Armes Deutschland – Gedanken zum 1. Mai

Ein Kommentar zur schleichenden Verarmung in einem der wirtschaftlich stärksten Länder Europas.

Die Zahl armer oder von Armut bedrohter Menschen in Deutschland nimmt seit Jahren zu. Die Frage stellt sich, wie viel Armut wollen und dürfen wir uns eigentlich leisten, ohne den sozialen Frieden zu gefährden? Diese provokante Frage verdeutlicht, dass materielle Armut im Wohlfahrtsstaat Deutschland nach der Veröffentlichung des letzten Armutsberichts aktueller denn je ist. Trotz Verschleierung und Streichung jener Passagen im Armutsbericht durch den Regierungs-Koalitionspartner FDP, welcher dokumentiert hätte, dass Armut in Deutschland überproportional zugenommen hat.

Armes Deutschland – Gedanken zum 1. Mai

Haben wir seit damals die “wahre Demokratie” erkämpft oder driften wir ab in Sozialrassismus? Plakat 1.Mail 1946 (ÖTV)

Massiver Abbau von Sozialleistungen und die “Agenda 2010″ einer neoliberalen Politik, hat die Lebenssituation sozial schwacher Menschen weiter massiv verschlechtert.
Gerade Jugendliche und ältere Menschen sind im Verhältnis erheblich stärker von prekärer Beschäftigung und der daraus resultierenden Armut betroffen. Sie können vielfach mit ihrer Arbeit kein Einkommen erzielen, welches die Armutsgrenze übertrifft. Es können dort nur geringe Beitragszahlungen zur Rentenversicherung geleistet werden, die weit unter dem liegem was nötig wäre, um im Alter eine auskömmliche Rente zu erzielen. “Prekären Beschäftigung” muss daher abgeschafft, und allen Menschen der Zugang zu guter und gerecht entlohnter Arbeit ermöglicht werden.
Es gibt eine zunehmende Tendenz (nicht nur) in unserem Staat, sich darauf zu verlassen, dass die ureigensten Aufgaben eines Sozialstaats von privaten Initiativen wie Caritas und Tafeln geleistet werden. Den schleichenden Rückzug der Politik aus der sozialen Verantwortung nimmt ständig zu und im Gegenzug fehlen die notwendigen Mittel und Strukturen, um diesem Trend entgegen zu wirken.
Private Initiativen dürften nicht als Ausputzer für staatliche Defizite dienen, die Bedingungen müssen im Rahmen der Fürsorgepflicht vom Staat geschaffen werden. Armut ist langfristig nur durch einen Umbau der sozialen Sicherungssysteme wirksam zu bekämpfen. Im Sinne eines wirksamen Schutzes vor Armut auch in Phasen ohne Erwerbstätigkeit fordern Sozialverbände schon seit vielen Jahren die Einführung eines Grundeinkommens für sozial schwache und benachteiligte Menschen.

Die Würde des Menschen im Sozialstaat

Wilfried Schmickler spricht mir aus der Seele, wenn sagt: “Es kann doch nicht wahr sein, dass wir 7.3 Millionen Niedriglöhner haben, 7 Millionen Hartz4-Empfänger, davon 2 Millionen Kinder und Jugendliche… dass ein Staat, der sich Sozialstaat nennt, seine wichtigsten Mitarbeiter, die Kranken- und Altenpfleger, Sozialarbeiter und Streetworker und Kindergärnter so erbärmlich bezahlt, das diese Leute noch nicht mal ordentlich in Urlaub fahren können – das kann doch alles gar nicht wahr sein…” (Siehe Video: Minute 2:47-4:32)


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Wieder einmal muss im politischen Kabarett das ausgesprochen werden, was man gerne aus dem Munde eines Bundespräsidenten gehört hätte, einem Mahner für Menschenwürde, der unseren Staat nach innen und außen repräsentiert.

Der Gedanke, Tafeln wieder abzuschaffen, liegt dann besonders nahe, wenn es darum geht, der Menschenwürde gerecht zu werden. Hier muss sich der Staat seiner Verantwortung stellen. Ein Abschieben der Armut auf die Sozialverbände entspricht nicht dem Wesen eines Sozialstaates. Es muss in einer Gesellschaft möglich sein, durch strukturelle Maßnahmen die Spaltung in Gewinner und Verlierer zu vermeiden.

Eine Gesellschaft muss sich die Frage gefallen lassen, ob sie einen weiter fortschreitenden Sozialrassismus duldet oder eher einen gleichberechtigten sozialen Frieden ermöglichen will, welcher durchaus keine Utopie ist, sondern sich mit den dringend erforderlichen Maßnahmen real verwirklichen lässt. Dazu bedarf es eines Umdenkens in unserer Gesellschaft, was auch viel mit Abgeben und Verzichten zu tun hat. Einer Spaltung in Superreiche auf der einen und Almosenempfängern auf der anderen Seite darf es in einem zivilisierten Staat nicht geben.


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