“Man lebt nicht um zu essen, sondern man isst um zu leben.” Ein wunderschöner Satz, nicht wahr? Und so einleuchtend. Aber wozu genau zählen denn Lakritzschnecken, Bonbons und die Halalibo-Gummibärchen? Und könnte man sich ausschließlich von Cremissimo-Eis und Halawa ernähren und den Zuckerschock danach noch als “Leben” bezeichnen? …
Im Supermarkt.
Mein Vater und meine Mutter laufen eingeharkt vor mir im Gang. Während mein Vater lauthals über die Dreistigkeit schimpft gleich 5 Euro für ein Stück Käse zu verlangen und die Haltung einer Kuh auf Dauer viel billiger wäre, ist meine Mutter damit beschäftigt ihn an das Gespräch über die “Zimmerlautstärke” zu erinnern.
“Dann hätten wir auch die Milchkosten gespart!..”
Bei den Kühlregalen kommt uns Hassan entgegen. Ein Moschee-Kumpel meines Vaters. Jemand, den man immer nur nach oder vor den Gebeten trifft und mit dem die Konversationen sich routinemäßig auf ein: “Wie geht´s deiner Familie? Was machen deine Kinder? Bete für mich, Bruder!” beschränken. Ein Moschee-Kumpel eben. Er und mein Vater geben sich die Hand und säuseln sich ihre Frage-Anwort-Sätze zu. Nach dem letzten: “Gut, gut, Allah sei´s gedankt!”, bemerkt auch mein Vater das, was meiner Mutter und mir schon bei Hassans Auftritt auffiel. Zwei über und über gefüllte Einkaufswagen. Du meine Güte, hat sich schon wieder die Lebensmittel-Apokalypse angekündigt?
“Hassan, Bruder, was ist denn das alles? Hat deine Frau etwa noch 6 weitere Kinder bekommen? Hahahaha..!” – Beim Anblick meiner entnervten Mutter, verstummt das Lachen.
Hassan räuspert sich. “Nun, wir bekommen morgen Besuch und da hat mich meine Frau einkaufen geschickt. Ich sollte “das Übliche” holen.. Meint ihr das reicht?”
Ich lasse meinen Blick über seine Errungenschaften schweifen. Die Packungen voll Reis, Butterkeksen und Zucker machen ja noch Sinn. Doch dann wären da noch 10 Liter Eistee, 3 Kisten Weintrauben und 6 Päckchen Nüsse…
Mein Vater starrt auf unseren Einkaufskorb. Auch wir erwarten morgen Gäste und die Packung Mehl mit der Milch und dem Tütchen Tomaten drum herum, wirken neben Hassans Hamsterkauf auf einmal recht mickrig. Panik macht sich in seinem Gesicht breit. “Vielleicht sollten wir auch…”
Meine Mutter lächelt. “Hassan, wie viele Gäste erwartet ihr morgen?”
“Wir erwarten unsere Nachbarn. Familie Hansen.”
“Hansen?”
“Ja, sie waren so interessiert an dem Ramadan, da wollten wir sie zum Fastenbrechen einladen. Es soll alles perfekt sein! Nachbarn haben einen hohen Stand bei uns! Wir wollen zeigen, wie gut der Islam ist! Gastfreundlich und nicht geizig! Sie müssen alles probieren!”
Oh Gott, die armen Hansens. Selbst eine zehnköpfige arabische Großfamilie mit funktionsfähigem Verdauungssystem würde diese Menge an Essen nicht unbeschadet überstehen. Familie Hansen wird vermutlich noch brav um 18 Uhr Abendbrot schmausen, bevor sie die Tore zum All-You-Have-To-Eat-Buffet durchschreiten.
Meine Mutter schmunzelt. “Vielleicht solltest du deine Frau noch einmal anrufen, Hassan… Nur um ganz sicher zu gehen.”
“Nein, nein! Sie hat viel zu tun. Ich will sie nicht stören. Ich schaffe das schon!”
Wir verabschieden uns von Hassan und gewähren meinem Vater zur Beruhigung seines Gewissens noch ein paar Süßigkeiten für den Abend. “..und grüß deine Frau von uns!”
Am Abend.
Mein Vater kommt von der Arbeit und begrüßt uns. “Ich habe Hassan in der Moschee getroffen. Er möchte uns zum Iftar einladen.” Meine Mutter sieht vom Backen auf. “So? Für wann denn?” Mein Vater schmunzelt.
“Für die nächsten 10 Tage.”
Abu Karima al-Miqdam ibn Ma´d Yakarib (r) berichtet, dass er den Propheten (s) folgendes sagen hörte: Der Mensch füllt kein schlechteres Gefäß als seinen Bauch. Einige Bissen genügen dem Sohn Adams, um seinen Rücken aufrecht zu halten. Aber wenn das nicht möglich ist, dann sollte ein Drittel des Magens für sein Essen, ein Drittel für sein Trinken und ein Drittel für sein freies Atmen vorbehalten sein.
( At-Tirmidhi)
