Der Demokratie Schaden - des Bloggers Freud'

Was für ein grandioser Glücksfall! Arbeit ist gesichert! Material für Texte, für Polemiken, für Glossen. Ein passender Präsident für diese Republik. Ein Pfaff', der "Freiheit in Verantwortung" als Lebensmotto führt, der Freiheit jedoch nicht an Leben in Würde orientiert, sondern an der Freiheit, sich eine alternative Brücke aussuchen zu dürfen, unter denen man Obdach findet. Besser konnte sich die Junta der vier etablierten Parteien gar nicht absprechen. Niemand sonst könnte den Zeitgeist adäquater vertreten als der Theologe der Herzlosigkeit - er erhebt seine an Ketten gelegte Freiheitsrhetorik ins Metaphysische, entkleidet sie von sozialen Kategorien. Freiheit ist nur Freiheit, wenn sie nichts kostet - Arbeitslose und Niedriglöhner können demnach nur Freiheit beanspruchen, wenn sie unentgeltlich eingefordert wird. Der Sozialstaat an sich ist somit letztlich keine Schmiede der Freiheit, sondern ein unfreiheitliches Schattenreich.

Der Mann, der fünfzig Jahre lang an keiner freien Wahl teilnehmen konnte, der aber beharrlich auf freie Wahlen hoffte, der aus seinem theologischen Bunker heraus dem Endsieg harrte, sei ein leuchtendes Freiheitsbeispiel. Der Endsieg der Freiheit, wie er meint - der Endsieg des Kapitalismus: was er wirklich meint! Den Bunker gab es nie, der fast-schon-präsidiale Theologe fügte sich in die gefühlten "killing fields der DDR", sprich: in das System - und vergünstigt wurde dieses Arrangement auch noch. Davon weiß er heute nichts mehr. Wie gesagt, fünfzig Jahre wartete er auf eine freie Wahl - und nun wird er als Sieger aus einer Wahl hervortreten, in der es entweder keinen Gegenkandidaten oder lediglich einen Alibi-Kontrahenten gibt. Der Triumph der freien Wahlen! Und besonders eindrücklich würde dieser historische Sieg der freien Wahl, wenn sich nun die Grünen einen Gegenkandidaten nur deshalb aus den Rippen schälten, damit die Bundesversammlung nicht gänzlich zur Farce würde - womit sie natürlich erst recht zu einer solchen geriete.

Demonstranten sind kindisch, meinte er mal - wer gegen die kapitalistische Wirklichkeit steht, der ist infantil. Freiheit heißt auch, sich die Freiheit zu nehmen, die Knechtschaft des Kapitals frisch und frei zu akzeptieren. Die Freiheit, die dieser Pastor predigt, beinhaltet die Verantwortung - sie ist nur der kapitalistischen Ökonomie verantwortlich. Nicht ethische Standards, nicht unveräußerliche Rechte, nicht moralische Imperative sind es, die die Konturen seines Freiheitsbegriffes nachzeichnen, sondern wirtschaftliche Gespinste - er ist die "antipolitische Devotheit", die die unterwürfige Haltung vor der staatlichen und wirtschaftlichen Obrigkeit als Freiheit verklärt. In diesem Sinne ist er tief lutherisch geprägt - einen auf moralisch machen, auf Hier stehe ich, ich kann nicht anders! und andererseits die Bauern schelten, weil sie sich gegen das fürstliche Unrecht, das an ihnen begangen wird, auflehnen.

Kein Kandidat könnte diese Epoche der kalkulierten Alternativlosigkeit so trefflich abbilden, wie dieser Mann - und seine Nominierer. Die vier Parteien, die einig an einem Tisch sitzen und es als großen Erfolg verbuchen, dass es eigentlich nicht mal einen Gegenkandidaten braucht, sie sagen mit der Nominierung dieses einzelnen Kandidaten, dass There is no alternative! eine Konstante ihres politischen Wirkens ist. Gleichwohl ist ihr Kandidat einer, der Alternativlosigkeit und die stille Hingabe zu ihr, als einen Akt freiheitlich gesinnter Zivilcourage und unbedingter Bürgerpflicht, postuliert. Diesen Glücksfall, den die vier Parteivorsitzenden in die Kameraobjektive lächelten, er zeichnet das Pech nach, das die Demokratie ereilte. Ein elitärer Theokrat, der zum Präsident der Oberschichten taugt, installiert von den Machern einer Zeitung, die vorgibt, die des kleinen Mannes zu sein, die aber erbarmungslos die Interessen der Wirtschaft vertritt: Was soll daran ein Glücksfall sein?

Und doch ist er es. Denn er liefert Schreibstoff. Er ist die Projektionsfläche der Zustände in diesem Land - und schon die erste Ansprache dieses sonderbaren Freiheitsapostels wird Grund zur publizistischen Arbeit bieten. Blogger und linke Publizisten halten sich nun erschrocken den Kopf - aber sie dürfen auch lächeln, denn es gibt eine neue offizielle Charaktermaske, an deren Nase es sich zu ziehen lohnt. Der, der uns alle diese ominöse, ins Metaphysische gleitende Freiheit vorgaukelt, er ist die zerknautschte Karikatur einer Demokratie, die es nur noch als Karikatur gibt.

Nun ist jener Präsident so gut wie gemacht, der willfährig die Gesetzesvorlagen unterschreibt, die in Planung stehen. Einer, der Freiheit als Knechtschaft an einer nicht gar zu fest gezurrten Kette definiert - einer, der sich selbst als oberste moralische Instanz ohne Fehl und Tadel sieht - einer, der in seiner Tätigkeit in der Behörde, die im Volksmund seinen Namen trug, kleine und oft unschuldige IM jagte, wie weilandt Torquemada Ketzer. Die Demokratie könnte daran Schaden nehmen - wenn sie nicht schon ein Schadensfall wäre.


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