Der Kunstverein Usedom zeigt in Heringsdorf die Ausstellung „Offene Räume – Bauten von Ulrich Müther“. Müther war einer der prägenden Bauingenieure der DDR und hat zahlreiche Betonschalen-Konstruktionen entworfen. Auf Fotos von Wilfried Dechau werden noch bis zum 19. September Müthers Bauwerke aus dem Ostseeraum vorgestellt.
Die Ostsee-Zeitung berichtet über die Ausstellung:
Das helle Licht, das jetzt durch die großdimensionierten Fenster des Kunstpavillons auf der Heringsdorfer Promenade fällt, erleuchtet nicht, wie gewöhnlich, großflächige Malerei oder andere Kunstobjekte. Die Fotografien von Wilfried Dechau, die hier bis Ende September zu sehen sind, zeigen wenig Farbe. Die Gebäude, die der renommierte Architekturfotograf in seiner Ausstellung statt in illusionierenden Prospektfarben in stimmungsvollem Alltagsgrau zeigt, sind Kunstobjekte des Architekten und Binzer Schalenbaumeisters Ulrich Müther.
Dem Fotografen schlug am Eröffnungstag eine Welle der Dankbarkeit entgegen. Wolfgang Kil, wie Dechau Architekt und Architekturfotograf, lobte die Bereitschaft des Stuttgarters, in der einstigen DDR-Architektur mehr zu sehen, als das Plattenbauwesen ihrer letzten Jahre.
Gerade Müthers Werke seien Ausdruck des Mitte der 70-er Jahre entstandenen Wunsches nach einem Ausgleich für die kasten- und kistenförmigen Normbauten gewesen, sagte Kil. Jedes Bauwerk — der Teepott in Warnemünde, der Binzer Rettungsturm oder Müthers unverwechselbare Konzertmuscheln — seien Experimenten gleichgekommen. „Müther fing dort an, wo andere Architekten schon am Ende waren. Seine Arbeiten waren Versuche, an Grenzen zu gehen, Indizien eines neuen ökonomischen Systems Ende der 60-er, Anfang der 70-er Jahre, als sich auch die DDR noch in einer Experimentierphase befand.“ In Dechaus in Heringsdorf ausgestellten Fotografien liest der Berliner deshalb vor allem auch die Trauer über den heutigen Zustand vieler Mütherscher Bauten. Eines der Bilder zeigt das Ahornblatt in Berlin, um dessen Erhalt sich Dechau und andere vergeblich bemühten. Der Abriss ließe Ehrfurcht für außergewöhnliche Konstruktionen vermissen, meint Kil.
„Mir ist bewusst, dass Müthers Werke heute von vielen missachtet und verschandelt werden“, sagte Wilfried Dechau. Er haben sich deshalb davon gelöst, seine und andere Bauten nach den ungeschriebenen Regeln der Schönfärberei im besten Lichte darzustellen. Als freier Fotograf ist er glücklich, nicht mehr diesen „sanften Zwängen“ unterliegen zu müssen. „Ich habe keine Lust mehr, meine Trauer über die missachtete Architektur mit Kaiserwetter zu kaschieren“, so Dechau.
Gern überlässt der Usedomer Kunstverein, der seit beinahe 20 Jahren für Ausstellungen und Veranstaltungen im Promenadenpavillon sorgt, in den nächsten Wochen Wilfried Dechau und seiner Hommage an Ulrich Müther die Bühne. „Wir feiern den 20. Geburtstag des Kunstvereins im nächsten Jahr“, kündigte die Vorsitzende Ricarda Horn an. Besonders freute sie, dass bei der Ausstellungseröffnung am dritten Todestag Ulrich Müthers dessen Witwe Helene Müther anwesend war.
Quelle: Ostsee-Zeitung
Wann und wo
Usedomer Kunstverein e.V.
Strandpromenade 1
17424 Heringsdorf
22. August bis 19. September 2010
- Website des Usedomer Kunstvereins
- Website des Fotografen Wilfried Dechau
- Wikipedia-Artikel über Ulrich Müther