Letzte Woche beklagte sich die »Gewerkschaft der Lokführer« (GDL) darüber, dass Zugbegleiter immer häufiger Angst vor Gewalt am Arbeitsplatz hätten. Ich hörte dem Sprecher der GDL bei einem Radio-Interview zu und erinnerte mich, wie ich auf einer der letzten Zugfahrten dem Zugbegleiter am liebsten meine Faust in seinen Bauch gerammt hätte.
Zu mir war der Mann ja freundlich. Mein Ticket sah er nur aus der Ferne an, winkte ab. Ging weiter. Ohne Lächeln, aber das braucht es auch nicht. Aber der Schwarze, der versetzt vor mir saß, der wie ich mit seinem Ticket wedelte, den nahm er sich mal genauer vor. Er warf einen ganz ausgiebigen Blick darauf und fragte nochmal nach, wo er denn eingestiegen sei. Der Mann antwortete und der Bahnwart guckte nochmal auf das Ticket. Und nochmal. Schaute sich noch mal den Besitzer des rechteckigen Pappstreifens an und wirkte einige Momente etwas phlegmatisch. Als wüsste er nicht, was er tun sollte. Er zögerte noch ein bisschen, gab das Ticket aber dann wortlos zurück. Dabei schien er fast wehmütig. Ja, irgendwie enttäuscht. Den nächsten Fahrgast, einen der aussah wie er selbst, fertigte er im Vorübergehen ab.
Wer sich so benimmt, dachte ich mir, der soll auch Angst haben müssen am Arbeitsplatz. Der sollte gar keinen Arbeitsplatz haben, wo er auf Menschen trifft. Warum hat er mich nicht so genau geprüft? Ich will verdammt nochmal auch so genau geprüft werden! Nur weil ich weiß bin und aussehe wie einer seiner fetten Kumpel vom Stammtisch, muss er mich doch nicht im Vorbeigehen abhandeln. Ich hätte natürlich patzig werden können. So einfach ist das heute aber nicht mehr. Vor einiger Zeit stand eine junge Frau einem schwarzen Mann bei, der von zwei Bundespolizisten in der Bahn gegängelt wurde. Zivilcourage sei das aber nicht gewesen, sagte ein Gericht, eher Behinderung der Polizeiarbeit, weswegen das Abführen der Frau mittels Polizeigriff auch in Ordnung gegangen sei.
»Du kannst dir nicht vorstellen, was ich heute am Frankfurter Bahnhof gesehen habe«, sagte meine Frau, kaum dass sie zur Türe hinein war.
»Ich weiß doch, der Cookie-Laden am Eck ist zu. Hast du mir gestern schon erzählt.«
»Quatsch! Da war ein Farbiger, der in den Zug einsteigen wollte und vor dem Waggon standen einige Schaffner beim Plausch. Plötzlich sagte der eine zu dem Farbigen, er soll sein Ticket herzeigen. Der Mann verweigerte aber.«
»Warum sollte er auch das Ticket vor Abfahrt zeigen?«, fragte ich.
Er bezahlt ja nicht für das Betreten des Zuges. Wäre dem so, hätte ich schon oft einen Zug illegal betreten. Wie oft habe ich jemanden geholfen, den Koffer zu verstauen, mich nochmals verabschiedet und dann noch mal an Bord gepisst. Braucht man da schon ein Ticket? Das mag vielleicht bahnregulär sein, aber menschlich ist es nicht. Und in diesem Fall war es sogar rassistisch.
»Das war so ein junger Schaffner und der meinte dann auch irgendwie, dass er bei bestimmten Gästen genau schauen muss. Aber der Mann verweigerte, stieg ein und der Schaffner quatschte einfach weiter mit seinen Kollegen.«
Vermutlich hatte er keine Lust auf Trubel und fand sich dann noch mordsmäßig großzügig, einen Neger einfach so einsteigen zu lassen.
Sie nannte diesen Zugbegleiter »so einen Wichser« - wenn sie schon mal sowas sagt, muss sie wirklich beeindruckt gewesen sein von dieser Szene. Wäre es nicht irgendwie verständlich, wenn ein solches Benehmen zu einem Gewaltausbruch führte? »Immer feste drauf, Schatz, ich halte seine Kumpels auf Abstand ... und wir spielen Bonnie und Clyde.«
Der Wichser hat den schwarzen Fahrgast natürlich geduzt. Diesen Mechanismus kenne ich ja noch von früher, als mancher Typ meinte, er könne meinen Vater grundsätzlich duzen, weil er ein Ausländer sei. Ich bin ja nun kein großer Freund des Siezens, aber wenn es üblich ist, dann muss es bei allen üblich sein. Ich bin doch auch höflich und sieze, wenn ich sage: »Sie Wichser gehören nicht von der GDL verteidigt, es wäre viel mehr schön, wenn Sie wirklich Angst hätten zur Arbeit zu gehen.«
Dieser Sprecher von der GDL war ohnehin so ein leicht beleidigter Typus. Dass es seinen Kolleginnen und Kollegen so ergehe, habe mit den Fahrgästen zu tun. Die lassen es manchmal grundlegend an Respekt fehlen, sagte er mürrisch. Erst auf Nachfrage gab er auch der Bahn eine Teilschuld, weil die Fahrgäste manchmal viele Stunden ohne Informationen am Bahnsteig stehen läßt. Deshalb muss man aber sicherlich keinem eins in die Fresse geben. Dagegen bin ich auch. Eigentlich auch, wenn sie rassistisch profilen. Aber dass es einem in den Fäusten juckt, das kann ich in so einem Fall eben verstehen.
Das hat mich dann wieder ernüchtert, dass es meistens nur die wirklich schlechte Informationspolitik der Bahn ist, die zu solchen Ausrastern führt. Klar, es ist wie immer: Meine Verspätung ist schlimmer als der unmenschliche Übergriff auf meinen Nächsten. Und wenn man doch was sagt, dann bringt man sich in die Klemme. Der Zugbegleiter kann ja anweisen, dass man am nächsten Bahnhof aus dem Zug entfernt wird. Keine Seltenheit bei »Querulanten« und »Störern«. Aber was sagt man in einer solchen Situation auch? Man ist so vor den Kopf gestossen, dass man perplex ist. Und bis einem doch was einfällt, hat der Typ seinen Herrenmenschenarsch schon weitergeschoben.
Manche Zugbegleiter leiden nicht zu viel, sondern viel zu wenig an ihrer beruflichen Situation. Manche bräuchten tatsächlich welche auf die Backen. Gewalt ist keine Lösung. Aber bei solchen widerwärtigen Typen löste sie wenigstens die Verbitterung, die nach solchen Erlebnissen des Bahnalltages entsteht. »Uhhh, jetzt tickt er aber aus«, wird mancher sagen. »Nu wird er aber geschmacklos.« Kann sein. Mir egal! Dass ich den Rassismus in Phantasieuniform irgendwie respektieren muss, kann man aber nicht von mir verlangen. Schade um all die anständigen Zugbegleiter. Schade aber auch, dass all das bahnuniformierte braune Gesindel nicht mehr Angst haben muss in dieser ach so zivilisierten Mobilitätsgesellschaft.
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Zu mir war der Mann ja freundlich. Mein Ticket sah er nur aus der Ferne an, winkte ab. Ging weiter. Ohne Lächeln, aber das braucht es auch nicht. Aber der Schwarze, der versetzt vor mir saß, der wie ich mit seinem Ticket wedelte, den nahm er sich mal genauer vor. Er warf einen ganz ausgiebigen Blick darauf und fragte nochmal nach, wo er denn eingestiegen sei. Der Mann antwortete und der Bahnwart guckte nochmal auf das Ticket. Und nochmal. Schaute sich noch mal den Besitzer des rechteckigen Pappstreifens an und wirkte einige Momente etwas phlegmatisch. Als wüsste er nicht, was er tun sollte. Er zögerte noch ein bisschen, gab das Ticket aber dann wortlos zurück. Dabei schien er fast wehmütig. Ja, irgendwie enttäuscht. Den nächsten Fahrgast, einen der aussah wie er selbst, fertigte er im Vorübergehen ab.
Wer sich so benimmt, dachte ich mir, der soll auch Angst haben müssen am Arbeitsplatz. Der sollte gar keinen Arbeitsplatz haben, wo er auf Menschen trifft. Warum hat er mich nicht so genau geprüft? Ich will verdammt nochmal auch so genau geprüft werden! Nur weil ich weiß bin und aussehe wie einer seiner fetten Kumpel vom Stammtisch, muss er mich doch nicht im Vorbeigehen abhandeln. Ich hätte natürlich patzig werden können. So einfach ist das heute aber nicht mehr. Vor einiger Zeit stand eine junge Frau einem schwarzen Mann bei, der von zwei Bundespolizisten in der Bahn gegängelt wurde. Zivilcourage sei das aber nicht gewesen, sagte ein Gericht, eher Behinderung der Polizeiarbeit, weswegen das Abführen der Frau mittels Polizeigriff auch in Ordnung gegangen sei.
»Du kannst dir nicht vorstellen, was ich heute am Frankfurter Bahnhof gesehen habe«, sagte meine Frau, kaum dass sie zur Türe hinein war.
»Ich weiß doch, der Cookie-Laden am Eck ist zu. Hast du mir gestern schon erzählt.«
»Quatsch! Da war ein Farbiger, der in den Zug einsteigen wollte und vor dem Waggon standen einige Schaffner beim Plausch. Plötzlich sagte der eine zu dem Farbigen, er soll sein Ticket herzeigen. Der Mann verweigerte aber.«
»Warum sollte er auch das Ticket vor Abfahrt zeigen?«, fragte ich.
Er bezahlt ja nicht für das Betreten des Zuges. Wäre dem so, hätte ich schon oft einen Zug illegal betreten. Wie oft habe ich jemanden geholfen, den Koffer zu verstauen, mich nochmals verabschiedet und dann noch mal an Bord gepisst. Braucht man da schon ein Ticket? Das mag vielleicht bahnregulär sein, aber menschlich ist es nicht. Und in diesem Fall war es sogar rassistisch.
»Das war so ein junger Schaffner und der meinte dann auch irgendwie, dass er bei bestimmten Gästen genau schauen muss. Aber der Mann verweigerte, stieg ein und der Schaffner quatschte einfach weiter mit seinen Kollegen.«
Vermutlich hatte er keine Lust auf Trubel und fand sich dann noch mordsmäßig großzügig, einen Neger einfach so einsteigen zu lassen.
Sie nannte diesen Zugbegleiter »so einen Wichser« - wenn sie schon mal sowas sagt, muss sie wirklich beeindruckt gewesen sein von dieser Szene. Wäre es nicht irgendwie verständlich, wenn ein solches Benehmen zu einem Gewaltausbruch führte? »Immer feste drauf, Schatz, ich halte seine Kumpels auf Abstand ... und wir spielen Bonnie und Clyde.«
Der Wichser hat den schwarzen Fahrgast natürlich geduzt. Diesen Mechanismus kenne ich ja noch von früher, als mancher Typ meinte, er könne meinen Vater grundsätzlich duzen, weil er ein Ausländer sei. Ich bin ja nun kein großer Freund des Siezens, aber wenn es üblich ist, dann muss es bei allen üblich sein. Ich bin doch auch höflich und sieze, wenn ich sage: »Sie Wichser gehören nicht von der GDL verteidigt, es wäre viel mehr schön, wenn Sie wirklich Angst hätten zur Arbeit zu gehen.«
Dieser Sprecher von der GDL war ohnehin so ein leicht beleidigter Typus. Dass es seinen Kolleginnen und Kollegen so ergehe, habe mit den Fahrgästen zu tun. Die lassen es manchmal grundlegend an Respekt fehlen, sagte er mürrisch. Erst auf Nachfrage gab er auch der Bahn eine Teilschuld, weil die Fahrgäste manchmal viele Stunden ohne Informationen am Bahnsteig stehen läßt. Deshalb muss man aber sicherlich keinem eins in die Fresse geben. Dagegen bin ich auch. Eigentlich auch, wenn sie rassistisch profilen. Aber dass es einem in den Fäusten juckt, das kann ich in so einem Fall eben verstehen.
Das hat mich dann wieder ernüchtert, dass es meistens nur die wirklich schlechte Informationspolitik der Bahn ist, die zu solchen Ausrastern führt. Klar, es ist wie immer: Meine Verspätung ist schlimmer als der unmenschliche Übergriff auf meinen Nächsten. Und wenn man doch was sagt, dann bringt man sich in die Klemme. Der Zugbegleiter kann ja anweisen, dass man am nächsten Bahnhof aus dem Zug entfernt wird. Keine Seltenheit bei »Querulanten« und »Störern«. Aber was sagt man in einer solchen Situation auch? Man ist so vor den Kopf gestossen, dass man perplex ist. Und bis einem doch was einfällt, hat der Typ seinen Herrenmenschenarsch schon weitergeschoben.
Manche Zugbegleiter leiden nicht zu viel, sondern viel zu wenig an ihrer beruflichen Situation. Manche bräuchten tatsächlich welche auf die Backen. Gewalt ist keine Lösung. Aber bei solchen widerwärtigen Typen löste sie wenigstens die Verbitterung, die nach solchen Erlebnissen des Bahnalltages entsteht. »Uhhh, jetzt tickt er aber aus«, wird mancher sagen. »Nu wird er aber geschmacklos.« Kann sein. Mir egal! Dass ich den Rassismus in Phantasieuniform irgendwie respektieren muss, kann man aber nicht von mir verlangen. Schade um all die anständigen Zugbegleiter. Schade aber auch, dass all das bahnuniformierte braune Gesindel nicht mehr Angst haben muss in dieser ach so zivilisierten Mobilitätsgesellschaft.
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