Diesen Artikel widme ich meiner lieben Freundin Pejana.
Bevor mein Blog in eine neue Runde geht – zu Beginn ein kurzes Ratespiel:
Wo habe ich dieses Foto aufgenommen (oder besser: In welches Land oder Gebiet schaue ich hier?):
Unbekannte Lande? Wo ist das?
Das hier ist Bosnien. Hiervon werden meine nächsten Artikel handeln…
Es war Freitag und ich komme gerade aus Rijeka. Als ich mein vorläufiges Domizil in Plitvice aufgeschlagen habe war es gerade einmal 17:00. Eine zeitlang dachte ich darüber nach, wie ich den Tag noch möglichst sinnvoll verbringen könnte. In den Nationalpark wollte ich nicht, da eine vier-Stunden-Wanderung in die Abenddämmerung/Nacht wahrscheinlich verschwendetes Geld wäre. Einfach planlos herumzulaufen schien mir auch nicht zielführend und plötzlich erinnerte ich mich daran, dass ich auf der Fahrt immer wieder den Verweis „Bihac (BiH)“ auf den Verkehrsschildern gesehen hatte.
Nach einer Anfrage beim Hausherrn meiner Unterkunft bestätigte sich mein Verdacht, den ich auf den Karten entdeckt hatte: Bosnien ist wirklich nur ein paar Kilometer entfernt.
Wrumm, wrumm…
Da ich den ganzen bisherigen Tag auf meinem Motorrad gesessen bin und mich von Rijeka bis Plitvice durchgekämpft hatte wollte ich eigentlich nicht mehr fahren, aber Bosnien…? Noch dazu war Bihac relativ groß, sodass ich hoffte, einige interessante Impressionen zu bekommen.
Bevor ich wirklich dorthin fahre: Der geneigte Leser sollte sich bitte einmal durchdenken, wie er sich Bosnien vorstellt.
Ich für meinen Teil erwartete eine Steppenlandschaft ähnlich wie an der kroatischen Küste. Nur eben im ganzen Land. Dachte an vom Sand und Dreck verschmutzte Städte, enge Straßen, umringt von ostblockartigen Gebäuden, aus denen die derzeitige Balkan-Hitparade trällert.
Drückende Hitze auf den mehrfach asphlatierten aber mit Schlaglöchern überzogenen Straßen und Leute mit Schnurrbart, die sich gegenseitig nicht über den Weg trauen und vielleicht sogar noch mit Serbien Krieg führen…
Nachdem Kroatien speziell in diesem Teil sehr grün ist, bedürfte es einer extrem raschen Landaschaftsumstellung…
Die möglicherweise direkt an der Grenze erfolgen würde.
Das Touristenkaff Rastovaća in dem ich gewohnt hatte liegt verhältnismäßig hoch, weswegen ich nach Bosnien hinunter musste. An einer Stelle auf der Straße war es mir möglich kurz dorthin zu spechteln und war doch sehr überrascht. Vor mir lag ein grünes Tal, durchzogen von sanften Hügeln, Wäldern und kleinen Dörfern.
Das ist sicher nicht Bosnien. Der Unterkunftsbetreiber hatte mir sicher einen Blödsinn erzählt. Wahrscheinlich war die Strecke 20 kroatische Minuten lang. Mit Sicherheit würde ich noch den ganzen Abend durch Kroatien fahren und erst irgendwann gegen Mitternacht in Bihac antreffen.
Das war’s mir wert.
Kaum 10 Minuten später erblickte ich eine Geschwindigkeitsbeschränkung, da Grenzübergang. Mein Reisepass und meine Fahrzeugpapiere wurden eingescannt, der kroatische Grenzbeamte fragte noch kurz nach meinem Grund des Besuchs, retournierte mir meine Habseligkeiten ohne darin herumzustempeln und ich rollte weiter zum bosnischen Teil der Grenze, an dem mein Pass von einem gelangweilten Beamten überprüft wurde und ich trat die Fortsetzung der Reise an.
DAS war also Bosnien? Häuser, in deinem eigentlich ganz guten Zustand, Straßen, nicht sehr unterschiedlich von den Kroatischen, einige neue Motorräder und einige Autos mit österreichischen Kennzeichen.
Keine Steppe. Keine Wüste. Kein Krieg.
Bosnien
Nach einiger Zeit fiel eine Bäckerei in meinen Blick. Ohnehin hatte ich noch Käse, Olivenöl und Honig in meiner Reisetasche, aber kein Brot.
Die Preise waren alle in „Km“ angegeben. Es waren definitiv keine Kuna. Euro, wie man ihn auch in Montenegro verwendet konnte es sicherlich ebensowenig sein. Dann fiel es mir ein – in Bosnien zahlt man doch mit Konvertibler Mark.
Anhand der Preise konnte ich nicht wirklich einen sinnvollen Umrechnungskurs zum Euro finden und fragte, ob sie des Englischen oder Deutschen mächtig sei. Kein Erfolg.
Mit Polnisch klappte es irgendwie, sich zu verständigen, auch wenn ich denke, dass dies für mich schwerer war als für sie. Ich tauschte 75 Cent gegen ein großes Weißbrot und bekam nichts retour.
So ganz konnte ich mir unter dem Geld immer noch nichts vorstellen und fragte sie, ob sie mir vielleicht einen 5-Euro-Schein wechseln würde.
Dieser Tausch eher weniger eine ideale Methode den tatsächlichen Kurs zu finden, allerdings sah die Dame recht ehrlich aus, ich war neugierig auf das Geld und 5 Euro wären ein verschmerzbarer Verlust.
Dafür hatte ich jetzt 10 Mark bekommen. Interessant. Jetzt waren die Preise im Geschäft plötzlich konkreter Natur und kein abstraktes Irgendwas.
Wie sich herausstellte hatte ich eine ziemlich gute Entscheidung getroffen. 1 Euro entspricht wirklich 2 konvertibler Mark (eigentlich 1,95). Bis 2001 war sie 1:1 an die D-Mark gebunden, danach eben an den Euro.
Durch diese Bindung war es natürlich kein Problem, mir den Schein sofort zu tauschen, ohne, dass ich Verluste gemacht hätte. Wäre ich vor 1998 nach Bosnien gekommen, hätte ich entweder mit Kuna oder Dinar (Bosnisch oder Serbisch) zahlen müssen. Je nach Region.
Mein Weg führte mich also entlang der Straße nach Bihac, als plötzlich ein recht ungewöhnliches Gebäude vor mir auftauchte.
Eine bosnische Moschee
Eine Moschee. Als ich in Israel war habe ich davon genug gesehen, so ein Bau verstört mich nicht im Geringsten. Nur… auf der Spitze eines Hügels? Und so Monumental? Ja, das katholische Kroatien lag nur einen Steinwurf entfernt, aber schon hier gibt es eine muslimische Mehrheit. Eigentlich faszinierend.
Islamischer Friedhof
Auf einmal bemerke ich am Straßenrand einen Polizisten der mich herwinkt. Ich bremse ab und stoppe. Verbrechen habe ich keines begangen und wenn doch tut’s mir Leid, gab ihm Führerschein und Zulassung worauf er mit „lustiger“ Stimme „Mario, Mario, Mario…“ zu jammern begann. Auf der anderen Straßenseite hielten sie gerade einen anderen Motorradfahrer auf, dem sie etwas erzählen, worauf er zu mir kommt und in gutem Englisch meint, er müsste zahlen, weil er sein Helmvisier oben hatte. Ich solle ihm doch bitte bestätigen, dass dies kein Verbrechen darstellt. „No na!“ Wenn er wolle, könne er mit einem Radfahrerhelm oder einem Schildkrötenpanzer auf dem Kopf herumfahren. Auch bei einigen Harley-Fahrern bemerke ich zuweilen, dass die Helme eher an Soldatenhelme erinnern und natürlich kein Visier haben…
Meint er auch – schimpft noch ein bisschen mit dem Polizisten und fährt weiter.
Irgendwie wird mir jetzt bewusst, dass keiner der Polizisten Deutsch oder Englisch kann und mein Übersetzter gerade selbst von Dannen gezogen ist.
Plötzlich schießt es mir, warum ich aufgehalten wurde. Als ich das Foto von der Moschee und dem islamischen Friedhof aufgenommen habe, war dies natürlich mit offenem Visier. Das Wetter war ausgezeichnet, ich hatte eine Sonnenbrille dabei – wozu Visier?
Der Polizist, der meinen Namen wie es aussieht so schätzt versucht mir Klar zu machen, dass ich gegen ein Gesetz verstoßen habe.
Ja ja, ich bereue und verspreche, es nie nie nie wieder zu tun, darf ich jetzt weiter danke
Das kostet jetzt 20 Euro sagte er mir, indem er den Betrag auf ein Stück Papier malte. 20 Euro? 20 Kuna kann er von mir aus haben aber das ist doch keine 20 Euro wert?
Polnisch ausgepackt!
„Gdźe jest… [Wo ist (das)]… äh… Gesetz? Paragraph? Law? Rule?“ stolpere ich dahin. Er schaut mich verständnislos an. Irgendwo lag doch mein Kroatisch-Sprachführer… Geld, Gewerkschaft… kein Gesetz. Deswegen reise ich normalerweise nur mit echten Wörterbüchern…
Das hat keine Zukunft.. Ich gehe in Gedanken die Liste von Anwälten die ich kenne durch, die des Serbokroatischen mächtig sind. Mir fällt keiner ein.
Ich gehe in Gedanken eine Liste von Leuten durch, die irgendwas mit Bosnien zu tun haben, zücke mein Handy und rufe meine Freundin Pejana an.
„Hallo Pejana, ich bin grad in Bosnien und hab ein Problem mit der Polizei…“
Sie weiß im ersten Moment nicht, ob sie sich freuen soll, dass ich in Bosnien bin oder was sie davon halten darf, dass ich mit der Polizei Schwierigkeiten habe.
Die Lage ist schnell erklärt und auch der Polizist scheint verstanden zu haben, was ich vorher von ihm wollte, blättert in einem Gesetzesbüchleich und hält es mir vor die Nase
Eine Übersetzung wäre praktisch und ich lese Pejana die ersten drei Worte vor… Der Erfolg bleibt auch hier überschaubar.
Die Idee so zu tun, als würde ich mit meinem Anwalt sprechen fruchtet ohnehin nicht. Als ich meinem neuen Freund resignierend das Telefon gebe, brüllt er auf Kroatisch hinein:“Haaaaaalloooo!! Mario hat ein Problem!!!“
Von der ersten Sekunde an, als er mich 20 Euro zahlen lassen wollte war ich der Meinung, dass ich dafür wahrscheinlich keine Rechnung erhalten würde…
Ich bekomme Pejana zurück. Sie meint, dass ich mit offenem Visier gefahren bin, das sei ein Verbrechen und jetzt müsste ich zahlen. Gut, soweit war ich schon und erklärte ihr meinen Standpunkt. Der Komiker in Uniform treibt einen blöden Spaß mit mir und ich werde wegen so etwas sicher nicht zahlen.
„Die könnten dich einsperren…“
Hm, das ist jetzt genau, was ich gebraucht habe. Ein Bosnischer Polizist, der Geld braucht und mich wegen einem geöffneten Visier einsperrt. „Ich zahle nicht“ bleibe ich stur und gebe das Mobiltelefon in die schon wartenden Hände des Lustigen. Wieder einmal ruft er meinen Namen und lacht dabei. Meine Zweifel breiten sich langsam aber sicher nicht nur auf das potentielle Mandat, sondern auch auf die Ernsthaftigkeit des Polizisten aus.
Das Telefon hab ich wieder. Pejana meint, er hätte gesagt, dass er mich nach Serbien schicken würde, wenn ich nicht zahle.
A-ha. Ich diskutiere noch kurz mit ihr, der Kollege nahm mir wieder das Telefon ab und warf meinen Namen wieder einmal durch die Luft wie einen Sack Konfetti auf einer Sylvesterfeier.
Als ich es zurückbekam meinte sie zu mir, er hätte es sich anders überlegt und ich dürfte weiterfahren. Ich bedankte mich sowohl bei meiner Retterin in der Not, als auch bei dem Clown neben mir, setzte meinen Helm auf, klappte das Visier herunter und fuhr weiter.
Bis heute weiß ich nicht, warum ich weiterdurfte. Weil er wusste, dass jede weitere Diskussion zu nichts führt und ich diesen Witz durchschaut hatte oder weil er wusste, dass jede weitere Diskussion zu nichts führt und er keinen Sinn darin gesehen hat, mich wegen so etwas einzusperren.
Die weitere Fahrt verlief relativ ruhig.
Bihac sah auch komplett anders aus, als ich es mir vorgestellt hatte. Es erinnerte mich eher an Eisenstadt als an einen bosnischen Grenzort.
Die Straßen sind voller Cafés gewesen und diese voller Leute. An diesem Abend gab es ein Konzert des kroatischen Sängers Toni Cetinski.
Als meinen Geschmack kann ich diese Musik zwar nicht wirklich bezeichnen, aber welcher Österreicher kann bitte von sich behaupten, einmal in Bosnien auf einem Konzert gewesen zu sein?
Mit ein paar Leuten habe ich mich auch unterhalten. U.a. mit der bosnisch-türkischen Sängerin der Band Adrenalin (http://www.adrenalinmuzik.com/), die sogar so lieb war und mir eine CD geschenkt hat. Das ist mir auch bei meinen folgenden Aufenthalten aufgefallen… Bosnier sind fast schon unheimlich nette Leute.
Wusstet ihr eigentlich, dass es da unten auch Moscheen gibt???
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