Frau Schwarzer hat, wie viele andere auch, Steuern hinterzogen. Es gibt kleinere, mittlere und grössere Fische, was die Summen anbelangt. Mit 200.000 Euro und dass ist ja wohl eher die Summe, die nicht mehr zu leugnen war, gehört Alice Schwarzer sicherlich zu den mittleren Fischen. Eigentlich war Steuerhinterziehung ja bis vor dem Zeitgeistphänomen der ”Steuer-CD-Dealer” wohl eher ein gefühltes Kavaliersdelikt, da nur die allerwenigsten gefasst wurden. Wer erinnert sich denn schon an Zeiten in denen Udo Jürgens oder Sophia Loren nur knapp einer Gefängnisstrafe entgingen?
Wir leben mittlerweile halt in einem Zeitalter, wo jeder jeden belügt und betrügt. In der Fernsehwerbung weiss ich doch, dass ich in der Regel bestens beraten bin, genau von den gegenteiligen Produkteigenschaften auszugehen, die dort angepriesen werden. Wenn hohe Staatsbeamte sowie Politiker bis zur obersten Garde sagen – ich schwöre – wissen wir auch spätestens seit den 80`iger durch Herrn Barschel, dass dies wohl nicht immer ganz stimmen kann – gell ? Generell ist es auch in der Politik immer merkwürdiger mit anzusehen, wie studierte erwachsene Menschen gegenseitig auf einander verbal einschlagen und generell – ganz gleich bei welchem Thema – behaupten, den Stein der Weisen gefunden zu haben und der andere nur Unfug redet und völlig inkompetent ist – zumindest solang, wie er nicht mit dem anderen koaliert.
Und wir selber – der sogenannte kleine Mann/kleine Frau von nebenan – sind wir ehrlicher mit uns, unseren Freunden, unserem Arbeitgeber unserem Partner unserem Finanzamt ?
In vielen Fällen wohl eher weniger – nicht wahr ?
Zurück zu Frau Schwarzer. Beschwert sie sich zu Recht, dass sie nun in die Öffentlichkeit gezogen wird? Im Hinblick auf den eigentlich Ablauf einer Selbstanzeige wohl ja, im Hinblick darauf, dass sie zweifellos und zwar im vollen Besitz ihrer körperlichen und geistigen Kräfte, über Jahre hinaus Steuern vorsätzlich - also wohl eher kein Versehen – am deutschen Fiskus heimlich vorbeischleuste und ins Ausland schaffte und das wohl eher deutlich länger als die rechtlich relevanten 10 Jahre – ist sicherlich sehr wohl relevant für die Öffentlichkeit. Dass dies einige derer, denen Frau Schwarzer verbal öfters auf die Füsse trat oder mit dem mahnenden Zeigefinger die emanzipierte Gutfrau präsentierte – nun keine Tränen in die Augen schiessen lässt, ist zumindest für mich nachempfindbar. Völlig ungeachtet ihrer ungeschmälerten und sehr wichtigen Arbeiten und Kämpfe, die sie als Journalistin, Herausgeberin von Emma und nicht zuletzt als Frauenrechtlerin positives bisher erreichte, muss auch sie wie wir alle uns an “all” unseren Taten messen lassen und nicht nur an den vermeintlich Guten.
Ich lerne daraus, dass wir alle dazu beitragen können, die Welt ehrlich zu machen, bei unseren Steuererklärungen, wie bei unserem Umgang mit Freunden, Arbeitgebern und vieles mehr. Und das schöne ist, wir können sofort und jeden Tag aufs neue damit beginnen.
Wie seht ihr das?