Atome für den Frieden oder die Zukunft der Elektrizität

 

Atome für den Frieden oder die Zukunft der Elektrizität

Österreichs einziges AKW in Zwentendorf wurde nie in Betrieb genommen

von Inge M. Thürkauf

Zunächst zwei Episoden aus den Erinnerungen meines Mannes Max Thürkauf:

Es war im Sommer 1945, kurz nach dem Ende des II. Weltkriegs. An der Universität Basel hatte er sich als erstsemestriger Student immatrikuliert. In der damaligen Zeit interessierten sich nur wenige Studenten für Physik, die mehr oder weniger als brotlose Kunst betrachtet wurde. So entschied er sich für das Fach physikalische Chemie. Ihn fesselten beide Fächer, wobei die Chemie bei ihm eindeutig den Vorrang einnahm. Im physikalischen Institut hatte jeder Doktorand sein eigenes Laboratorium. Manche Räume standen jedoch leer und wurden lediglich als Abstellräume gebraucht. Im chemischen Institut hingegen drängten sich die Studierenden. Sie mußten sich ihre Arbeitstische teilen, da gab es keine leerstehenden Laboratorien. Mein Mann machte einen Direktor der heimischen chemischen Industrie, der auf der Suche nach möglichen Talenten eine Runde durch die Institute machte, auf dieses Mißverhältnis aufmerksam. Dieser meinte, na ja, für Physik findet man keine Sponsoren, was will man mit Physik schon anfangen, nur ein Schwachkopf verbeißt sich in dieses Fach. Als mein Mann redegewandt diese für ihn doch wichtige Hälfte seines Studiums verteidigen wollte, klopfte ihm der Direktor jovial auf die Schultern und sagte: „Junger Mann, sobald in der Weltwirtschaft so etwas auftaucht wie eine physikalische Industrie, wollen wir Ihre Begeisterung in Erwägung ziehen.“

Das war vor über 65 Jahren. In der Zwischenzeit ist mehr aufgetaucht als nur eine physikalische Industrie: ein naturwissenschaftlicher Moloch hat sich der Erde bemächtigt, dem die Menschen mit Eifer alles opfern, was ihnen an Leben, Schönheit und Geist von Gott geschenkt wurde. Angefangen hat es in eben diesem Sommer 1945 mit dem „Gerücht“ von einer Atombombenexplosion in Amerika. In den Zeitungen wurde zwar darüber berichtet, aber Genaues war nicht zu erfahren. Daher verlangten die Basler Journalisten von den Professoren der Universität die Einberufung einer Pressekonferenz, die ihnen ungern, aber immerhin gewährt wurde. Doch lassen wir meinen Mann nun selbst erzählen:

„Der kleine Hörsaal war bis auf den letzten Platz besetzt, offensichtlich hatte sich die Sache herumgesprochen und war auf ein unerwartetes Interesse gestoßen. Man mußte in den großen Hörsaal wechseln. Der Institutsdirektor, zwei außerordentliche Professoren des Instituts und der Ordinarius für theoretische Physik waren bereit, der Presse mit ihren Fachkenntnissen zur Verfügung zu stehen. Der Direktor schickte voraus, daß es seines Erachtens bei dem Gerücht von der geheimnisvollen Explosion einer amerikanischen Atombombe in der Wüste von Neu Mexiko um eine – und er habe gute Gründe dies anzunehmen – Ente im sommerlichen Blätterwald handeln würde. Die Journalisten lachten und stellten berufsgewohnt ihre Fragen. Zunächst wollten sie wissen, was ein Atom überhaupt sei, wie groß vor allem und wie es möglich war, daß ein blindes Mädchen aus hundert Kilometer Entfernung den Explosionsblitz habe sehen können? Ja, das sei eben gerade ein Beweis, daß die ganze Geschichte mit der Atombombe nichts anderes als der Sommergag eines schlauen Journalisten sei, denn blind ist blind, und basta, trumpfte der Direktor auf. Der theoretische Physiker griff ein und erklärte, daß nach der speziellen Relativitätstheorie seines Freundes Albert Einstein, und in Hinsicht auf die Entdeckung der Herren Otto Hahn und Fritz Straßmann über die Spaltung des Uranatomkerns es den Gesetzen der Physik nicht widerspreche, wenn ein faustgroßes Stück Uranmetall mit der Wucht von Tausenden von Tonnen Dynamit explodiere.

Der Professor gab sich große Mühe, den neugierigen Laien zu erklären, wie sich die Sache mit dem Uran verhält. Es gäbe, so dozierte er, zwei Sorten von Uran, Isotope genannt, mit den Atomgewichten 235 und 238. Das Uranisotop 235 ist mit weniger als einem Prozent in der Natur vorhanden, aber zum Bau einer Atombombe brauche es eben gerade dieses Isotop. Weil das Uran 235 und das Uran 238 sich chemisch nicht voneinander unterscheiden, ist eine Trennung mit ungeheuren Schwierigkeiten verbunden. Um auch nur ein tausendstel Gramm reines Uran 235 herzustellen, sei ein Aufwand erforderlich, der sich selbst mit der schwierigen Gewinnung von Radium nicht vergleichen lasse. Und für eine Atombombe müßte das Isotop kiloweise, also in millionenfach größerer Menge zur Verfügung stehen.

Unter den Zuhörern befand sich auch ein international anerkannter Professor auf dem Gebiet der Elektrodynamik, dieser meldete sich nun zu Wort: „Wissenschaftlich“, so meinte er, „wissenschaftlich ist diese Trennung der Uranisotope schon möglich, aber praktisch ausgeschlossen.“ Als die Journalisten wissen wollten, wie dies zu verstehen sei, antwortete er: „Es wäre viel zu teuer!“. Die eingetretene Stille unterbrach der Institutsdirektor mit der Bemerkung: „Meine Damen und Herren, Sie müssen verstehen, daß es sich hier nicht um die Fabrikation von Kanonen handelt, sondern um den Bau von außerordentlich komplizierten wissenschaftlichen Apparaten, die es heute noch gar nicht gibt, und die – Hunderte von Millionen, wenn nicht Milliarden kosten würden.“

Als mein Mann nach der Pressekonferenz in seinem Lehrbuch für anorganische Chemie, einem neuen umfangreichen Werk, das er sich eigens für sein Studium angeschafft hat, das Kapitel über Uran aufschlug, las er: „Uran hat keine technische Bedeutung“.

Auf der Titelseite der größten Tageszeitung der Stadt stand am nächsten Tag: „Physikprofessoren: Atombombe unmöglich, da zu teuer“. Drei Wochen später riefen die Zeigungsverkäufer: „Atombombe auf Hiroshima! Hunderttausend Tote!“ Von diesem Augenblick an gehörte jene Physik, die eine Atombombe für unmöglich hielt, weil sie zu teuer sei, der Vergangenheit an, sie hatte aufgehört zu existieren. „Sie war eine Wissenschaft der Fastenzeit; hungern war damals für die Forscher als Existenzmöglichkeit ebenso anerkannt wie für die Künstler. Eine Wissenschaft der vollen Fleischtöpfe kann so etwas natürlich kaum für möglich halten.“

Aus dem eisengrauen Uran, von dem die Chemiestudenten vor dem August 1945 wissen mußten, daß es keine technische Bedeutung habe, ist ein Politikum erster Ordnung geworden. Noch im Jahre 1937 sagte der damals in aller Welt bekannte Atomforscher Ernest Rutherford, daß jemand, der an eine technische Verwendbarkeit von Kernreaktionen glaube, ein Phantast sei.“ Was würde er wohl heute zu unserer Epoche sagen, die als das „Atomzeitalter“ in die Geschichte eingegangen ist und das Antlitz der Erde völlig verändert hat.

Nachdem 1954 das erste zivile Atomkraftwerk der Welt im russischen Obninsk in Betrieb genommen wurde, konnte Amerika natürlich nicht länger zurückstehen. 1955 hielt der damalige Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, General Eisenhower, vor der UN-Vollversammlung eine Rede, in der er zur ausschließlich friedlichen Nutzung der Atomenergie aufrief. Die Absicht war, nach den Verbrechen von Hiroshima und Nagasaki dem Begriff „Atom“ wieder eine friedliche Bedeutung zu geben. Weltweit warb er für sein Programm, während der US-Konzern General Dynamics die dazugehörigen Werbeplakate mit dem Motto „Atome für den Frieden – Atoms for Peace – L’atome au service de la paix“ lieferte.

Die Friedensatome werden in Atomkraftwerken hergestellt, die auf der ganzen Erde in immer schnellerer Folge entstehen. 443 sollen es heute schon sein, über 150 sind noch geplant. Das „technisch unbedeutende“ Uran erbrütet dort ein Metall, das es auf der Erde gar nicht gibt, das Plutonium. Die Physiker haben es nach dem Gott der Unterwelt getauft. Ein paar Kilogramm davon genügen zum Bau einer Atombombe, dieselbe Menge reicht aus, um alle Menschen auf der Erde an Lungenkrebs sterben zu lassen. Außer bei Hiroshima und Nagasaki wurde diese Waffe bis heute nicht benützt. Die Atombombe ist zusammen mit der Genmanipulation der Gipfel aller bösen Taten, die die Menschen je hervorgebracht haben, und nichts hat so viele gute Seiten wie das Mittel dazu: die Elektrizität. Das elektrische Stromnetz ist bereits über die ganze Erde ausgeworfen. Es sind die guten Seiten des Bösen, mit denen wir in die Sklaverei des Materialismus geführt wurden. Die moderne Technik vermag mit der Elektrizität Dinge hervorzubringen, die viele Menschen zum Glauben gebracht haben, die Welt sei machbar.

Je mehr Maschinen die Menschen bauen, um so berechenbarer wird die Welt, die sie sich machen. So können die Techniker etwa berechnen, wie viel Elektrizität Neu Babylon im Jahr 2050 nach der Geburt des Herrn brauchen wird. Dabei vergessen sie, daß in ihrer Rechnung das Wichtigste fehlt, weil nicht berechnet werden kann, ob Neu Babylon im Jahr 2050 überhaupt noch Elektrizität braucht, weil es ihm ergehen könnte wie dem Mann, der die Jahre berechnet, die er von seinem Vorrat leben kann, und dem der Herr gesagt hat: „Du Tor, diese Nacht noch wird man dein Leben von dir fordern; wem aber wird gehören, was du aufgespeichert hast?“ Es wäre vermessen, zu meinen Neu Babylon könne von Gott nicht zurückgefordert werden, weil es so groß ist, daß es die ganze Welt umspannt. Vielleicht ist die Katastrophe von Fukushima der Anfang der Forderung des Schöpfers, der zusehen muß, wie seine Schöpfung des Profits und der vollen Fleischtöpfe willen vernichtet wird. Die Menschen haben nun nicht mehr vor dem Unbekannten, sondern vor dem Berechenbaren Angst. Nun beklagen sie, was voraussehbar war.

Die Technokraten vergessen, daß alle Kulturen der Weltgeschichte ohne Elektrizität aufgebaut worden sind, ja, daß eine entscheidende Voraussetzung dieser Kulturen das Fehlen der Elektrizität gewesen ist. Das beweist das Atomzeitalter, welches – ein Produkt der Elektrizität – als eine kulturlose Zivilisation von der Kultur des christlichen Abendlandes übriggeblieben ist. Deshalb werden die Menschen einmal wissen, daß der Verzicht auf Elektrizität eine, wenn auch nicht hinreichende, so doch notwendige Voraussetzung für die Existenz einer Kultur ist.

Die Zeit der Buße und der Umkehr ist gekommen. Auf den Ruinen des Materialismus, in der materiellen Beschränkung der geplünderten und gemarterten Erde, werden die geistigen Werte der kommenden Kultur wachsen. Diese Kultur, die eine Verwirklichung des Christentums sein wird, geht aus der Apokalypse des Materialismus hervor. Es geht nicht darum, etwas Großes zu leisten. Es geht darum, etwas Gutes zu denken und es auch zu tun. In der Nacht sind auch die kleinen Lichter wichtig. Alle guten Gedanken, die jetzt in die Tat umgesetzt werden, sind bedeutungsvolle Bausteine für die kommende Kultur. Das Gute wird groß werden, langsam – durch das Werk jener, die guten Willens sind.

Aus Max Thürkauf: „Die Tränen des Herrn Galilei“ (vergriffen).


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