Auch Buddhisten sterben

Auch Buddhisten sterbenWie Buddhisten mit dem Thema „Tod“ umgehen, ist wohl genauso individuell, wie überall. Aber man kann z.B. in den Lehren nachsehen, was so an Empfehlungen dafür vorliegt. Um mich mal auf meine mir vertraute Tradition des Vajrayana zu, so findet man in der tibetischen Dharma-Literatur ganz viele Anweisungen für den „Großen Übergang“.

Sterben im Vajrayana

Man kann z.B. Phowa – die Bewusstseinsübertragung zum Zeitpunkt des Todes – praktizieren, wenn der Atem aufgehört hat. Das ist für diese Praxis übrigens die beste Zeit. Man kann Wunschgebete rezitieren, besonders bei Tieren ist das hilfreich. Da verwendet man gerne das „Künzang Mönlam“. Bei Menschen wird immer das kurze oder lange Dewachen Mönlam gesprochen.
In der Zeit danach kann man täglich diese Praxis der Wunschgebete fortsetzen und jeden 7. Tag ein Phowa praktizieren. Am 49. Tag gibt es dann ein großes Ritual der Verabschiedung von der verstorbenen Person. Dabei wird ihr Bewusstsein durch die 6 Daseinsbereiche geleitet und dabei auch gereinigt, damit sie nicht wieder dort Geburt ergreift und dann wird das Bewusstsein in den reinen Zustand übergeführt.
Aber auch schon für die Zeit unmittelbar vor dem Sterben gibt es Anweisungen. So soll man den Platz, wo die Person stirbt entsprechend zubereiten, damit sie nach dem Dahinscheiden auch noch einige Zeit dort verbleiben kann. Dann soll man Tiere aus dem Raum hinausschicken, damit diese die Person anschließend nicht stören bzw. das Bewusstsein der Person nicht mit den Tieren mitgeht. Man sollte der sterbenden Person gute Gedanken und Wünsche mit auf den Weg geben, sie mit Eindrücken ihrer spirituellen Tradition wiederholt in Kontakt bringen.
Wenn die Person dann verstorben ist, sollte man sich ruhig verhalten, da der Geist der verstorbenen Person sehr aufnahmefähig ist. Man soll selbst gute Gedanken pflegen, weil auch diese vom Geist der verstorbenen Person aufgenommen werden. Falls es möglich ist, sollte man die verstorbene Person dann für drei Tage liegen lassen und nicht berühren. Man kann der Person bestimmte Yantras (tantrische Symbole mit Mantras) auf den Körper legen. Möglich ist auch, dass man die Person während des Sterbeverlaufs und der Zeit danach beobachtet und feststellt, wo das Bewusstsein den Körper verlässt. Günstig wäre der Scheitel, dann ist die Chance auf eine Geburt in höheren Bereichen groß.
Günstig ist es auch, wenn man selbst zu Lebzeiten noch den eigenen Nachlass regelt, damit nicht unmittelbar danach die Hinterbliebenen sich über den Besitz zu streiten beginnen oder damit belastet sind. Man sollte den Besitz gerecht und nutzbringend verteilen, und das am Besten auch schriftlich festhalten. Man sollte auch festlegen, wie die Begräbnisrituale zu vollziehen sind, wer was macht usw. Beim Sterben sollte man sich an den Wurzellehrer, seine Güte und die empfangenen und praktizierten Übertragungen erinnern. Man sollte selbst das Phowa praktizieren oder jemanden bitten, das mit einem gemeinsam auszuführen. Falls man dazu wenig karmische Verbindung hat, dann sollte man sich auf die wesentliche Dharma-Praxis ausrichten und entweder Dewachen – das Land der Großen Glückseligkeit – oder Zangdog Palri – den Guru Rinpoches Kupferfarbenen Berg – visualisieren, um dort Geburt anzunehmen.
Soweit ein paar Empfehlungen in Verbindung mit den Lehren und aus Kommentaren verwirklichter Lehrer.

Trauer versus Traurigkeit

Was die Trauer angeht, so ist das eine natürlich menschliche Reaktion in Anbetracht der Vergänglichkeit. Verschieden dazu ist jedoch Traurigkeit, weil das dumpfe Gefühl von Vergänglichkeit verbunden mit Ohnmacht zu einem chronischen Zustand des Niedergedrücktseins geführt hat. Und ob das egoistisch ist? Naja, man blendet wohl das Faktum der Vergänglichkeit aus und irgendwie versucht man damit umzugehen. Menschen machen doch die seltsamsten Dinge, nur um nicht verrückt zu werden angesichts einer überfordernden emotionalen Belastung. Was aber auch noch da mitspielt, sind Vorgänge von Transaktion und Projektion. Manche Menschen spielen im Film (Leben) von anderen Menschen eine identitätsstiftende Rolle. Da gerät dann die Rolle unter Druck.

Marpa Lotsawa und Dodebum

Und am Ende noch eine kleine Geschichte zur Erinnerung, wie Buddhisten mit dem Dahinscheiden ihrer Lieben umgehen. Da gab es in Tibet den Marpa Lotsawa aus Lhodrak. Der hatte einen Sohn, Tarma Dode genannt. Dieser hatte von seinem Vater Marpa alle wesentlichen Übertragungen empfangen. Ungeschickterweise hatte sich Tarma Dode mit dem Falschen angelegt und einen magischen Knatsch mit dem Dharma-Lehrer und Magier Ra Lotsawa inszeniert. Beide praktizierten ihre Yidams, Tarma Dode debum meditierte Hevajra und Ra Lotsawa wendete die befreiende Praxis des Yamantaka an. Die des Yamantaka war überlegen und so verschied Tarma Dode. Soweit die eine Seite der Geschichte.
Für Tarma Dode ereignete es sich folgendermaßen. Als er eingeladen wurde, ein benachbartes Dorf zu besuchen, rieten ihm alle davon ab. Seine Mutter Dagmema flehte ihn an, wenn er schon aufgrund seiner Zusage hinreiten müsse, dann soll er keine Belehrungen geben, er soll auch keine Gaben annehmen, nicht auf einem erhöhten Platz sitzen usw. Also kurz gesagt, er soll alle Ehrerbietungen zurückweisen. Aber es kam, wie es kommen musste. Tarma Dode ritt hin, empfing Gaben, nahm auf einem erhöhten Sitz Platz und gab Dharma-Belehrungen. Auf dem Ritt nach Hause scheute sein Pferd und er kam zu Sturz, wobei er mit dem Kopf auf einem Stein aufschlug. Das Pferd schleifte ihn noch etwas mit.
Als er dann von seinen Begleitern wieder in den Sattel gehoben wurde, sahen sie, dass sein Schädel gebrochen war und etwas Hirn bereits austrat. Sie verbanden ihn so gut sie konnten und ritten nach Hause. Daheim verschied Tarma Dode in Gegenwart seines Vaters Marpa Lotsawa.
Doch wie ging es Marpa Lotsawa dabei? Er weinte bitterlich. Von einigen Schülern wurde er gefragt, wie er es nun mit Leerheit und illusionsgleicher Erscheinung halten würde, und dass der Tod eines Sohnes keiner Aufregung wert sei. „Unter (all den) Träumen war dies ein Super-Traum, unter all den Illusionen war das eine Super-Illusion,“ war seine Antwort. Doch Marpas Trauer war nicht wegen dem Verlust seines Sohnes Tarma Dode, sondern er war darüber betrübt, dass sein Sohn nicht mehr in der Lage war, den Wesen weiter zu nützen. Gemäß der Biografie von Tsang Nyön Heruka sang Marpa mehrere Dohas – Lieder der Verwirklichung, in denen er Aspekte wie Vergänglichkeit, Wandel und die Lehren des Großen Siegels (Mahamudra) darlegte.
Marpa Lotsawa führte dann die Praxis des Drongjung (tib., grong ‚jug), bei der das Bewusstsein einer gerade verstorbenen Person auf ein anderes Lebewesen übertragen wird. In Tarma Dodes Fall war es eine weiße Taube, die dann in Indien sich auf die Brust eines gerade verstorbenen Jungen setzte, der am Scheiterhaufen wieder zum Leben erwachte. Das war dann Tiphupa – der „Taubenjunge“.

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