Auf der Zunge des Trolls

Die Trolltunga. Unverkennbares Fotomotiv Norwegens. Was die Bilder nicht zeigen, ist die Wanderung über viele Kilometer dorthin.

Wir lassen unsere müden Füße über den mehrere hundert Meter hohen Abgrund baumeln. Sachte haben wir uns an die Kante der Trolltunga herangewagt. Haben vorsichtig über den Felsrand gelugt, uns langsam hingesetzt und sind mit unseren Hinterteilen immer näher dort hin gerutscht, wo die Steinformation abbricht.

Ganz vorne schwingt die Tunga leicht auf. Es ist, als würde man in einer großen Schüssel Platz nehmen. So schützt die Trolltunga ihre Besucher auf ganz besondere Weise, vor dem Nachvornefallen. Man rutscht sogar wieder leicht von der Kante zurück. Wir klammern uns mit den Fingern am Gestein fest, um nicht aus unserer wagemutigen Position drängt zu werden.

Arm in Arm sitzen Markus und ich nun da. Unsere Blicke gefesselt von der ungreifbaren Landschaft, die sich vor, neben und unter uns ausbreitet. Das Wasser des Ringedalsvatn ist derart tiefblau, dass sich nur die dunklen Silhouetten der ihn einschließenden Gipfel darin spiegeln.

Auf der Zunge des Trolls

Was viele nicht wissen: Die Trolltunga liegt nicht an einem Fjord, sondern über einem See – dem Ringedalsvatnet. Am Ausgangspunkt der Wanderung wird das Wasser des Sees zusätzlich von einem Staudamm zurückgehalten.

Ja, die monotone Wanderung über elf Kilometer hat sich bezahlt gemacht. Zu diesem Zeitpunkt denken wir noch nicht daran, dass wir den langwierigen Weg auch wieder zurück müssen. Momentan sind wir bloß sprachlos.

A broada Weg

Die Wanderung zur Trolltunga ist etwas, das wir Österreicher als ordentlichen Hatscher oder als „boraden“ Weg bezeichnen würden. Damit meinen wir nicht die seitliche Ausdehnung des Weges, die ist nämlich alles andere als breit, sondern seine Länge. Rückblickend muss ich aber festhalten, dass der Marsch zur Trollzunge sogar ziemlich unterhaltsam war.

Abenteuerlich hat die Unternehmung schon angefangen, als wir erfahren haben, dass wir mit unserem Campingbus nicht zum Ausgangspunkt der Wanderung fahren dürfen. Die enge Zufahrtsstraße ist für Busse gesperrt. Zwar fährt ein Shuttle. Leider irgendwann und viel zu spät. Wir könnten die zusätzlichen sechs Kilometer auch noch zu Fuß gehen. Dann wären die dreißig beisammen. Natürlich machen wir das nicht. Wir beschließen zu trampen. Also Daumen raus und hoffen, dass jemand zwei Plätze frei hat und so gütig ist, uns mitzunehmen.

Das erste Auto bleibt direkt stehen. Ein ukrainisches Pärchen im norwegischen Mietwagen nimmt uns mit. Wir nützen die viertelstündige Fahrt dazu, uns über die aktuellen Verhältnisse in der Ukraine auszutauschen. Viel habe sich nicht geändert. Es werde nur nicht mehr darüber berichtet. Die beiden leben seit einem Jahr in Polen und waren etwa gleich lang nicht mehr in ihrer Heimat.

Auf der Zunge des Trolls

Oben angekommen verabschieden wir uns und machen uns gleich an den Aufstieg. Wir müssen einiges an Zeit gutmachen, wollen wir uns nicht mit hunderten anderen Touristen an der Trolltunga für die besten Bilder anstellen. Neben dem Kjeragbolten zählt die Trolltunga nämlich zu den beliebtesten Wanderzielen Norwegens.

Einen Großteil der Höhenmeter, nämlich rund 600, legt man schon auf den ersten vier Kilometern zurück. Der Weg führt anfangs steil durch einen Wald. Die regelmäßigen Regenfälle haben den Steig aufgeweicht und mit Matsch überzogen. Wir versuchen, uns von einer trockenen Stelle zur nächsten zu retten. Nebenbei überholen wir die ersten Wanderkollegen. Vielen ist wohl nicht bewusst, was ihnen in den nächsten Stunden bevorsteht. Mädels in weißen Adidas Superstars und schicken Parkas versuchen, möglichst unbefleckt auf die Anhöhe zu gelangen.

Bald lichtet sich der Wald und wir erreichen ein Plateau, das schnell in einen weiteren Anstieg übergeht. Der Schlamm weicht jetzt großen Steinplatten, die das gesamte Kar ausplastern. Mittlerweile sind wir zur Spitzengruppe vorgestoßen. Die übrigen acht Kilometer verlaufen in leichtem Auf und Ab bis fast ans hintere Ende des Sees, an dem die Trolltunga versteckt liegt.

Auf der Zunge des Trolls

Wir passieren einige kleinere Seen, der erste Ausblick auf den See bleibt uns aber noch etwa eine Stunde lang verwehrt, bis wir eine kleine Anhöhe erreichen und der Steig näher an die steil zum Ringedalsvatn abfallende Bergflanken heranführt.

Die Farbe des Sees und die beeindruckenden Felswände erschlagen uns fast. An der gegenüberliegenden Seite stürzt ein Wasserfall in den See. Wohl um die 300 Meter ist er hoch. In die Ferne reicht der Blick bis zu vergletscherten Gipfeln.

Auf der Zunge des Trolls

Nach der Querung eines Baches erreichen wir die fast ausgetrocknete Schlucht Tyssebotn. Der einst hier zu Tal stürzende Fluss Tysso war mit 300 Metern freiem Fall der höchste Wasserfall Norwegens. Er fiel der Wasserregulierung zur Stromgewinnung zum Opfer.

Erneut wandern wir an einem See vorbei, bevor sich nach einem weiteren kurzen Anstieg endlich die Trolltunga aus dem Fels reckt. Nach drei Stunden haben wir unser Ziel erreicht. Und den Rest der Geschichte kennt ihr schon. Wir sind den gesamten Weg natürlich wieder zurückgewandert und erneut hat uns ein nettes Pärchen die Zufahrtsstraße zu unserem Bus mitgenommen.

Auf der Zunge des Trolls

Tourdaten

  • Kilometer: insgesamt 22,6
  • Höhenmeter: 990
  • Dauer: 3 Stunden bis zur Trolltunga, etwa gleich lange zurück
  • Ausgangspunkt: Parkplatz Mogelii im Skjeggedal
  • Anfahrt: Mit dem Bus/Auto von Odda nach Tyssedal und weiter ins Skjeggedalen
  • Achtung: Große Campingbusse und Wohnmobile dürfen die Mautstraße zum Ausgangspunkt nicht benützen. Entweder das Shuttle von Tyssedal aus benutzen, oder trampen.

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