Aussteigerprogramm für Sicherheitsextremisten

Es ist schon ein Kreuz mit dem Extremismus. Extremisten mag ja keiner so richtig, aber wir sind hier ja alle für mehr Offenheit und Toleranz. Und damit sich die Anhänger des Linksextremismus nicht länger diskriminiert fühlen, hat das Bundesamt für Verfassungsschutz Ende der vergangenen Woche endlich ein Aussteigerprogramm für Linksextremisten aufgelegt. Für Rechtsextremisten gibt es so etwas bereits seit 10 Jahren, und auch die Islamisten haben längst ihr Aussteigerprogramm.

Ganzheitlich bietet der Staat nun auch jenen, die ihn, den Kapitalismus und überhaupt das ganze Schweinesystem abschaffen wollen, Hilfe bei der Arbeitsplatz- und Wohnungssuche, Unterstützung bei Qualifizierungsmaßnahmen, hilfreiche Kontakte aller Art und auch noch die Vermittlung weiterer Hilfsangebote bei Drogenprobleme oder Überschuldung an, sofern sie sich vertrauensvoll an die auf der Seite angegebene Rufnummer wenden und ihrem üblen Treiben abschwören. Da lohnt es sich vielleicht doch, ein paar Mollys auf die Bahn zu werfen, um sich dann umfassend helfen zu lassen.

Ich wünsche mir aber noch ein paar weitere Aussteigerprogramme. Wie wäre es mit einer Ausstiegsseite für Sicherheitsextremisten? Für Angehörige der bayrischen Polizei beispielsweise, die zum Abhören verschlüsselter Telefongespräche schon mal den Bundestrojaner einsetzen – eine Schnüffelsoftware, mit der man über das Internet ganz still und heimlich Computer vollständig ausspionieren kann.

Warnhinweis für Videoüberwachung

Warnhinweis für Videoüberwachung

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht bereits 2008 geurteilt, dass auch deutsche Bürger ein Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme haben. Was bedeutet, dass das oberste deutsche Gericht hat der Ausspähung von privaten Rechnern ganz enge Grenzen gesetzt hat. Solche Grenzen nehmen bayrische Ermittlungsorgane allerdings nicht allzu ernst. So wenig ernst, dass dieser Einsatz dazu geführt hat, dass Dritte den Staatsrojaner nicht nur entdecken, sondern ihn auch knacken konnten – der Chaos Computer Club hat freundlicherweise eine Analyse der staatlichen Schnüffelsoftware online gestellt.

Diese zeigt, dass der Bundestrojaner nicht nur mehr kann, als er können dürfte, sondern es IT-kundigen Menschen ermöglicht, unabhängig von den Ermittlungsbehörden auf die ohnehin schon überwachten Rechner von Bürgern zuzugreifen und diese nach Gusto weiter auszuspionieren. Abgesehen davon, dass eine derartige Überwachung nur dann gesetzlich erlaubt wäre, wenn der Bestand des Staates selbst gefährdet ist oder wenigstens eine konkrete Gefahr für Leib und Leben besteht, ist es unglaublich peinlich für die staatlichen Ermittlungsbehörden, dass eine solche Software auch noch so schlampig programiert ist, dass sie als Einfallstor für Cyberkriminelle dienen kann.

Mir fällt da spontan auch noch die totale Kommunikationsüberwachung während einer Anti-Nazi-Demo in Dresden ein, mit der der andere Freistaat in unserer schönen Föderation ein ähnliches Rechtsverständnis gezeigt hat: Dort wurde am 19. Februar während mehrerer Stunden sämtliche Daten innerhalb mehrerer Mobilfunkzellen erfasst, also wer mit wem wie lange telefoniert hat, der genau Standort des jeweiligen Handys und so weiter. Das betraf neben den von vorn herein als kriminell eingestuften Demonstranten auch Journalisten und nicht zuletzt zahlreiche Dresdner Bürger, die mit der Demonstration überhaupt nichts zu tun hatten. Die in heutigen Zeiten gern dänomisierte Stasi hätte ihre helle Freude an dem Datenberg gehabt, den ihre Kollegen bei der Dresdner Polizei mal eben unter Umgehung geltender Datenschutzvorschriften angehäuft haben.

Das sind natürlich nur kleine Spitzen vom Eisberg der möglichen Überwachung. Aber sie zeigen: hier ist ein Ausstiegsprogramm dringend erforderlich. Und dann wären da noch Aussteigerprogrammer für Spitzenmanager, Banker, Börsenhändler und andere Verdienst- bzw. Verschuldungsextremisten, denen man wieder Kontakt zum realen Leben vermitteln könnte. Hier besteht ganz dringend Handlungsbedarf.

Wobei, was solls. Vielleicht ist es ganz hilfreich, wenn die etablierte Staatenwelt im Schuldenloch verschwindet, dann haben sich allerlei andere Ausstiegsprogramme nämlich auch erledigt. Dann wird es eher um Einsteigerprogramm gehen: Wie organisieren wir eine freundliche Gesellschaft ohne Geld?



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