Berlin: „Ich sehe die Angst vor Investorenflucht überhaupt nicht“ (rbb)

rbb am 27.08.2019

Interview mit Andrej Holm zum Mietendeckel: Ich sehe die Angst vor Investorenflucht überhaupt nicht

Seit der Entwurf zum Mietendeckel von Bausenatorin Lompscher bekannt ist, herrscht Entsetzen bei Immobilienbranche und Opposition. Auch in der Berliner Koalition sind nicht alle begeistert von den Ideen. Stadtsoziologe Andrej Holm hält im rbb-Interview dagegen.

rbb: Acht Euro Kaltmiete maximal pro Quadratmeter – das ist der Vorschlag von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher. Herr Holm, wie finden Sie ihn?

Andrej Holm: Das ist ja der versprochene Mietendeckel, der im Eckpunktepapier im Juni schon diskutiert wurde. Zum Vergleich: Wir haben jetzt eine durchschnittliche Miete, die im Mietspiegel erfasst wird und etwa bei 6,56 Euro liegt. Das ist eine Mietpreisrichtung, die in vielen Fällen durchaus den aktuellen Bestandsmieten entspricht.

Es gibt ja aber eine ganze Menge Gegenargumente: Investoren sagen, sie würden jetzt verschreckt und es würde in Berlin keine einzige neue Wohnung gebaut. Obwohl wir die doch schließlich bräuchten.

Klar brauchen wir neue Wohnungen, und nach langen Diskussionen in der Koalition gibt es jetzt endlich den Stadtentwicklungsplan, der die Baufelder festgelegt hat, wo viele der neuen Wohnungen entstehen sollen. Da heißt es zum Beispiel, dass die Hälfte davon in gemeinwirtschaftlicher Trägerschaft erbaut werden soll, weil ja nicht jede Wohnung hilft, sondern tatsächlich nur die Wohnungen, die dann am Ende auch leistbare Mieten haben.

Im Moment sehen wir, dass privates Kapital überwiegend in Bestandsimmobilien investiert wird. Das heißt, es werden vor allem Häuser gekauft und Grundstücke, auf denen schon Häuser stehen, weil sich damit bisher viel Geld verdienen ließ. Man kann das Argument ja auch umdrehen und sagen: Wenn wir die Investitionsanreize im Bestand durch einen strengen Mietendeckel reduzieren, kann das Geld auch abfließen und viel stärker in den Neubau investiert werden. Denn Neubaumieten sind ja von diesen strengen Mietregulierungen ausgenommen. Neubau ist das einzige Geschäftsfeld, wo man dann mit Wohnungen noch Geld verdienen kann. Insofern sehe ich die Angst vor einer Investorenflucht überhaupt nicht.

Man muss vielleicht auch dazusagen, dass das zu den politischen Choreographien bei allen Debatten zum Mietrecht gehört – egal ob das die Mietpreisbremse ist oder Sozialquoten beim Neubau. Die Immobilienwirtschaft sagt immer:  Wenn Ihr das macht, dann bricht hier die Investition zusammen. Die ist weder bei den Sozialbauquoten zusammengebrochen noch bei der Mietpreisbremse. Das ist viel Getöse und hat mit der Realität wenig zu tun.

Das sieht Kai Warnecke anders, Hauptgeschäftsführer des Eigentümerverbandes Haus und Grund. Der sagte uns gestern wörtlich:„Frau Lompscher schlägt vor, dass diejenigen, die jetzt 14 oder 15 Euro am Kurfürstendamm oder in anderen Toplagen bezahlen, dass die in Zukunft auch nur sieben oder acht Euro bezahlen. Das wird bei den Eigentümern letztlich dazu führen, dass sie die Wohnungen gar nicht mehr anbieten können. Und der einzige Ausweg wird sein, die Wohnung an einen Selbstnutzer zu verkaufen, so dass der Mietmarkt immer kleiner wird.“ Was sagen Sie also diesen Kleineigentümern, von denen es ja auch viele in Berlin gibt, die vielleicht mit diesen Mieten kalkuliert haben und sich das dann nicht mehr leisten können?

Das sind ja ganz offensichtlich nicht die, die neu bauen. Was Herr Warnecke da beschreibt ist ein ganz klares Geschäftsmodell, aus einer Bestandsimmobilie Geld zu ziehen. Da kann man sagen, das Risiko besteht bei solchen Investitionen immer, das wissen auch alle, die in anderen Geschäftsbereichen Geld investieren. Und dass Mieten politisch reguliert werden können, ist kein Geheimnis, das Immobilienbesitzer überraschen sollte.

Und für diejenigen, die dann tatsächlich in eine wirtschaftliche Notlage geraten sollten, sieht ja sowohl der jetzige Entwurf als auch das Eckpunktepapier Härtefallregelungen vor. Genau wie die Immobilienwirtschaft sagt: ‚Na die armen Mieter können doch einfach Wohngeld beantragen‘, dreht sich jetzt hier diese Argumentation um. Es ist ganz klar geregelt: Wer wirklich in Notlage gerät und seine Kosten aus der Miete nicht mehr decken kann, der kann ja Ausnahmen beantragen, die dann auch gewährt werden. Deswegen ist das aus meiner Sicht Panikmache und wir werden tatsächlich sehen, wie viele von diesen überteuerten Wohnungen es gibt, die tatsächlich mit realen Ausgaben gegengerechnet werden. Dass Vermieter sich jetzt aufregen, wenn sie statt 15 Euro nur noch 7,50 Euro nehmen können, das kann ich nachvollziehen. Aber ob das tatsächlich in den wirtschaftlichen Ruin führt – das wird nicht in allen Fällen so sein.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Nancy Fischer, Radioeins.


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