Berlin: Ist Tourismuskritik fremdenfeindlich?

Berlin: Ist Tourismuskritik fremdenfeindlich?

Xenophobe Plakate in Kreuzberg - oder legitime Auseinandersetzung mit Tourismusfolgen? (via blikeberlin

Die Berliner Zeitung vom 16. November druckte einen bissigen Kommentar von Christoph Raiser ab: Neukölln und das internationale Pack. Der Autor ist dabei den ausländerfeindlichen Grundtönen der Gentrification-Kritik auf der Spur. So richtig es mir scheint, die verkürzten Feindbilder in städtischen Protesten anzuprangern, so unglücklich sind die Beispiele seiner Polemik. So führt er ausgerechnet die Zeitschrift der Berliner Mietergemeinschaft (MieterEcho) an, um eine plumpe Hetze gegen die Zuziehenden aufzudecken:

Das „Mieterecho“ etwa, die Publikation der Berliner Mietergemeinschaft, beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema und fordert im Großen und Ganzen ein Eingreifen des Senats gegen Mieterhöhungen. Das ist legitim und würde uns alle freuen. Nur warum schreibt das Blatt in seiner Ausgabe vom vergangenen Juli, dass „eine hypermobile, kreative Klasse“ aus Künstlern, Wissenschaftlern und Aussteigern aus dem Ausland einen entscheidenden Anteil an Mietsteigerungen in Kreuzberg und Neukölln habe?

Ja, gute Frage, warum schreibt die aufgeklärte Vereinspublikation einer großen Berliner Mieterorganisation über so ein Thema? Sind womöglich alle Kritiker/innen der steigenden Mieten verkappte Rassist/innen? Oder hat da ein Journalist ganz investigativ ein neues Thema geschaffen um sich an der Gentrification-Kritik abzuarbeiten?

Mal abgesehen davon, dass die meisten Beiträge des MieterEchos der letzten zwei Jahre den Gentrification-Begriff meiden oder zumindest skeptisch hinterfragen und auch abgesehen davon, das der Herausgeber der Zeitschrift die Gentrifcation auf öffentlichen Veranstaltungen als Ablenkungsmanöver von den ‘wirklich wichtigen’ wohnungspolitischen Fragen bezeichnete, bezieht sich Christoph Raiser ausgerechnet auf einen Artikel, der sich mit den Auswirkungen des Tourismusbooms beschäftigt: „Der 13. Bezirk. Was den Tourismus betrifft, beschränkt sich die Stadtpolitik auf eine Zuschauerrolle“ (pdf, S.17 ff.). Kein Wunder also, dass in diesem Beitrag auch Tourist/innen und Zugereiste vorkommen. Einen ausführlichen Artikel, auf den sich der MieterEcho-Beitrag offensichtlich bezieht, gab es zuvor auch hier im Blog: Berlin: Tourismus und Gentrification.

Die im Kommentar aufgegriffenen Formulierung von einer „hypermobilen, kreativen Klasse“ geht dabei auf eine wissenschaftliche Debatte zurück, die versucht, die neuen Strukturen globaler Mobilität vom klassischen Reise- und Urlaubstourismus zu unterscheiden. Hintergrund sind die weltweit beobachtbaren Anstiege von  studien-, arbeits- und projektbezogenen Aufenthalten jenseits der Heimatorte. Das wird in der Regel mit den veränderten Arbeits- und Ausbildungsanforderungen begründet und als Fakt kaum bezweifelt. Ausgerechnet diese Auseinandersetzung dient aber dem Kommentator der Berliner Zeitung als Beleg dafür

… wie die Debatte um Gentrifizierung zusehends einen xenophoben Beigeschmack bekommt

und

Gentrifizierung (…) zum Kampfbegriff gegen die (verkommt), die von „draußen“ kommen.

Hätte der gute Christoph Raiser sich die Mühe gemacht, den Beitrag im MieterEcho auch wirklich zu lesen, hätte er vermutlich nicht übersehen können, dass es im Kern nicht ‘gegen die Tourist/innen’ geht, sondern eine Stadtpolitik eingefordert wird, die eine Umwandlung in Ferienwohnungen und hohe Neuvermietungszuschläge beschränkt. Aber aus solchen langweiligen Forderungen lässt sich ja auch kein polemischer Kommentar schreiben…


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