Es scheint paradox: je mehr Fortschritte Technik und Wissenschaft verzeichnen, um so größer wird die Bedrohung für Mensch und Natur! Oder ist diese Entwicklung gar eine logische Konsequenz und der Tatsache geschuldet, dass wir uns mit der immer perfekteren Illusion von Selbstoptimierung und Kontrolle immer mehr von uns selbst und unserem immanenten Gefühl für natürliche Ethik entfremden?
„Ohne Verbindung zu uns selbst sind wir in der scheinbar ausschließlich rational erklärbaren Welt empfänglich für allerlei Lehren, Diäten und Philosophien“, schreibt Dr. Markus Strauß im ersten Kapitel seines neuen Buches „Artgerecht. 13 Thesen zur Zukunft des Homo Sapiens“. Und auch wenn es in diesem Kapitel explizit um Lebensmittel geht, gilt diese Aussage für alle Bereiche unseres modernen Lebens.
Für Markus Strauß ist die Sache klar: das Dilemma der Welt begann mit der Sesshaftwerdung. Allein die Tatsache, dass der bisher nomadierende Mensch pötzlich auf einer Rodungsinsel lebte, brachte völlig neue Herausforderungen, geistige und gesellschaftliche Entwicklungen mit sich.
Markus Strauß beschreibt diese Entwicklungslinie sehr plausibel und beleuchtet die Folgen, unter denen wir bis heute leiden. Zwei weitere Entwicklungslinien verschärften die Probleme massiv, führten zu völlig veränderten Gesellschaften und unserer geistig-seelischen Dissonanz:
die so genannte industrielle Revolution, die Menschen vom Land in die Städte zog und deren Leben sie in den Takt der Fließbänder presste sowie die digitale Revolution, die aktuell voranschreitet und ebenfalls jede Menge negative externe Effekte mit sich bringt – wenn wir die Technik nicht für unsere Entwicklung und im Einklang mit der Natur nutzen.
So gesehen ist Markus Strauß nicht der erste, der sich mit der menschlichen Fehlentwickung beschäftigt, aber er bringt den Ist-Zustand übersichtlich auf den Punkt und teilt die Lösungen in gut verständliche, handhabbare Schwerpunkt-Kapitel ein.
Falsche Ernährung gehört ebenso dazu wie der unvorstellbare Raubbau an der Natur, Tieruälerei, vergiftetes Wasser, Geschlechterkampf, Kinderdressur statt Erziehung, unannatürliche Lebensrhythmen, ein Leben zwischen Faulheit und Fitnesswahn, ein zerstörerisches Geldsystem und asoziale gesellschaftliche Erscheinungen.
Der Geograf, Biologe und Wildpflanzen-Experte nimmt wahrlich kein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht, den Irrsinn unserer Zeit aufzuzeigen. Und ich finde, man kann es nicht drastisch genug ausdrücken: wenn wir ohne Umdenken weiter machen wie bisher, ist das Ende unserer Spezies absehbar. Zumindest lassen Totalitarismus und Transhumanismus jetzt schon laut und deutlich grüßen.
Bei aller Dramatik hat Markus Strauß auch eine gute Nachricht: es ist 5 vor Paradies, wenn wir sofort handeln und lang erprobtes Wissen nutzen. Sein Ausgangspunkt: der ursprüngliche Naturzustand des Menschen. Ich hör schon eine Bekannte jammern: „Wir können nicht zurück. Und ja, sie hat Recht: in Höhlen wollen wir sicher nicht mehr wohnen, auch wenn das einen ganz eigenen Reiz haben soll, wie viele Aussteiger versichern.
Aber wir müssen auch nicht zurück in die Höhle, um im Einklang mit der Natur zu leben! In 13 Kapiteln analysiert der Autor den Ist-Zustand, macht Ursachen deutlich und liefert am Ende jedes Kapitels einfache, umsetzbare Lösungsansätze und Handlungsempfehlungen – so philosophisch wie nötig und so konkret wie möglich.
Strauß empfiehlt Kursänderungen, mit denen wir wieder zu naturbelassenen Lebensmitteln, sauberem Trinkwasser, lebendigen Böden und intakter Umwelt, zu echter Tierliebe, einer erfüllten Kindheit, zu tatsächlicher Gleichberechtigung, zur Freude an Bewegung, zu natürlichen Rhythmen und echter Lebenszeit, einer sozialen Gesellschaft und zu einem Geldsystem kommen, das allen nutzt und nicht nur einigen wenigen.
Auch wenn es vielen banal erscheinen mag: „Artgerecht“ ist tatsächlich ein effektiver, komprimierter Ratgeber für eine machbare natürliche (R)Evolution, die uns zu mehr Freiheit, Souveränität und Selbstständigkeit und damit zu mehr Gesundheit, Lebensfreude und Lebensqualität bringt.
Ich mag den Begriff Revolution nicht so gerne, denn im Grunde braucht es für ein erfülltes und natürliches Leben keine – womöglich gewaltsamen – Umwälzungen im eigentlichen Sinne, sondern einfach mehr bewusstes Handeln und Rückbesinnung auf erprobtes Wissen.
Wir brauchen meist nicht einmal zu kämpfen – „präsent sein genügt völlig“, konstatiert Strauß zu Recht und entlarvt sowohl das Teile-und-herrsche-Pinzip als auch Darwins lange falsch interpretierten Grundsatz vom „survival of the fittest“.
Die zentrale Frage lautet also: brauchen wir wirklich noch mehr Leidensdruck, um den nächsten Entwicklungsschritt vom Homo Sapiens zum Homo Integer zu schaffen? Denn darum gehts in den kommenden Jahren entscheidend: sich selbst und Informationen radikal ehrlich zu reflektieren und integer zu handeln.
Oder wie Markus Strauß es formuliert: „Meiner Einschätzung nach geht es nun für uns alle darum zu lernen, eigenverantwortlich zu handeln. Was im Außen abläuft ist perfide, keine Frage. Andererseits zwingt uns ja niemand dazu, Dinge zu essen oder zu tun, die uns krank machen.
Wir sind heute aufgerufen, unserer Unmündigkeit zu entwachsen. Statt nach dem Vater Staat zu rufen, gilt es nun, selbst Verantwortung zu übernehmen und aktiv zu werden.“
Seid Ihr bereit für den nächsten Schritt in Richtung Paradies? Dieses Buch ist ein hilfreicher Wegweiser!
Dr. Markus Strauß „Artgerecht. 13 Thesen zur Zukunft des Homo Sapiens“, 320 Seiten, Hardcover, 24 Euro, Kosmos Verlag