Bereicherungsrechtliche Haftungsverschärfung

Im Beitrag „Einrede der Entreicherung, § 818 Abs. 3 BGB“ erörtern wir die Haftungsprivilegierung des Bereicherungsschuldners. Demnach schuldet er im Grundsatz nur noch das, was von der (ungerechten) Bereicherung vorhanden ist. Diese Privilegierung ist in den Fällen der Haftungsverschärfung ausgeschlossen. Folgende Tatbestände der Haftungsverschärfung im Bereicherungsrecht kommen in Betracht:

  1. Rechtshängigkeit, § 818 Abs. 4 BGB
  2. Kenntnis vom Mangel des Rechtsgrundes, § 819 Abs. 1 BGB
  3. Leistungsannahme verstößt gegen ein gesetzliches Verbot / gute Sitten, § 819 Abs. 2 BGB
  4. Empfänger muss mit einer Herausgabepflicht rechnen, § 820 Abs. 1 BGB
  5. Rechtsfolge
I. Rechtshängigkeit, § 818 Abs. 4 BGB

Rechtshängigkeit bedeutet die Klage wurde dem Bereicherungsschuldner (Empfänger) zugestellt, §§ 261 Abs. 1, 253 Abs. 1 ZPO. Beachte folgende Sonderprobleme:

  1. Mahnverfahren, § 696 Abs. 3 ZPO
  2. Rechtshängigkeit eines im Laufe des Prozesses erhobenen Anspruchs, § 261 Abs. 2 ZPO
II. Kenntnis vom Mangel des Rechtsgrundes, § 819 Abs. 1 BGB

Erforderlich ist die einseitige (Bereicherungsschuldner, vgl. § 814 BGB – einseitige Kenntnis des Bereicherungsgläubigers1) positive Kenntnis vom Mangel des Rechtsgrundes.1a Der relevante Zeitpunkt liegt bei Leistungsempfang.2 Tritt die positive Kenntnis nachträglich ein, tritt simultan auch die Haftungsverschärfung erst zu diesem Zeitpunkt ein.Eine Wissenszurechnung bei der Stellvertretung kommt gem. § 166 BGB analog in Betracht.4

(P) Wissenszurechnung bei Minderjährigen

Die h.M. differenziert zwischen Leistungs- und Nichtsleistungskondiktion

  • Leistungskondiktion: §§ 106 ff. BGB: Maßgeblich ist die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters, denn hier geht es um die Rückabwicklung von Verträgen. Das Minderjährigenrecht würde umgangen werden, wenn nun bei der Rückabwicklung auf die Kenntnis des Minderjährigen abgestellt und demnach kein Minderjährigenschutz gewährt wird.5
  • Nichtleistungskondiktion: § 828 Abs. 3 BGB analog: Wegen des deliktsähnlichen Charakter soll hier ausnahmsweise die Kenntnis des Minderjährigen relevant sein.6
IV. Empfänger muss mit einer Herausgabepflicht rechnen, § 820 Abs. 1 BGB

§ 820 BGB bezieht sich auf zwei Leistungskondiktionen:

  1. § 820 Abs. 1 S. 1 BGB bezieht sich auf § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB (conditio ob rem / conditio causa data causa non secuta)
  2. § 820 Abs. 1 S. 2 BGB bezieht sich auf § 812 Abs. 1 S. 2 Alt 2 BGB (conditio ob causam finitam)

Der Bereicherungsgläubiger und Bereicherungsschuldner müssen es „als möglich ansehen“, d.h. ernsthaft mit einem konkreten Umstand rechnen (Ungewissheit).7

Tipp: bei den Ausschlussgründen (§§ 814, 815, 817 S. 2 BGB) geht es primär um die Kenntnis des Leistenden, wobei es bei der Haftungsverschärfung prinzipiell um die Kenntnis des Empfängers geht. Ausnahmen sind selbstverständlich vorhanden und in den entsprechenden Beiträgen erörtert.

V. Rechtsfolge
  1. Berufung auf Einrede der Entreicherung, § 818 Abs. 3 BGB ausgeschlossen
  2. Bereicherungsunabhängige Wertersatzhaftung8
  3. Weitere Haftung nach allgemeinen Vorschriften, § 818 Abs. 4 BGB
    1. Schadensersatz nach §§ 292 Abs. 1, 989, 990 BGB
    2. Nutzungsersatz nach §§ 292 Abs. 2, 987 BGB
    3. Verwendungsersatz nach §§ 292 Abs. 2, 994 Abs. 2, 995 BGB

1 – Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse – Deliktsrecht, Schadensrecht, Bereicherungsrecht, GoA, 6. Auflage, 2014, §12, Rn. 51.
1a – Wandt, (Fn. 1) §12, Rn. 45.
2 – Supra.
3 – Supra (Fn. 1).
4 – Wandt, (Fn. 1), §12, Rn. 46.
5 – Wandt, (Fn. 1), §12, Rn. 47.
6 – Supra; Wandt, (Fn. 1), §12, Rn. 59.
7 – Wandt, (Fn. 1), §12, Rn. 49.
8 – Wandt, (Fn. 1), §12, Rn. 58; Röthel, Die „verschärfte Haftung“ des Bereicherungsschuldners, JURA 2016, 260 (263).


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