestens im Alter von drei Jahren wechseln die Jungen hierzulande in die Kategorie “unausstehliche Rotznase, der man nicht über den Weg trauen kann”, aber das kümmerte die Damen einen Dreck, sie bezirzten das Prinzchen, als wäre er gerade mal ein halbes Jahr alt.
Ja, und jetzt bin ich voll im Clinch: Bleibe ich bei meinem Entschluss, diese Beziehung zu beenden? Lasse ich die ganze Sache auf Sparflamme köcheln, in der Hoffnung, dass das blau-gelbe Möbelhaus eines Tages zu einem Fair-Trade-Unternehmen erster Güte wird? Oder lasse ich mich durch die neue Farbenvielfalt zu einer neuen Liebesbeziehung verführen, wohl wissend, dass ich diese nie mehr mit reinem Gewissen werde geniessen können, weil ich bereits zu viel hinterfragt habe?