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Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte sich in einem Urteil vom 10.06.2010 (Az.2 AZR 297/09) mit der Frage zu beschäftigen, ob der Vorwurf eines Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers gegen den Personalreferenten des Arbeitgebers, er sei ein „Rassist“ und die Kündigung beruhe auf seiner „rassistischen Vorverurteilungsstruktur“, einen Auflösungsantrag des Arbeitgebers wegen Unzumutbarkeit der Fortführung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen könne.
Diese Entscheidung ist aus zweier Fragestellungen interessant:
- In welchem Umfang muss sich eine Partei die Erklärungen ihres Rechtsanwalts zurechnen lassen?
- Rechtfertigt der Vorwurf des „Rassismus“ einen solchen Auflösungsantrag?
Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG hat das Gericht nach erfolgreicher Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis ausnahmsweise aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen.
Dabei können auch die während des Kündigungsschutzprozesses auftretenden Spannungen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses verhindern (BAG EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163), weil sämtliche Umstände bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz zu bewerten sind (BAG EzA KSchG § 9 nF Nr. 58; EzA KSchG § 9 nF Nr. 45).
Als Auflösungsgründe für den Arbeitgeber gem. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG kommen alle Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Sie müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen, denn es muss allein die Besorgnis bestehen, dass die weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist (BAG EzA KSchG § 9 nF Nr. 57; EzA KSchG § 9 nF Nr. 45).
Typische Auflösungsgründe sind etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen, allerdings kann auch das Verhalten des Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess die Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Dies gilt für vom Arbeitnehmer nicht veranlasste Erklärungen des Prozessbevollmächtigten jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer sich diese zu eigen macht und sich auch nachträglich nicht von ihnen distanziert (BAG EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 9 Rn. 73; Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 9 Rn. 59; HWK/Thies 3. Aufl. § 9 KSchG Rn. 21; HaKo/Fiebig Kündigungsschutzrecht 3. Aufl. § 9 Rn. 68; TLL/Arnold KSchG § 9 Rn. 37; ErfK/Kiel 10. Aufl. § 9 KSchG Rn. 14).
Der Arbeitnehmer bedient sich des Prozessbevollmächtigten im Verhältnis zum Arbeitgeber bewusst und deswegen wird ihm dessen Prozessverhalten zugerechnet. §85 ZPO bestimmt deswegen, dass Prozessvortrag des Bevollmächtigten von vornherein als Vortrag der Partei gilt. Tatsächliche Erklärungen des Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung sind für die miterschienene Partei „verpflichtend“, wenn sie die Erklärungen nicht sofort widerruft oder berichtigt (§ 85 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
Da es bei der Auflösung des Arbeitsverhältnis gerade um das persönliche Verhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und Arbeitgeber geht, kann dies auch dadurch belastet werden, dass ein Arbeitnehmer sich seines Bevollmächtigten im Prozess bedient, um den Arbeitgeber durch unfaire und herabsetzende Erklärungen anzugreifen und sich gleichzeitig hinter ihm zu verstecken. Es kommt deshalb darauf an, ob der Arbeitnehmer sich die betreffenden Äußerungen seines Prozessbevollmächtigten zu eigen gemacht und sich auch nachträglich nicht von ihnen distanziert hat.
Der Vorwurf, die Kündigungsentscheidung beruhe auf rassistischen Motiven, kann als beleidigend und als schwere Beeinträchtigung der Vertrauensgrundlage angesehen werden, so das BAG abschliessend.
Das Urteil des BAG: (Klick)