Auf dem Weg zur Erleuchtung (Teil 3)

Ich muss sagen, Ihr habt da schon sehr scharf beobachtet, aber woher kommt die Obsession mit den kleinen blauen Pillen?

Auf dem Boden lag tatsächlich Willi. Seine Verbindung zu den anderen Anwesenden und insbesondere Blondie erschloss sich mir nicht, aber wahrscheinlich wollte ich das auch gar nicht so genau wissen. Vorischtig tippte ich Willi mit meinem Schuh in die Seite.
“Willi?” Ich trat etwas kräftiger. “Willi!” Keine Reaktion. Ich drehte mich zu Phillip. “Der sagt ja gar nichts.” Phillip rollte mal wieder mit den Augen. Irgendwie muss ich meinem Team mal etwas mehr Respekt vor mir beibringen. Vielleicht wird es ja besser, wenn ich aufhöre, irgendwelche irrwitzigen Rettungsaktionen für immer dieselbe Katze zu veranstalten. Phillip holte ein Pulsoxy heraus, schloss es an Willi und legte die Blutdruckmanschette an.
“Sättigung ist 96%.” sagte er. “Druck 140/70.” erklärte er nach dem Messen.
“Och ja…” überlegte ich. “Bisschen Sauerstoff vielleicht?” Er nickte kurz. Suchend sah er sich um. Marek und Tim machten keine Anstalten ihm zu helfen. Dann zeigte Phillip auf unseren Koffer.
“Gibt mir einer der Herren freundlicherweise mal eine Maske?”  fragte er leicht gereizt. Der hat aber auch eine Laune zu Zeit. Marek bewegte sich gelangweilt auf den Koffer zu und öffnete umständlich den Reißverschluss. Ich inspizierte nun, da Willi ja augenscheinlich stabil war, erst einmal meine Umgebung. Neben Willi auf dem Boden lag, wie sollte es auch anders sein, eine leere Ampulle mit Ketanest S. Ich konnte nicht eruieren, wie er sich das ganze verabreicht hatte, oder ob es ihm verabreicht wurde, aber Fakt war, die Ampulle war leer, und sonst sah keiner der Anwesenden aus, als hätte er Ketanest intus. Die weißen Leinenmenschen, so hatte ich sie getauft, hatten sich nach unserem Eintreffen erst einmal respektvoll samt Klangschale in eine Ecke des Raumes verzogen, wo sie nun auf einer Reihe Beanbags saßen und etwas verschreckt reihum an einer Tasse Kräutertee nuckelten. Der Raum selbst war auch ganz in weiß gestrichen, ich fühlte mich ein wenig geblendet. An den Wänden hingen billige Posterdrucke indischer Gottheiten. Ich befand, das ganze würde auch als Puff durchgehen. Ich machte eine mentale Notiz, das Shanti für den Fall einer Umstrukturierungsmaßnahme mal vorzuschlagen. Vom Guru zum Zuhälter, sozusagen. Shanti hatte sicher mittlerweile auf einen großen separaten Beanbag gesetzt und nahm eine seltsame Haltung ein, die wohl irgendwie erleuchtet aussehen sollte. Blondie und Indira setzten sich jeweils rechts und links von ihm, griffen beide je einen Arm und himmelten ihn an. Ich hätte ja zu gerne ein Foto gemacht. Die beschauliche Situation wurde jäh durch ein lautes Rumpeln, einen Schrei und etwas, was sehr nach einem Miau klang, unterbrochen. Ich drehte mich überrascht um. Noch überraschter war ich, als ich Marek sah, wie er den Koffer geöffnet und hatte und nun Ivan in der Hand hielt.
“Ah, da ist er also.” sagte ich ohne große emotionale Regung zu Phillip. Der sah mich an, als hatte ich gerade vorgeschlagen, zum Mittagessen kleine Hundewelpen zu grillen. “Ja, er ist halt nicht gern allein.” fügte ich entschuldigend hinzu. Ivan wand sich schnell aus Mareks Griff und stolzierte interessiert im Raum herum.
“Ist das nicht wieder dieses Tier?” fragte Shanti.
“ChiChi!” rief Blondie.
“Ivan!” rief ich.
“Ivan zwei!” rief Phillip. Ich sah ihn an. Er zeigte auf ein schwarzes Fellknäuel, das neben Blondie auf dem Beanbag lag. In diesem Moment entdeckte auch mein Ivan den neuen Ivan und dazu noch Blondie. Er fing sofort an zu fauchen. Ivan II sprang auf uns ging in Kampfstellung. Ich will es kurz machen. Beide Katzen gingen sofort aufeinander los und trugen ihren lautstarken Kampf mitten auf dem armen Willi aus. Ein interessantes Spektakel. Glücklicherweise bekam Willi nichts davon mit. Nachdem Marek und Tim sich wieder aus ihrer Schockstarre gelöst hatten, fingen sie an, von den umstehenden Geld einzusammeln und Wetten anzunehmen, wer den Kampf wohl gewinnen würde. Ich fühlte mich nun bemüßigt, einzuschreiten. Energisch packte ich Ivan mit der rechten Hand am Genick, die linke Hand zog an Ivan II. Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte ich die beiden getrennt. Marek und Tim einigten sich auf Sieg für Ivan II, weil der eindeutig weniger Schrammen abbekommen hatte als Ivan. “Es reicht!” brüllte ich Ivan an. Dann drückte ich ihn Tim in die Hand. “Bring ihn ins NEF und mach die Tür gut zu, hörst du?” Phillip begann zu protestieren. Ich drehte mich um:” Und du bist ruhig und kümmerst dich um den da.” Ich benutzte Ivan II in meiner linken um damit auf Willi zu zeigen. Und endlich ein Mal taten sie alle das, was ich von ihnen verlangte.

Ich überlegte… woher hatte Willi das Ketanest? Sollte ich die Jungs von der Polizei involvieren? Noch war die nämlich nicht aufgetaucht. Und was soll ich mit Willi machen? Sollte ich ihm noch Midazolam spritzen, oder verdient er es nicht anders? Intubieren? Liegenlassen?

Fragen über Fragen…


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