Bekanntlich ist in Bayern alles besser: Die adrette Landschaft, in der die Barock-Kirchen ihre Zwiebeltürme in den blauweißen Himmel recken. Überhaupt steht in Bayern die Kirche noch im Dorf. Rundherum schmucke Höfe mit glücklichen Kühen auf grüner Au, ferner nicht weniger beeindruckende Industriegebiete und Autobahnen voller BMWs. Überall gibt’s fesche Dirndl mit mächtig Holz vor der Hütte und stramme Buben mit einem gscheiten Holzkopf.
Bayern hat die beliebteste Regional-Partei von ganz Deutschland und noch immer die besten Wahlergebnisse (für diese Partei). In Bayern ist das Oktoberfest zu Hause und auch wenn gerade nicht Oktoberfest ist, so gibt es in Bayern noch immer die meisten Biergärten und das beste Bier. Und dann noch den besten Fußball, wie konnte ich das vergessen.
In Bayern wissen die Hauptschüler mehr als Abiturienten aus Bremen, jede Lederhose hat einen Laptopanschluss und nirgends in Deutschland gibt es weniger Arbeitslose und mehr Wohlstand. Anders ausgedrückt: In Bayern scheint die Sonne sogar wenns regnet.
Und doch scheinen die Bayern nicht ausnahmslos glücklich zu sein. Denn noch etwas gibt es in Bayern mehr als überall sonst in Deutschland: Leute, die sich umbringen. Wie die Süddeutsche Zeitung heute berichtete, kamen 2009 in Bayern auf 100.000 Einwohner 12,9 Suizide. Das entspricht 1749 Selbsttötungen. Der deutsche Durchschnitt lag 2009 bei 10,6 Selbsttötungen je 100.000 Einwohner.
Die Selbstmordrate liegt in Bayern in allen Altersgruppen über dem Bundesdurchschnitt. Das gibt Rätsel auf, denn normalerweise ist die Selbstmordrate dort hoch, wo viele Leute arbeitslos und die Lebensbedingungen schlecht sind. Und besonders niedrig ist die Selbstmordrate normalerweise in ländlich geprägten Regionen, von denen es in Bayern reichlich gibt. Zudem spielt siehe oben die Kirche noch immer eine große Rolle und diese schätzt den Selbstmord nicht. Das alles spräche also für eine geringere Selbstmordrate und nicht für eine höhere – die Experten haben keine Erklärung dafür. Was ungewöhnlich ist.
Interessanterweise liegt die Selbstmordrate in Brandenburg, wo es bekanntlich außer märkischem Sand, Spreewaldgurken und Alleen nicht viel gibt, mit 8,9 Suiziden pro 100.000 Einwohner erstaunlich niedrig. Was vielleicht auch daran liegt, dass Autounfälle, von denen es in Brandenburg besonders viele gibt – schon wegen der Alleebäume, die oft im Weg stehen, wenn man die Straße nicht mehr trifft – nicht als Selbstmord gezählt werden. Vielleicht ist es aber auch so, dass Glück doch noch etwas anderes ist, als die Verpflichtung zum Glücklichsein, weil man ja eigentlich von allem genug hat?