Die Mauer, die das Westjordanland von Israel trennt, ist ein graues Monstrum. Doch für viele ist die Mauer auch eine Freifläche, eine Art schwarzes Brett, auf der die Menschen ihre Wut, Trauer und ihre Wünsche äußern – in Form von Graffitis. Das kann man sogar, wenn man nicht direkt vor Ort ist. Das Projekt "Sendamessage" nimmt Aufträge für Graffitis an der Mauer entgegen.
Faris sprüht gerade die erste von zehn Botschaften an die graue Mauer, die das Westjordanland von Israel trennt. Irgendwie ist es passend, dass der 28-jährige ein Che Guevara Shirt trägt: das Projekt hat durchaus etwas anarchisches.
Heute stehen auf dem Zettel Bitten um Vergebung, Geburtstagswünsche, lustige Sprüche. Das übliche, sagt Faris und sprayt gerade einen Auftrag aus Deutschland: Hallo Sarah, alles Liebe für Dich. Kannst Du mir irgendwann verzeihen? Mama.
Der etwa 500 Kilometer lange Grenzwall ist teilweise übersät mit Graffitis, zumindest an den Stellen, an denen die sich anbringen lassen – eine Leinwand mit einer Krone aus Stacheldraht. Erlaubt ist das natürlich nicht. Aber der Militärjeep, der sich gerade nähert, lässt Faris kalt: “Am Anfang wollte die Armee uns terrorisieren, uns einschüchtern. Aber dann haben sie schmell bemerkt, dass je öfter sie das tun, desto mehr Aufmerksamkeit bekommt das Projekt.”
Das Projekt „"endamessage“ funktioniert folgendermaßen: Auf einer holländischen Website gibt man seine Botschaft ein und zahlt 30 Euro. Faris und seine palästinensischen Kollegen sprühen dann die Nachricht, fotografieren sie, und schicken 3 Bilder als elektronische Postkarten an den Kunden. Ein politisches Statement gegen die Mauer, auch wenn die Nachricht ganz unpolitisch ist. Fatima, die heute mit der Kamera dokumentiert, erklärt es so: “Die Botschaften an die Mauer zu sprühen bringt eine ganz andere Art von Information hervor, abseits vom dem was die PR-Maschinen in der Welt, nicht nur in Israel, den Leuten verkaufen wollen.”
Über 2000 Nachrichten haben die Aktivisten von „sendamessage“ in den letzten 3 Jahren an die Mauer gesprüht. Von Sprüchen wie dem des ehemaligen israelischen Ministerpräsidenten Menachem Begin „Dont teach Ethics to us“, bis hin zu Falafelrezepten und Heiratsanträgen. Mit jeder Bestellung werden auch Links zur Sache verschickt und so soll aus manchem Kunden sogar ein Aktivist geworden sein. Die Einnahmen aus der Spraykunst fließen in Jugendprojekte im Westjordanland. Die Sprayer selbst, sagt Faris, bekommen nichts. Ihnen bleibt der Gedanke, eine Mauer zu bearbeiten, die sie eigentlich von der Außenwelt trennen soll. Aber Faris ist sich sicher, dass dieser Grenzwall auf Dauer nicht bestehen wird: “Ich glaube, egal wie lange Unterdrückung und Ungerechtigkeit herrschen, sie werden sich einfach nicht durchsetzen. Es wird hier genauso passieren, wie in Berlin. Wenn man dort die Leute fünf Jahre voher gefragt hätte, keiner hätte gesagt, dass die Mauer in naher Zukunft fallen würde.”
Mit der letzten Nachricht ist auch die Dose leer. Faris zieht sich den Latexhandschuh aus und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Dann erinnert er sich an seine erste Begegnung mit dem israelischen Militär: “Als wir zum ersten Mal gestoppt wurden, benutzten wir folgendes Argument: Ihr habt diese Mauer gebaut, und eigentlich ist diese Seite doch die unsere. Wir wollen sie nicht zerstören. Wir haben eine Botschaft und die sprühen wir. Wenn euch das nicht gefällt, beseitigt einfach die Mauer.”