Beobachtungen aus dem Krankenhaus (Tag 4): Every beat of her heart (3/3)

Mit gutem Gefühl und einen Automaten-Käsekuchen essend - den ich übrigens mit vier Bissen verzehre -, gehe ich zu meinem neuen Hotel. Es trägt den Namen Astoria. Das soll ihm etwas mehr Glanz und Gloria verleihen, als es tatsächlich zu bieten hat.

Ich betrete die Lobby und fühle mich, als hätte ich ein Zeitreise-Portal durchschritten. Der Boden ist mit weißem Marmor-Imitat ausgelegt, auf ein paar vergoldeten Tischchen stehen Gold schimmernde Messing-Lampen, die Stühle sind mit Samt im schwarz-weißen Zebra-Look bezogen und daneben stehen ein paar weiße Ledersofas. Willkommen in den 80ern!

Also, nicht die 80er, in denen alle mit neonfarbenen Schweißbändern und toupierten Nena-Haaren rumlaufen, sondern diese heimeligen „Generation Golf"-80er aus den Vorabendserien der Öffentlich-Rechlichen, durch die immer ein leichter Helmut-Kohl-Muff wehte.

Am Empfang begrüßt mich die Hotelbesitzerin persönlich. Sie ist Anfang 60 und sieht aus, als sei sie geradewegs aus einer dieser Vorabendserien entsprungen. Aus „Die Wicherts von nebenan" oder so. (Die Älteren erinnern sich.) Ihr Haar ist blondiert, ihre Gesichtshaut weist einen Farbton und Austrocknungsgrad auf, die darauf hindeuten, dass sie in ihrer Freizeit die ein oder andere Stunde unter der Sonnenbank verbringt. Sie trägt eine an den Ärmeln weit geschnittene Seidenbluse und eine randlose Brille mit blau getönten Gläsern.

So eine Brille habe ich das letzte Mal vor über 30 Jahren auf einer Familienfeier gesehen. Die Großcousine meiner Mutter trug so ein Modell. Damals, als 10-jähriger Knabe, fand ich das todschick. Ja, auch wenn es Sie verwundert: Ich war nicht immer der geschmacks- und stilsichere Mensch, der ich heute bin. (Wenn Sie aufgehört haben zu lachen, können Sie weiterlesen.)

Die Hotelbesitzerin händigt mir meinen Zimmerschlüssel aus. Einen richtigen Schlüssel mit einem dieser klobigen Messing-Anhänger, die so groß sind, dass sie in keine Hosentasche passen. Das ist ein wenig old-school, aber in den 80ern gab es nun mal noch keine Schlüsselkarten.

In meinem Hotelzimmer setzt sich mein 80er-Jahre-Nostalgie-Trip fort. Die Einrichtung sieht aus, als sei sie aus den Requisiten von „Das Erbe der Guldenburgs" zusammengestellt. Dafür ist das Zimmer aber im Vergleich zu meiner bisherigen Box von geradezu herrschaftlicher Größe. Es gibt ein Doppelbett und ein eigenes Badezimmer. Und Fenster! Okay, der Blick geht auf den Hotelparkplatz, aber es ist trotzdem ein Fenster.

Ich setze mich auf den mit grünem Stoff bezogenen Stuhl am Schreibtisch und komme meinen abendlichen Berichterstattungspflichten bei der Schwiegermutter, meinen Eltern und den Geschwistern nach. Anschließend telefoniere ich mit den Kindern. Der Sohn berichtet, er habe im Physik-Test eine 1- geschrieben. Sehr erstaunlich. Von mir kann er das nicht haben. Ich hatte in meiner ganzen Schullaufbahn nie eine 1 in Physik. Anschließend erzählt die Tochter, sie habe in Sport im Cooper-Test eine 2+ bekommen. Ihr hätten nur 15 Meter zur 1 gefehlt.

Seit die Kinder alleine sind, haben sich ihre Noten erheblich verbessert. Vielleicht sollte ich bis zum Ende des Halbjahres wegbleiben. Oder bis zu ihrem Abitur.

Ich ziehe mich um, putze mir die Zähne und gehe schlafen. Im Traum sitze ich an der Hotelbar, in der Ecke sitzt ein Alleinunterhalter und spielt auf seinem Keyboard ein Medley aus den Titel-Melodien von „Diese Drombuschs", „Rivalen der Rennbahn" und „Zwei Münchner in Hamburg". Baby Schimmerlos serviert Kir Royal.

Gute Nacht!

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Beobachtungen aus dem Krankenhaus (Tag 4): Every beat of her heart (3/3)

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