Die Geschichte ist zwar schon ein paar Tage alt, aber so bemerkenswert, dass ich sie unbedingt an dieser Stelle erwähnen möchte: Erstmals hat ein einzelner Bauer es geschafft, den Argrarmulti Monsanto in die Knie zu zwingen! Der französische Landwirt Paul François sich mit dem Herbizid “Lasso” vergiftet und erhebliche gesundheitliche Schäden erlitten. (Solche Unkrautkiller werden euphemistisch auch als “Pflanzenschutzmittel” bezeichnet.) Daraufhin hatte er den Hersteller Monsanto auf Schadensersatz verklagt – und gewonnen.
Bereits im Februar entschied ein Gericht in erster Instanz, dass der Hersteller auf seinem Etikett nur vor dem Hauptwirkstoff Alachlor gewarnt habe, nicht aber vor dem giftigen Lösungsmittel Monochlorbenzol. Deshalb müsse Monsanto für den Gesundheitsschaden aufkommen. Über die Höhe der Entschädigung will das Gericht Anfang nächsten Jahres entscheiden. Monsanto ist allerdings in die Berufung gegangen – spannend wird, ob sich auch die zweite Instanz dem Urteil der ersten anschließt.
Schädliche Monokultur: Gelb, so weit das Auge reicht. Rasante Ausbreitung von Rapsfeldern.
Was war passiert? Ende April 2004 war François wie so schon oft mit seinem Tank hinterm Trecker nach Hause gefahren, nachdem er “Lasso” auf seinen Feldern versprüht hatte. Allerdings war der Tank nicht so leer, wie der Landwirt vermutete. Unter der südfranzösischen Sonne verdampften die Reste des Herbizids in seinen Tank zu einem giftigen Gasgemisch. Als der Landwirt im Geräteschuppen den Tank öffnete, schlugen ihm die giftige Dämpfe entgegen, als er sich über die Öffnung beugte. Er erinnert sich, dass es ein bisschen komisch gerochen habe. Dann brachen Hitzewellen, Ohnmachten, Atemnot und Übelkeit über François herein. Nach einigen Tagen im Krankenhaus wurden diese Symptome besser, dafür stellten sich neue ein: Schwindel, Sprachstörungen und Konzentrationsschwäche. Die Ärzte im Krankenhaus wussten nicht weiter, erst ein Pariser Spezialist für Vergiftungen konnte ihm helfen.
Inzwischen weiß François, dass er mit diesen Leiden nicht allein ist, immer mehr andere Geschädigte meldeten sich. François gründete den Verband Phyto-Victimes – Opfer des Pflanzenschutzes. Inzwischen zählt er rund 100 Mitglieder. Frankreich ist das Land mit dem europaweit höchsten Verbrauch an Agrarchemikalien. Weltweit werden nur in den USA, Brasilien und Japan mehr Herbizide und Pestizide eingesetzt. Frankreichs Bauern leiden überdurchschnittlich häufig an Leukämie, Blasen- und Hautkrebs, Hirntumoren und degenerativen Nervenkrankheiten wie Parkinson oder Alzheimer. Auch Selbstmorde von Giftopfern kommen immer wieder vor – sie ertragen das Leiden nicht länger und haben oft auch Schuldgefühle, das sie solche Gifte auf Lebensmittel versprühen.
Das Herbizid Lasso wurde in Frankreich mittlerweile verboten. Das kann aber nur ein erster Schritt sein, denn es sind noch zahlreiche weitere fragwürdige Substanzen im Handel. So ist beispielsweise das auch in Deutschland oft eingesetzte Glyphosat nicht so harmlos, wie Hersteller gern behaupten.
Der Clou bei Glyphosat ist, dass es Teil eines für Hersteller wie Monsanto wirtschaftlich sehr attraktiven Gesamtpaketes sind: Saatgut wird durch gentechnische Veränderungen gegen den Wirkstoff unempfindlich gemacht – das Unkrautgift kann den gentechnisch veränderten Pflanzen nichts anhaben. Das führt dann dazu, dass das Gift besonders großzügig eingesetzt wird. Leider halten sich die fiesen Unkräuter an den Spruch “Unkraut vergeht nicht” und gewöhnen sich mit der Zeit an ihre Giftration, so dass immer mehr Gift eingesetzt werden muss, um ihnen den Garaus zu machen. Das führt nicht nur zu satten Gewinnen für den Anbieter dieses pfiffigen Produktpakets, sondern auch dazu, dass immer häufiger Rückstände des Giftes auf dem Teller landen, wie eine Untersuchung des Verbrauchermagazins Ökotest ergab.
In Deutschland wird Glyphosat gern auch ohne das Gesamtpaket mit Gentechnik eingesetzt. Ich will gar nicht unter den Tisch fallen lassen, dass die Kritik an bestimmten Pflanzenschutzmitteln oft genau dann aufflammt, wenn der Patentschutz abgelaufen ist und die Agrarkonzerne nicht mehr so richtig gut daran verdienen können, weil die Billigkonkurrenz damit heraus kommt. Dann kann das alte ruhig verboten werden, weil ein neues Mittel längst in der Pipeline ist und auf gewinnträchtige Vermarktung wartet. Zum Glück kommt niemand auf die Idee, die giftigen Grundbestandteile zu verbieten, aus denen sämtliche Mittel zusammengemixt werden.
Übrigens sind auch die im Ökolandbau zugelassenen Mittel nicht weniger bedenklich als das bei den konventionellen Betrieben beliebte Glyphosat, das immerhin biologisch abbaubar ist. Im Gegensatz zum Kupferoxychlorid, das im Biolandbau zulässig ist, sich aber im Boden anreichert und dort die Mikroorganismen schädigt, die eigentlich für eine gute Qualität des Bodens sorgen sollen. Denn, da darf man sich nichts vormachen, auch der Biolandbau ist ein Geschäftsmodell und das geht nur auf, wenn mit dem Biozeug so viel verdient werden kann, das sich die Sache lohnt. Der Kundenkreis, der einen beliebig hohen Preis für seine Bio-Äpfel, Bio-Kartoffeln oder Bio-Eier bezahlen will und kann, ist sehr beschränkt, deshalb setzt man auch in der Ökobranche immer mehr auf Masse. Nicht jedes Bio-Huhn und nicht jede Bio-Kuh wird jeden Tag von Hand gestreichelt – den Tieren geht es besser als in der konventionellen Produktion, keine Frage, aber auch auf dem Bio-Hof hält die Massenproduktion Einzug. Und auch die Bio-Pflanzen müssen vor Krankheiten und Schädlingen geschützt werden.
Bauer Paul François ist noch nicht zum Biolandwirt konvertiert, auch wenn ihn seine Kinder dazu drängen. So weit sei er noch nicht. Aber zur Chemie hat er ein anderes Verhältnis entwickelt. Er setzt weniger Spritzmittel ein und nutzt andere Möglichkeiten, etwa eine ausgeklügelte Fruchtfolge, damit der Boden sich erholen kann. Genau das, was Landwirte vor dem Aufkommen von Agrarchemikalien jahrhundertelang getan haben, um bessere Ernten zu erreichen.