Aktuelle Umfrage im Tagesspiegel: Nur etwa 20 Prozent trauen dem Markt dies Lösung der Wohnungsfrage zu
Vor ein paar Wochen berichtete der Tagesspiegel unter dem Titel “Berliner Wohnungen gefragt wie nie zuvor” über die aktuellen Veröffentlichungen des Gutachterausschusses und den anhaltenden Boom auf dem Berliner Immobilienmarkt.
Tagesspiegel-Leser Detlef Motl aus Berlin-Kreuzberg griff die im Artikel beschriebenen Tendenzen auf und beschrieb die Situation im ehemaligen Sanierungsgebiet Chamissoplatz. Nach 25 Jahren Sanierung und 250 Mio. Euro Fördergelder ist das Gebiet heute von massiven Umwandlungen (von Miet- in Eigrntzumswohnungen betroffen. Herr Motl schreibt:
Laut Städtebauförderungsgesetz diente diese Förderung der Verbesserung der Wohnqualität in Mietwohnungen, der Verbesserung der Infrastruktur und dem Erhalt bezahlbaren Wohnraums. Knapp zehn Jahre später ist es Mittelpunkt eines heftigen Monopoly-Spiels.
Dass die Entwicklungen in der Gegend um den Chamissoplatz kein Einzelfall sind, wird niemanden wundern. Förderprogramme sind, wie der Name schon sagt keine Sozialprogramme und dienen der Förderung wirtschaftlicher Aktivitäten. Die Gewinnsicherung steht dabei immer im Vordergrund und soziale Effekte gibt es nur so lange, wie die Rendite stimmt.
Ein wenig versteckt auf der Leserbriefseite ist meine Einschätzung zu wohnungspolitischen Förderprogrammen in der Sonntagsausgabe des Tagesspiegel nachzulesen: “Ist der Wohnungsmarkt Berlin ein Monopoly-Spiel?”.
Ist der Wohnungsmarkt Berlin ein Monopoly-Spiel?
Andrej Holm (im Tagsespiegel, 18.11.2012)
Die Mieten steigen, das Geschäft mit Grundstücken und Eigentumswohnungen in Berlin boomt und der Verdrängungsdruck erfasst ein Quartier nach dem anderen. Die Fakten sind mittlerweile leidlich bekannt und sogar die politisch Verantwortlichen im Senat beginnen den Ernst der Lage zu erkennen. Fast im Wochentakt werden Vorschläge für Neubauziele, für preiswerte Neubaugrundstücke und sogar Ideen für ein neues Förderprogramm von Sozialwohnungen verkündet. Doch die Vorschläge gehen am Kern des Problems vorbei, denn Neubau schützt nicht vor Verdrängung.
Die öffentliche Meinung wird von der naiven Vorstellung bestimmt, dass die Mieten wegen der wachsenden Haushaltszahlen in Berlin steigen. Selbst sogenannte Wohnungsmarktexperten verbreiten die Mär von den quasi natürlichen Mietsteigerungen, wenn Angebot und Nachfrage aus der Balance geraten. Zu geringe Neubauzahlen sind in der Tat ein Problem und führen zu einer Unterversorgung und in der Konsequenz zur Wohnungsnot, weil nicht alle Wohnungssuchenden mit Wohnungen versorgt werden können. Doch die Mieten steigen eben nicht, weil zu wenige Wohnungen gebaut werden, sondern weil es keine Beschränkungen für das Geschäft mit Wohnbestandsimmobilien gibt. Mietsteigerungen und Profite sind zwei Seiten derselben Medaille. Eine wirklich soziale Wohnungspolitik kann es ohne die Einschränkung von Verwertungsinteressen nicht geben.
Eigentlich wäre es eine staatliche Aufgabe, eine angemessene Wohnungsversorgung im Interesse des Allgemeinwohls gegen wirtschaftliche Einzelinteressen durchsetzen. Doch genau mit der Einschränkung von immobilienwirtschaftlichen Gewinnaussichten tut sich die Wohnungspolitik nicht nur in Berlin schwer. Die zeitlich begrenzte Mietbeschränkung in den Sanierungsgebieten von Kreuzberg ist dabei kein Einzelfall. Auch in den Ostberliner Sanierungsgebieten sind – Steuerabschreibungsmöglichkeiten eingerechnet – mehrere Milliarden Euro an öffentlichen Geldern investiert worden, um vormals preiswerte Wohnungsbestände in ertragreiche Wohnlagen zu verwandeln. Auch die Fördersystematik im Sozialen Wohnungsbau folgte demselben Prinzip: Millionengewinne für Investoren, Anleger und Banken und eine zeitlich begrenzte Mietpreisbindung für die Mieterschaft. Nach dem Ende der Förderung und der Rückzahlung der öffentlichen Darlehen laufen die sozialen Effekte der Wohnungsbauprogramme aus und die Mieten können sogar bis an die oftmals astronomisch hohen Kostenmieten angehoben werden. Der Soziale Wohnungsbau ist nichts anderes als ein sehr teures Wirtschaftsförderprogramm. Mietpreis- und Belegungsbindungen bleiben auf den Charakter einer sozialen Zwischennutzung beschränkt, die im Rahmen der Förderprogramme durchgesetzt werden, solange der Staat die Gewinne der Privaten sichert.
Wohin wir auch schauen, ob Steuersubventionen, Sozialer Wohnungsbau oder Städtebauförderung: Wohnungspolitik war nie auf die Einschränkung, sondern immer auf die Sicherung von immobilienwirtschaftlichen Gewinnen ausgerichtet. Kein Wunder also, dass auch die jüngsten wohnungspolitischen Vorschläge sich wieder vorrangig an den Verwertungserwartungen von Bauherren und Investoren orientieren: Preisgünstige Grundstücke und verbilligte Darlehen sollen trotz preiswerter Mieten die Gewinne sichern. Das ist nicht nur phantasielos, sondern vor allem unverantwortlich, denn gerade in Zeiten des Spardiktats sollten öffentliche Gelder ausschließlich mit einer dauerhaften Zweckbindung angelegt werden.
Der zu erwartende Einwand, dass ohne Gewinnanreize die privaten Bauherren gar nicht mehr in den Wohnungsbau investieren würden, ist völlig richtig – und bietet Grund zur Hoffnung. Denn überhaupt nur dort, wo profitable Verwertungen ausgeschlossen sind, können gemeinnutzorientierte Träger überhaupt zum Zuge kommen. Wenn in Berlin über neue Förderprogramme diskutiert wird, sollten wir aus den Erfahrungen der Vergangenheit lernen. Wer jahrelang mit öffentlichen Fördergeldern private Gewinne finanziert, braucht sich am Ende über steigende Mieten wirklich nicht zu wundern. Was Berlin braucht, ist ein Ausstieg aus einer profitorientierten Wohnungspolitik.