Der durch die Medien irrlichternde Vorschlag, Kinderlose finanziell mehr zu belasten, als solche Personen, die bereits Nachwuchs in die Welt geworfen haben, legt zweierlei offen: Der politische Nachwuchs der Union ist a) weltfremd und hat für die wirklichen (Familien-)Realitäten in dieser Gesellschaft keine Wahrnehmung mehr - und er ist b) bereit, Mittel anzuwenden, die eines repressiven, ja totalitären Staates würdig wären.
Asozialenabgabe und entschwundenes Familienidyll
Es ist an sich schon Gegenargument genug, dass die freie Planbarkeit von Lebensentwürfen nicht moralisch bewertet oder angetastet werden soll. Denn nichts anderes ist die Abgabe - sie ein moralischer Imperativ, degradiert die Kinderlosigkeit zu einem asozialen Verhalten. Sie ist ferner demnach eine Asozialenabgabe, als ein moralischer Fingerzeig, als ein auf dem Lohnzettel fixiertes Stigma. Asoziale, weil kinderlose Elemente sollen bloß nicht glauben, dass ihr Lebensplan moralisch vertretbar ist. Leider wird nicht über ein Prämienmodell für jene diskutiert, die sich bewusst gegen eigene Kinder entscheiden - denkt man da an machen Workaholic, an manchen dauerausgebuchten Wichtigtuer oder an charakterlich Defizitäre, dann weiß man erst, wie lobenswert die Entscheidung gegen Kinder sein kann, denn das entlastet die überforderten Jugendämter massiv.
So ein Sonderabgabenmodell mag in einer Gesellschaft ohne viel Neben-, Sonder- und Spezialregelungen auskommen, in der es ein klassisches Familienidyll noch gibt. Andernfalls verursacht es nur Bürokratie. Vater, Mutter und die eigens gezeugten Früchtchen aus ihren Lenden - wie aus dem Bilderbuch. Wie in den Fünfzigerjahren - so lehrt es uns jedenfalls die Legende, denn Idyll war Familie da auch nicht immer; was auch erklärt, warum man eine Dekade später die Familie als Urzelle des repressiven Staates vermutete. Wie sieht denn die (Familien-)Wirklichkeit heute aus? Kinder hemmen, sozial wie beruflich; beide (potenzielle) Elternteile müssen arbeiten, sonst reicht es hinten und vorne nicht - man muß es hier nicht beschreiben, wer in dieser Gesellschaft verankert ist, der weiß, dass es die klassischen Familienstereotype immer seltener gibt, immer seltener geben kann. Dabei drängt sich eine Frage ganz vehement auf. Mehr als je zuvor erziehen Partner die in die Beziehung mitgebrachten Kinder ihres Partners - Patchworkfamilie ist das deutsche Wort hierfür. Sonderabgaben auch für Frauen oder Männer, die kein eigenes Kind gezeugt haben, die aber die Kinder ihrer Frauen und Männer miterziehen? Wollen wir so eine Abgabe rein biologisch oder gemessen an den gesellschaftlichen Verhältnissen staffeln? Ersteres führte in einen staatlich organisierten Biologismus - wieder mal.
Vorstufe zum Ehegesundheitszeugnis
Ab wann soll die Abgabe ins Leben treten? Sobald man volljährig ist? Oder gibt es Schonfristen? Mit Dreißig stehen Männer und Frauen dann vermutlich vor der Entscheidung: Entweder tritt nun ein Kind oder mehrere Kinder in unser Leben oder eine Mehraufwandsentschädigung an die demographischen Prophetien. Soll also staatlich vorexerziert werden, wann die Familienplanung gefälligst abgeschlossen zu sein hat? Gibt der Fiskus vor, wie man sein Leben zu planen, an welche Fristen zu binden hat? Nochmalig so eine infantile Realitätsferne aus dem Lager der unionspolitischen Strampelanzüge.
Und es gibt ja immer auch Menschen, die keine Kinder zeugen können. Zeugungsunfähige Männer, unempfängliche Frauen - wir werden sicherlich menschlich genug sein und für sie eine Sonderregelung einführen. Per Attest entschuldigt! Und wieder mal ein Staat, der über die Zeugungskonditionen seiner Bürger mehr wissen will. Wollen wir abermals in einem Land leben, das mittels ärztlicher Begutachtung ins Schlafzimmer schnüffelt? Und wie weit ist es da noch bis zum attestierten Ausschluss aller Erbkrankheiten für zeugungswillige und hoffentlich dann auch -fähige Paare? Liegen Broschüren im Familienministerium aus, die den schönen Titel tragen: Ehegesundheitszeugnis - oder: traditionell aus der Krise? So ausgeschlossen ist das allerdings nicht, gibt es doch genug Stimmen aus der Medizin, die uns eine Welt ohne Behinderung schmackhaft machen wollen - und die, die sich dann bewusst für ein behindertes Kind entscheiden, die werden scheel angesehen. Sie hätten doch die Wahl gehabt. Muß der Sozialstaat Eltern helfen, die unvernünftig genug waren, eine Behinderung in die Welt zu setzen? Wir schweifen ab - was unvermeidbar ist, denn staatlich geprüfte Unfruchtbarkeit, um einen Aufhebungsbescheid zur Kinderlosenabgabe zu erwirken, das beflügelt die Phantasie. Gerade auch, wenn man sich ein wenig in der deutschen Geschichte auskennt.
Aber mal ein Einwurf: Warum eigentlich Menschen, die keine Kinder fabrizieren können, von der Abgabe freisprechen? Die Abgabe soll doch Kostenverursacher bestrafen, ihnen ihr asoziales Verhalten vor Augen führen. Häufig leiden Menschen, besonders Frauen, schwer darunter, sich ihren Kinderwunsch nicht erfüllen zu können. Dann ist psychologische Betreuung notwendig - und die ist teuer. Sollen Unfruchtbare doch auch Abgabe zahlen, immerhin belasten diese Defektmenschen den Gesundheitsetat nicht unbeträchtlich mit ihrer unzureichenden Physis und ihrer jämmerlichen Psyche. Verzeihung, aber das ist die sich zwangsläufig einschleichende Sprache in einem Staat, der in so intime Bereiche seiner Bürger hineinprescht.
Total blind und totalitär gefährlich
Dieser politische Nachwuchs der Union ist einerseits so vermessen, die familiären Zustände, die Regelungen des privaten Zusammenlebens innerhalb der strikt kapitalistisch organisierten Gesellschaft, nicht erkennen zu wollen. Immerhin verursachen sie dieses Gesellschaftsmodell mit ihrer politischen Agenda - sie fördern und bevorzugen es gegenüber Alternativen. Und falls sie es doch erkennen, wird man den eigenen Plan als Rückführung zum traditionellen Familienbild verbrämen. Wo man neoliberal eingeflüsterte Feuchtträume politisch umsetzt: also Flexibilität, Mobilität, dauerhafte Erreichbarkeit, Niedriglohnsektor, Schleifung des Sozialstaates und so weiter, da entscheiden sich Menschen nur für Kinder, wenn sie besonders optimistisch sind - oder wenn die Pille versagt, das Kondom reißt. Jetzt sollen die, die sich Kinder nicht leisten können, auch noch bestraft werden.
Und andererseits wird sichtbar, dass man durchaus geneigt ist, eine fadenscheinige Praxis einzuführen - ohne Rückblick auf die Geschichte totalitärer Staaten, in denen eine solche "Sozialpolitik", in der man vermeintlich asoziale Verhaltensweisen sanktionierte, Usus war. Es ist eben nicht, wie man im Feuilleton häufig liest, ein sozialistischer Impuls, den diese "jungen Wilden" da gegeben haben - es ist ein faschistoider, ein totalitärer. Und es sind nicht "junge Wilde", wie man das so nonchalant schreibt, sie aufgrund ihres Alters und dem damit einhergehenden Ungestüm entschuldigt - wenn dann sind es total blinde Wilde; und totalitär gefährliche noch dazu.
Asozialenabgabe und entschwundenes Familienidyll
Es ist an sich schon Gegenargument genug, dass die freie Planbarkeit von Lebensentwürfen nicht moralisch bewertet oder angetastet werden soll. Denn nichts anderes ist die Abgabe - sie ein moralischer Imperativ, degradiert die Kinderlosigkeit zu einem asozialen Verhalten. Sie ist ferner demnach eine Asozialenabgabe, als ein moralischer Fingerzeig, als ein auf dem Lohnzettel fixiertes Stigma. Asoziale, weil kinderlose Elemente sollen bloß nicht glauben, dass ihr Lebensplan moralisch vertretbar ist. Leider wird nicht über ein Prämienmodell für jene diskutiert, die sich bewusst gegen eigene Kinder entscheiden - denkt man da an machen Workaholic, an manchen dauerausgebuchten Wichtigtuer oder an charakterlich Defizitäre, dann weiß man erst, wie lobenswert die Entscheidung gegen Kinder sein kann, denn das entlastet die überforderten Jugendämter massiv.
So ein Sonderabgabenmodell mag in einer Gesellschaft ohne viel Neben-, Sonder- und Spezialregelungen auskommen, in der es ein klassisches Familienidyll noch gibt. Andernfalls verursacht es nur Bürokratie. Vater, Mutter und die eigens gezeugten Früchtchen aus ihren Lenden - wie aus dem Bilderbuch. Wie in den Fünfzigerjahren - so lehrt es uns jedenfalls die Legende, denn Idyll war Familie da auch nicht immer; was auch erklärt, warum man eine Dekade später die Familie als Urzelle des repressiven Staates vermutete. Wie sieht denn die (Familien-)Wirklichkeit heute aus? Kinder hemmen, sozial wie beruflich; beide (potenzielle) Elternteile müssen arbeiten, sonst reicht es hinten und vorne nicht - man muß es hier nicht beschreiben, wer in dieser Gesellschaft verankert ist, der weiß, dass es die klassischen Familienstereotype immer seltener gibt, immer seltener geben kann. Dabei drängt sich eine Frage ganz vehement auf. Mehr als je zuvor erziehen Partner die in die Beziehung mitgebrachten Kinder ihres Partners - Patchworkfamilie ist das deutsche Wort hierfür. Sonderabgaben auch für Frauen oder Männer, die kein eigenes Kind gezeugt haben, die aber die Kinder ihrer Frauen und Männer miterziehen? Wollen wir so eine Abgabe rein biologisch oder gemessen an den gesellschaftlichen Verhältnissen staffeln? Ersteres führte in einen staatlich organisierten Biologismus - wieder mal.
Vorstufe zum Ehegesundheitszeugnis
Ab wann soll die Abgabe ins Leben treten? Sobald man volljährig ist? Oder gibt es Schonfristen? Mit Dreißig stehen Männer und Frauen dann vermutlich vor der Entscheidung: Entweder tritt nun ein Kind oder mehrere Kinder in unser Leben oder eine Mehraufwandsentschädigung an die demographischen Prophetien. Soll also staatlich vorexerziert werden, wann die Familienplanung gefälligst abgeschlossen zu sein hat? Gibt der Fiskus vor, wie man sein Leben zu planen, an welche Fristen zu binden hat? Nochmalig so eine infantile Realitätsferne aus dem Lager der unionspolitischen Strampelanzüge.
Und es gibt ja immer auch Menschen, die keine Kinder zeugen können. Zeugungsunfähige Männer, unempfängliche Frauen - wir werden sicherlich menschlich genug sein und für sie eine Sonderregelung einführen. Per Attest entschuldigt! Und wieder mal ein Staat, der über die Zeugungskonditionen seiner Bürger mehr wissen will. Wollen wir abermals in einem Land leben, das mittels ärztlicher Begutachtung ins Schlafzimmer schnüffelt? Und wie weit ist es da noch bis zum attestierten Ausschluss aller Erbkrankheiten für zeugungswillige und hoffentlich dann auch -fähige Paare? Liegen Broschüren im Familienministerium aus, die den schönen Titel tragen: Ehegesundheitszeugnis - oder: traditionell aus der Krise? So ausgeschlossen ist das allerdings nicht, gibt es doch genug Stimmen aus der Medizin, die uns eine Welt ohne Behinderung schmackhaft machen wollen - und die, die sich dann bewusst für ein behindertes Kind entscheiden, die werden scheel angesehen. Sie hätten doch die Wahl gehabt. Muß der Sozialstaat Eltern helfen, die unvernünftig genug waren, eine Behinderung in die Welt zu setzen? Wir schweifen ab - was unvermeidbar ist, denn staatlich geprüfte Unfruchtbarkeit, um einen Aufhebungsbescheid zur Kinderlosenabgabe zu erwirken, das beflügelt die Phantasie. Gerade auch, wenn man sich ein wenig in der deutschen Geschichte auskennt.
Aber mal ein Einwurf: Warum eigentlich Menschen, die keine Kinder fabrizieren können, von der Abgabe freisprechen? Die Abgabe soll doch Kostenverursacher bestrafen, ihnen ihr asoziales Verhalten vor Augen führen. Häufig leiden Menschen, besonders Frauen, schwer darunter, sich ihren Kinderwunsch nicht erfüllen zu können. Dann ist psychologische Betreuung notwendig - und die ist teuer. Sollen Unfruchtbare doch auch Abgabe zahlen, immerhin belasten diese Defektmenschen den Gesundheitsetat nicht unbeträchtlich mit ihrer unzureichenden Physis und ihrer jämmerlichen Psyche. Verzeihung, aber das ist die sich zwangsläufig einschleichende Sprache in einem Staat, der in so intime Bereiche seiner Bürger hineinprescht.
Total blind und totalitär gefährlich
Dieser politische Nachwuchs der Union ist einerseits so vermessen, die familiären Zustände, die Regelungen des privaten Zusammenlebens innerhalb der strikt kapitalistisch organisierten Gesellschaft, nicht erkennen zu wollen. Immerhin verursachen sie dieses Gesellschaftsmodell mit ihrer politischen Agenda - sie fördern und bevorzugen es gegenüber Alternativen. Und falls sie es doch erkennen, wird man den eigenen Plan als Rückführung zum traditionellen Familienbild verbrämen. Wo man neoliberal eingeflüsterte Feuchtträume politisch umsetzt: also Flexibilität, Mobilität, dauerhafte Erreichbarkeit, Niedriglohnsektor, Schleifung des Sozialstaates und so weiter, da entscheiden sich Menschen nur für Kinder, wenn sie besonders optimistisch sind - oder wenn die Pille versagt, das Kondom reißt. Jetzt sollen die, die sich Kinder nicht leisten können, auch noch bestraft werden.
Und andererseits wird sichtbar, dass man durchaus geneigt ist, eine fadenscheinige Praxis einzuführen - ohne Rückblick auf die Geschichte totalitärer Staaten, in denen eine solche "Sozialpolitik", in der man vermeintlich asoziale Verhaltensweisen sanktionierte, Usus war. Es ist eben nicht, wie man im Feuilleton häufig liest, ein sozialistischer Impuls, den diese "jungen Wilden" da gegeben haben - es ist ein faschistoider, ein totalitärer. Und es sind nicht "junge Wilde", wie man das so nonchalant schreibt, sie aufgrund ihres Alters und dem damit einhergehenden Ungestüm entschuldigt - wenn dann sind es total blinde Wilde; und totalitär gefährliche noch dazu.