Auf einen Kaffee / Foto: Christoph Baumgarten
Österreichs und Deutschlands Christkonservative setzten sich für verfolgte Christen ein. Und nur für sie. Am 30. April halten sie einen offiziellen Kongress zum Thema „Christenverfolgung“ ab. An Einseitigkeit ist der kaum zu überbieten.
Für unkritische Zeitgenossen liest sich nahezu idyllisch, was der Parlamentsklub der ÖVP und die Bundestagsfraktion von CDU/CSU am 30. April vorhaben:
Wien (OTS/ÖVP-PK) – Am 30. April 2013 halten der ÖVP-Parlamentsklub und die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag in der Mozartaula der Universität Salzburg gemeinsam einen Kongress zum Thema “Verfolgte Christen – Einsatz für die Religionsfreiheit” ab. Bei diesem Kongress wird mit Wissenschaftern und Vertretern von Hilfsorganisationen und Betroffenen diskutiert, um neue Wege zur Unterstützung bedrängter und verfolgter Menschen zu finden. Teilnehmer sind u.a. Vizekanzler Bundesminister Dr. Michael Spindelegger, CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender Volker Kauder MdB und ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf. Wir laden die Vertreterinnen und Vertreter der Medien herzlich ein, an dieser Veranstaltung teilzunehmen.
So der Text einer Presseaussendung des ÖVP-Klubs.
Unterstützung bedrängter und verfolgter Menschen klingt immer gut. Sogar der amtierende Außenminister und Vizekanzler setzt sich für die Religionsfreiheit ein. Kann’s freiheitsliebender, kann’s demokratischer werden?
Religionsfreiheit nicht zu großzügig auslegen
Es kann. Um der Gefahr zu entgehen, dass Religionsfreiheit allzu großzügig ausgelegt wird, beginnt der Kongress der deutschsprachigen Christkonservativen (inklusive derer, die sich für deutschsprachig halten) mit einem christlichen Gottesdienst. Sicherheitshalber ist es nicht einmal ein ökumenischer sondern ein katholischer, geleitet vom Salzburger Erzbischof Alois Kothgasser. Nicht, dass jemand auf falsche Ideen mit der Religionsfreiheit kommt. Anders kann man Titel und Programm des Kongresses nicht deuten.
Unteilbare Menschenrechte? Schon mal gehört?
Das ist – mit Verlaub – einseitig. Es werden Millionen Nicht-Christen auf dieser Welt religiös verfolgt – deren Leid wird nicht einmal ignoriert. ÖVP und CDU/CSU veranstalten für sie keine Kongresse. Wäre das eine Veranstaltung der katholischen Kirche oder eines Vereins, wäre das egal. Allein das ist keine Privatveranstaltung. Es ist ein offizieller Kongress zweiter Regierungsparteien. Ein Außenminister und Vizekanzler tritt dort als Amtsträger auf.
Er hat einen Eid auf die österreichische Bundesverfassung gelobt, in der die Menschenrechte mehrfach verankert sind. Rechte, die dort als unteilbar definiert werden und jedem Menschen zustehen, ungeachtet von Geschlecht, Alter, Religionszugehörigkeit oder Herkunft. Und der richtet Schlussworte an einen Kongress der da heißt: „Verfolgte Christen – Einsatz für die Religionsfreiheit“.
Dass der Eröffnungsgottesdienst bei einer solchen staatstragenden Veranstaltung, und als nichts anderes präsentiert sich dieser Kongress, den Charakter eines allerkatholischsten Staatskirchentums hat, sei hier beiseite gelassen.
Nirgendwo werden nur Christen verfolgt
Was Kopten in Ägyten und orthodoxe Christen in Syrien erleiden müssen, ist für Bewohner westlicher Demokratien nahezu unvorstellbar, um nur zwei Beispiele zu nennen. Das soll keineswegs verharmlost werden. Jeder einzelne dieser Verfolgten verdient jede Hilfe und jeden Schutz, den ein demokratischer Staat gewähren kann. Von humanitärer Hilfe in Flüchtlingslagern bis zu Asyl über – selbstverständlich – scharfe politische Sanktionen gegen Regierungen, die diese Verfolgungen auch nur dulden. Sofern sie in der Lage wären, derartige Vorgänge zu unterdrücken. In beiden Fällen kann man das getrost verneinen.
Nur soll über all der mehr als berechtigten Betroffenheit nicht vergessen werden, dass etwa auch in diesen beiden Ländern nicht nur Christen religiös verfolgt werden. Dort verfolgen religiöse Fanatiker, in der Regel Sunniten, alle, die nicht nach ihren fundamentalistischen Vorstellungen leben. Besonders die, die überhaupt anders sind.
Jüdische Gemeinden leben dort ebenso in ständiger Gefahr, sofern sie überhaupt noch existieren. Als Atheist sollte man sich besser nicht outen. Auch Muslim zu sein, schützt einen weder in Ägypten noch in Syrien vor religiöser Verfolgung. In Syrien werden etwa Pogrome an den Alawiten befürchtet. Angehörige dieser shiitischen Sekte sind zu tausenden aus den Gebieten geflüchtet, die die Rebellen kontrollieren. Was mit denen passiert, die nicht geflohen sind, weiß man nicht. In einem Bürgerkrieg bekommt man nur sehr schwer zuverlässige Informationen.
Auch Christen verfolgen Andersdenkende
Nicht vergessen sollte man auch, dass Christen selbst tausendfach Angehörige religiöser Minderheiten verfolgen wie es in Eritrea durch Vertreter der offiziellen orthodoxen Kirche gegenüber Angehörigen kleinerer christlicher Konfessionen tagtäglich passiert. In einem protestantischen oder katholischen Viertel in Nordirland der anderen Fraktion anzugehören ist vermutlich auch nicht besonders lustig, wenn auch das Schlimmste – hoffentlich – Geschichte ist.
Unterstützt wird, wer einem passt
Wo werden diese Menschen im Programm des Kongresses erwähnt? Nirgends. Die Botschaft, die ÖVP und CDU/CSU senden, ist eindeutig: Unterstützung für Verfolgte gibt es nicht der Verfolgten willen.
Unterstützung gibt’s nur für die Verfolgten, deren ideologische Ausrichtung man irgendwie toll findet. Sonst hätte man andere religiös verfolgte Gruppen wenigstens exemplarisch erwähnt. Das fängt bei Muslimen an und endet bei Atheisten, dazwischen Juden, Sikhs, Hindus, Animisten und so weiter und so fort. Nur, die werden in Programm und Einladung nicht einmal genannt.
Zum zweiten Mal Opfer werden
Sie existieren nicht in der Welt der Christkonservativen. Sie werden zum zweiten Mal Opfer. Nicht nur, dass sie zuhause verfolgt werden. Staatstragende Parteien im demokratischen Westen lassen ihr Leid dem Vergessen anheimfallen. Sie sind eben Verfolgte zweiter Klasse, nicht des gleichen Schutzes würdig wie die, die man für ideologisch kompatibler hält. Um die wird sich schon wer anderer kümmern.
Religionsfreiheit für alle? „Jenseitig“
Diese Einseitigkeit ist nicht einmal das Schlimmste. Die Herrschaften, die dauernd von Werten und Fundamenten faseln, sind auch noch stolz auf diese Einseitigkeit: Für andere religiös Verfolgte gebe es eh andere Veranstaltung, twitterte ein ÖVP-Unterstützer in einer DIskussion. Nur eben nicht von der ÖVP, die sich für ihren „Einsatz für Religionsfreiheit“ gleichzeitig selbst auf die Schulter klopft.
Gerhard W. Loub, sozusagen Web 2.0-Beauftragter der ÖVP, nannte die Forderung, eine solche Veranstaltung allen religiös Verfolgten unabhängig ihrer Religion zu widmen, wörtlich „jenseitig“. Und versuchte sich auf seine unbeholfene Art in einer Opfer-Täter-Umkehr: „@chrisbaumgarten Erschütternd, wie hartnäckig Du VA gegen Verfolgung einer Minderheit attackierst“, hieß es Donnerstagnacht auf Twitter.
Bigotterie und Selbstgerechtigkeit
Erschütternd sind eher das Fehlen jeglichen Unrechtsbewusstseins und die Tatsache, dass man auf die eigene Bigotterie auch noch stolz ist – und jedem mit aggressivem Unverständnis begegnet, der diese Bigotterie nicht teilt. Was ehrlicherweise nicht großartig überrascht. Erstens sind es Konservative. Zweitens ist in diesem Land der Nestbeschmutzer immer der, der den Schmutz entdeckt. Nie der, der ihn macht.
Nur so kann man einseitiges Engagement mit Selbstgerechtigkeit vor sich her tragen und auf all die anderen Verfolgten auf dieser Welt vergessen, die einem gerade nicht in den Kram passen.
Die „hidden agenda“
Vielleicht könnte man auch das als bestenfalls lästige aber nicht sonderlich skandalöse Episode abtun (wer erwartet schon Ausgewogenheit von Christkonservativen?), würde einen nicht das Gefühl beschleichen, das Ganze diene dem, was man auf Englisch „hidden agenda“ nennt. Das versteckte, das geheime Ziel.
Die Christkonservativen versuchen ein diffuses Gemeinschaftsgefühl unter christlichen Europäern zu erzeugen, indem sie besonders auf die Leiden von Christen auf dieser Welt aufmerksam machen. Das bindet Kernwähler. Im Idealfall aus konservativer Sicht formt man so auch ein Bollwerk, das den konservativen Rollback ermöglicht.
Seht her, lautet ihre Botschaft, wir Christen müssen uns verteidigen. Gegen Andersgläubige und gegen die Herausforderungen der säkularen Moderne. Wo immer auch ein christliches Privileg eingeschränkt wird, beginnt die Christenverfolgung. Dem sei Gott vor.
Vorbereitung des Rollback
Die einzige Abwehr besteht aus ihrer Sicht, säkulare Errungenschaften abzuschaffen. ÖVP-affine Gruppierungen bereiten die Basis für diese Argumentation auf – und faseln sogar eine Christenverfolgung in Europa herbei.
Das lässt sich doch bedeutender verkaufen, wenn man die religiöse Verfolgung von Christen in undemokratischen Ländern medial möglichst ausschlachtet. Genau das tut der Salzburger Kongress von CDU/CSU und ÖVP. Das ist Bigotterie zum Quadrat. Mit Menschenrechten hat das nichts mehr zu tun.
Christoph Baumgarten