Attila Hildmann: Vegan goes Mainstream

Buch review

Von einem, der auszog, gesünder und vitaler zu werden. Damit startete Attila Hildmann vor ungefähr 10 Jahren und entschied sich für einen veganen Lebensstil.

Wenn man sich heute für Ernährung interessiert ist, dann kommt man um Attila Hildmann nicht mehr herum. Facebook, twitter, youtube, mehrere Webseiten und Blogs – Attila ist quasi omnipräsent.

Der Hype um Attila Hildmann ging auch an mir nicht spurlos vorbei. Seit 2009 hat der junge Mann immerhin 6 Bücher zum Thema „vegan leben“ geschrieben.

Was steckt hinter diesem Phänomen?  Das wollte ich herausfinden. Ich habe mir dafür das neueste Buch von Attila Hildmann „Vegan for youth“  ausgesucht.

Als ich in einer Buchhandlung vor dem Regal mit den veganen Kochbüchern stand, habe ich mich ein wenig fremdgeschämt. Die “Vegan for…” sind ja unglaublich riesig und wenn man sie in die Hand nimmt, kann man sie kaum halten. Und dann der Preis: 30 €! DAS hatte ich nicht erwartet…

Daher habe ich mich für die Kindle-Version entschieden.

Attila Hildmann nennt das Ernährungskonzept, dass hinter diesem Buch steht „Die erste Triät der Welt“. Auf der dazugehörigen Webseite heißt es sogar „Deutschlands Vegan-Koch Nr. 1 setzt mit seinem dritten Buch völlig neue Maßstäbe für eine gesunde Ernährung.“

Ich war gespannt…

Das Buch

Zu Beginn beschreibt Attila seine Reisen nach Japan und Italien. Er wollte vor Ort erleben, wie sich die Menschen genau ernähren, die ein hohes Lebensalter erreichen.

Diese Reisebeschreibungen fand ich sehr interessant. Das war es dann auch schon. Der Rest des Buches hat mich wirklich enttäuscht. Ich bin froh, dass ich mir nur die Kindle Version gekauft habe.

Die Triät

Der Autor schreibt:

Die Triät besteht aus den drei Komponenten Abnehmen, Gesundheit und Verjüngung. Es ist eine bisher einzigartige, ganzheitliche Methode…

Mal ehrlich, hier fühle ich mich schon ein wenig veralbert. Oder haben Sie vorher noch nie davon gehört, dass ein vernünftiges Gewicht uns gesünder und jünger macht. Das versprachen uns doch schon unzählige andere Ernährungslehren und Diäten der Frauenzeitschriften.

Wenn jemand mit markigen Worten ein revolutionäres Konzept ankündigt und das Werk dann auch noch 30 € kostet, dann erwarte ich echte Innovation.

Nach den Reiseberichten geht es um das Thema Altern. Hier präsentiert uns der Autor Wissen, nachdem er laut eigener Aussage lange suchen musste. Vielleicht bin ich ja eine Ausnahme, aber Themen wie: Telomere, Freie Radikale und Antioxidantien sind für mich nichts revolutionär Neues. Kenne ich alles schon!

Attila Hildmann erklärt uns, was so besonders ist an seinen Rezepten

  • Betont pflanzliche Ernährung
  • Verzicht auf industrielle Verarbeitung
  • Hoher Anteil an Antioxidantien und Vitalstoffen
  • Verzicht auf Zucker
Kommt Ihnen das bekannt vor? Ja? Mir auch!

Allein schon deshalb ist es kein Wunder, dass Attilas Challenger an Gewicht verloren und sich jünger und vitaler gefühlt haben.

Aber jetzt kommt der Clou, etwas wirklich revolutionär Neues: Sport und Bewegung. Das haben Sie jetzt aber sicher noch nicht gewusst, oder?

Der ORAC-Wert

Attila legt sehr viel Augenmerk auf den ORAC-Wert. Nach diesem Wert soll man auch seine Nahrungsmittel aussuchen.

Der ORAC-Wert gibt an, wie stark die Fähigkeit einer Substanz oder eines Nahrungsmittels ist, freie Radikale zu absorbieren. Je höher der Wert ist, desto stärker ist die antioxidative Wirkung.

Dieser Wert ist sicher nicht unwichtig, aber man sollte ihn nicht überbewerten. Denn er kann keine allgemeingültige Aussage über die antioxidative Wirksamkeit einer bestimmten Substanz machen. Es gibt in der Natur tausende pflanzliche Phytonährstoffe, von denen noch nicht mal alle vollständig bekannt und untersucht sind. Die Natur ist eben sehr komplex. Unseren Körper interessieren keine ORAC-Werte. Wir benötigen die unterschiedlichsten Antioxidantien um ausreichend geschützt zu sein.

Meiner Meinung nach lässt der ORAC-Wert uns das Thema Nährstoffe und ihre antioxidative Wirkung eher verschwommen sehen, als dass er tatsächlich für Aufklärung sorgt.

Die Superfoods

Die Superfoods spielen in der Triät eine große Rolle (Attila wählt diese nach ihrem ORAC Wert aus). Das ist Attilas Liste:

Superfoods

Was mich nachdenklich macht: Ein paar Seiten vorher weißt der Autor daraufhin, dass lange Transportwege den ORAC-Wert negativ beeinflussen und man doch möglichst nur regional einkaufen soll. Die Superfoods finden sich aber fast alle nicht hier in unserem Land, sondern kommen von sehr weit her. Wo bleibt da die gepriesene Regionalität. Für mich ein absoluter Widerspruch.

Die Zutaten für die Rezepte

Auch noch einige andere Zutaten machen mich nachdenklich. Warum werden Süßkartoffeln verwendet, die importiert werden müssen. Das Gleiche gilt für Quinoa, den sogenannten Inkareis und auch für Amarant. Das sind sicherlich ganz wundervolle Nahrungsmittel, aber auch sie wachsen nicht in unseren Breitengraden. Durch die steigende Nachfrage nach Quinoa seit Mitte der 90er Jahre z. B. hat sich der Preis dafür stark erhöht. Quinoa stellt für die Bevölkerung in Perú ein Grundnahrungsmittel dar. Inzwischen können es sich viele Einheimische nicht mehr leisten.

Bei den Frühstücksrezepten ist mir sofort aufgefallen, wie viel Zucker verwendet wird. Wieso Zucker, denken Sie? Attila nimmt doch Reissirup und Apfelsüsse. Das klingt erst mal gesund und nicht nach Zucker, ist es aber trotzdem. Dazu kommen dann noch die Früchte, die reichlich Fruchtzucker enthalten und schon sind wir mit Zucker überladen. Zucker ist übrigens ein Nährstoff-Räuber.

Jodiertes Meersalz

Attila verwendet bei seinen Rezepten jodiertes Meersalz. Meersalz enthält von Natur aus Jod, warum sollte man ein Produkt kaufen, dem künstlich Jod hinzugefügt wird? Bei vielen Zutaten, die Attila einsetzt wird der Hintergrund überhaupt nicht erklärt.

Was das Salz betrifft: Normales Speisesalz hat bei vielen gesundheitsbewussten Menschen keinen guten Ruf. Deshalb gibt es seit Jahren „Meersalz“ oder „Himalaya Salz“ oder „Steinsalz“ im Handel. Diese Salze sind um ein Vielfaches teurer, als normales Speisesalz. Das meiste was diesen Salzen an positiven Wirkungen nachgesagt wird, ist reine Werbemasche. Auch diese Salze enthalten zwischen 95 und 98 Prozent Natriumchlorid.

Die Öle

Bei den Rezepten verwendet der Autor hauptsächlich Olivenöl, Leinöl und Walnussöl. Wunderbare Öle, die ich auch sehr mag.

Zum Kochen und Braten nimmt Attila Olivenöl. Das wundert mich. Ein qualitativ hochwertiges, natives Olivenöl (das man übrigens nicht unter 7 € für einen halben Liter bekommt), sollte man nicht stark erhitzen. Auch wenn es teilweise wissenschaftlich dazu widersprüchliche Aussagen gibt. Wirklich hochwertiges Öl wäre mir zum Kochen auch zu schade. Es gibt bessere und sichere Alternativen, wie Kokosöl, dass mehr Hitze vertragen kann.

Supplemente

Wenn ihr auf tierische Lebensmittel vollständig verzichtet, solltet ihr besonders auf die Zufuhr der Vitamine B12 und D3, der Spurenelemente Jod, Selen und Zink sowie auf Omega-3-Fettsäuren achten.

Das schreibt Attila Hildmann zum Thema Nahrungsergänzungen.

Und weiter…

Damit mir diese Nährstoffe nicht fehlen, habe ich gemeinsam mit Orthomol, einem der führenden deutschen Hersteller von apothekenexklusiven Mikronährstoff-Kombinationen, ein Produkt entwickelt [...]. Das Produkt ist als “Orthomol Veg one” in Apotheken erhältlich.

Attila hat wirklich an alles gedacht und überlässt nichts dem Zufall.  Für mich hat das einen leicht bitteren Beigeschmack, dass der Autor ausgerechnet mit dem Unternehmen Orthomol zusammenarbeitet. Orthomol steht nämlich nicht gerade für natürliche, pflanzliche Vitalstoffe. Nun, vegan heißt ja auch nur, dass es nicht vom Tier sein darf. Es bedeutet nicht, dass die enthaltenen Vitalstoffe aus natürlichen Quellen gewonnen werden. Orthomol Veg One enthält zwar nicht ganz so viele Hilfs- und Zusatzstoffe, wie andere Produkte des Unternehmens, aber es gibt doch noch genug: Maisstärke, Gelatine, Natriumcarbonat, Maltodextrin, Siliciumdioxid.

Biozoom-Scan

Nichtinvasives spektrokopisches Ablesen entscheidender Biomarker

Bitte was?

Nun, wenn Sie Attila Hildmanns Buch gelesen haben, wissen Sie bereits, was das ist. Der Scanner, der bald auf den Markt kommt, ist ein weiteres Produkt, dass Attila in sein Marketing-Portfolio aufgenommen hat und seinen Lesern empfiehlt. Das handliche Gerät macht es uns möglich die Konzentration von Antioxidantien in der Haut zu messen. Darauf haben wir doch alle gewartet, oder? Endlich können wir nun auch mit einem technischen Gerät messen, dass wir durch die Triät jünger werden. Bisher kann man den Biozoom nur vorbestellen und was er kostet, wird nicht verraten.

Ach so, fast hätte ich es vergessen… Wie wäre es noch mit einem “Lurch 10307 Attila Hildmann Spiralschneider” oder einem der praktischen Challenger-Pakete. Von Amaranth über Mandelmus oder Matcha bis Gojibeeren ist alles dabei, was Sie brauchen.

Die Challenge

Zu den Büchern “Vegan for fit”  und “Vegan for Youth” rief Attila zur Promotion sogenannte Challenges aus. Menschen, die gesünder, vitaler und jünger werden wollten, waren aufgerufen sich für 30 bzw. 60 Tage der veganen Herausforderung zu stellen. Diesem Aufruf folgten viele: Menschen, wie du und ich, Blogger, Fitness-Zeitschriften, Biomärkte, Frauenzeitschriften. Attila Hildmanns Agentur hat da ganze Arbeit geleistet. Mit so einer Armada an Unterstützern konnte der Erfolg ja nicht ausbleiben.

Mein Fazit

Ich finde es wirklich klasse, wenn bereits ein junger Mensch seine Leidenschaft zum Beruf macht. Ich habe auch nichts dagegen, wenn man Geld verdient. Ganz klar ist es ihm gelungen, der veganen Lebensweise mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen und sie in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Hut ab dafür!

Für mich ist Attila Hildmann  jedoch eher ein Produkt. Ich habe nicht das Gefühl, dass er durch Authentizität und Persönlichkeit erfolgreich geworden ist. Dahinter steckt eine Menge gutes Marketing. Und vor allem seine Challenger, die sich so richtig für ihn ins Zeug legen. Ich glaube, denen hat er besonders viel zu verdanken.

In einem Interview mit der Welt sagte Attila Hildmann im Februar diesen Jahres

Ich verknüpfe narzisstische Interessen wie Abnehmen oder Jungbleiben mit einer nachhaltigen biologisch-veganen Ernährung. Da bleibt der Erfolg nicht aus.

Attila Hildmann überlässt nichts dem Zufall. Alles ist genau durchdacht und geplant. Angefangen bei seiner Geschichte, wie er aus einer Familientragödie (sein Vater starb an einem Herzinfarkt) stärker und gesünder hervorgegangen ist. Bis hin zu hunderttausendfach verkauften Büchern.

“Facts tell, stories sell” …

Nun plant der Autor auch den Sprung über den großen Teich. Seine Bücher sind bereits übersetzt und gedruckt und werden bald in Großbritannien, den USA und Australien zu haben sein. Attila Hildmann hat  einen strukturierten Plan und ist überzeugt, dass ihm auch dort der Durchbruch gelingen wird. Ein ehrgeiziges Ziel.

Die USA sind uns im Bereich gesunde Ernährung ja bereits um Lichtjahre voraus. Nicht nur, dass viele Stars längst den veganen und Rohkost-Lifestyle leben. Es gibt dort bereits seit Jahrzehnten unzählige Größen in der Ernährungsszene. Da sind z.B. bekannte Köche, wie Ani Phyo, Jason Wrobel und Russel James. Außerdem Ernährungs-Gurus und Ärzte, wie David “Avocado” Wolfe, Charlotte Gerson, Markus Rothkranz, John Robbins, Andrew Weil, Kris Carr, Dean Ornish, Rory Freedman und und und.

Ich denke, die Welt hat nicht auf Attila Hildmann gewartet. Was die Welt aber unbedingt braucht, ist ein Umdenken. Weg von den unterschiedlichen Ernährungsformen, wie Paleo, Low Carb, Vegan, Vegetarisch, Rohkost, Low Fat. Hin zu dem, was uns wirklich nährt.

Was wir alle gemeinsam haben ist, dass wir ausreichend mit lebensnotwendigen Mikronährstoffen versorgt sein müssen, damit wir gesund bleiben und Erkrankungen vermeiden können. Unsere Gesundheit ist unser kostbarster Besitz. Und so sollten wir ihn auch behandeln.

Alternativen

Wer auch nicht so auf Hype und Promotion abfährt, der sollte sich mal das Projekt  von Stefano Vicinoadio anschauen.

Auch sind wir nicht auf die Bücher von Attila Hildmann angewiesen. Bücher mit vegetarischen + veganen Rezepten gibt es viele.

Mein Vorschlag: Einfach mal in die nächste Buchhandlung gehen zum Stöbern.

vegetarisch und vegan

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