Are you a Catholic... ?

Are you a Catholic... ?
Ich bin nie gerne ein Kirchgänger gewesen; habe mich zutiefst unwohl gefühlt in diesen kalten katholischen Gemäuern, in denen alte humorlose Pastoren ihre einstudierten, dogmatischen Rituale fast nur noch vor alten, angst gesteuerten Sündern zelebrieren müssen.
Diese wollen partout nicht in die Hölle und nun, kurz vor "Schluss mit Lustig" und "Aus die (Kirchen)-Maus", reinigen sie sich mittels emsiger Gebeterei und anschließendem Beichtstuhl-Hopping noch schnell die verschmutzte Seele um danach erleichtert den katholischen Super-last-Minute-Freifahrtschein zum ewigen Frohlocken ins Himmelreich entgegenzunehmen zu können.
Eine Stunde und zwanzig Minuten dauerte die Messe meiner Jugendzeit, gerne in Latein gehalten, welches die Langeweile noch langweiliger macht. Abwechselnd Stehen, knien, sitzen usw., aber mein größter Schrecken war der Weihrauch, der mir die sonntägliche Luft zum Atmen nimmt.
Ich muss 10 oder 11 Jahre alt gewesen sein, als man mich abschob aus meinem Jesus freien luxemburgischen Elternhaus, in welchem gegen die CSV (Chreschlech Sozial Vollekspartei) gelästert wurde, wo man die Pfaffen hasste und die Liberalen, die DP (Demokratesch Partei) wählte.
Ausgerechnet in ein katholisches Internat, zu diesen altruistischen, übriggebliebenen Nonnen steckte man mich, wo ich dann zwei Jahre lang katholisch indoktriniert und in der internatseigenen Kapelle tagtäglich gegen Weihrauch und Übelkeit ankämpfen durfte.
Ein altersschwacher und zittriger Pastorengreis, schon längst jenseits von "lasst die Kinder bei mir kommen", verabreichte ungefähr 70 Schuljungen und einer Handvoll Nonnen die tägliche "Schuld und Sühne" Auffrischungsimpfung.
Die größte Demütigung dieser 2 Jahre allerdings, war die Einladung zur heiligen Kommunion, die ich an meine Eltern schreiben musste. Dies natürlich nicht in meinen Worten, sondern mit denen, die die Nonne vorgab.
Ich wusste natürlich, wie solche Sätze wie "ich werde Jesus in mein Herz lassen" oder "Betet für mich" zu Hause aufgenommen werden würde. Deswegen schämte ich mich, war mir doch die Liebe des Stiefvaters wichtiger als die eines fernen Heilands.
Aber die Nonnen hatten ein Einsehen, sie nahmen mich für das dritte Jahr nicht mehr auf, ich kotzte Ihnen wohl zu oft in die Kapelle. Schlimmer noch war das Bettnässen, denn mein Unterbewusstsein zahlte es Ihnen heim, es verging fast keine Nacht in denen ich nicht mein Bett im Schlafsaal vollpisste.
Ich durfte nach Hause, aber der Schaden war da, ich war katholischer als ich es je sein wollte.
Dreieinhalb Jahrzehnte später nun, nicht gerade ein glückliches, erfolgreiches Leben geführt, nie geheiratet, keine Kinder gezeugt, aber doch ein Leben was man wohl als ereignisreich beschreiben kann.
Die letzten fünf Jahre durch Asien und Ostafrika gereist, auf der Suche nach diesem magischen Ort, da wo man bleiben möchte um glücklich zu sein und wo alles gut sein würde.
"Are you a Catholic?", fragt Binh, und es war wohl die schlechteste Frage um mit mir ins Gespräch zu kommen. Aber als alternder, übergewichtiger und haarloser Endvierziger muss man froh sein von jüngeren attraktiven Frauen überhaupt was gefragt zu werden, welches nichts mit Geld zu tun hat...
"Yes, I am" , sage ich und wir halten Smalltalk im Schatten dieser architektonisch wundervollen katholischen Kirche hier in Nha Trang, erbaut im Pagodenstil mit ihren buddhistischen Elementen.
Are you a Catholic... ?
 Eigentlich will ich ja nicht in die Messe, aber wir treten zusammen ein. Hier in Vietnam sind die Kirchen proppenvoll und dies nicht nur an den Sonntagen. Jede Altersgruppe ist vertreten, ich bin der einzige Ausländer.
Ungefähr 20 Prozent der Vietnamesen bekennen sich zum Christentum. Eine Minderheit die es noch immer schwer hat unter den Kommun-und Buddhisten und man merkt den Gläubigen an wie ernst Ihnen das Praktizieren Ihres Glauben ist.
Der Pastor, hier "Father" genannt ist in meinem Alter. Die üblichen katholischen Rituale wie bei uns, Gott sei Dank (oder Buddha sei Dank?) gibt es keinen Weihrauchkessel der infernalisch hin und her geschwungen wird, sondern nur ein paar Räucherkerzen die der Father, genauso wie in einer buddhistischen Pagode üblich, nach  dreimaligen Verbeugungen auf den Altar steckt.
Die Messe wird  auf Vietnamesisch gehalten, das ist noch schwerer zu verstehen als Latein. Ich verstehe nur ein Wort, welches "Amen" ist.
Die Messe geht eine knappe Stunde, das ist kurzweilig und ich gehe zur Kommunion. Der Father schaut mich ernst an, lächelt und sagt dann seinen ersten nicht-vietnamesischen Satz dieser Stunde: "The Body of Christ", als er mir die Hostie in die Hand legt.
Ich muss zugeben, ich bin ein bisschen gerührt und danach fühle ich  mich sehr wohl an diesem Ort zu sein, er kommt mir magisch vor, welches mich wirklich erstaunt, denn diese Erfahrung hätte ich mir niemals in einer katholischen Kirche  zu erwarten gewagt.
Ich knie zufrieden neben Binh auf meinen matatugeschädigten Knien und beobachte verstohlen die anderen wie sie konzentriert den Ausführungen des Fathers lauschen. Auch ein paar Nonnen sind da, sie sind jung und wirken überhaupt nicht übrig geblieben, auch scheint dieser typisch vatikanisch-überhebliche "Ich bin Gott näher als Ihr Gesichtsausdruck" hier unüblich zu sein.
Kinder laufen hin und her, ein tiefer Bass im Chor auf der Empore singt falsch, die jungen Messdienerinnen kommen kaum nach die zahlreichen Ventilatoren anzustellen und neu auszurichten, damit der Father nicht ins Schwitzen kommt.
Nein, hier gibt es keine Pfaffen, hier praktizieren Menschen Ihren Glauben. Man ist arm, der Alltag ist schwierig und man sucht Hilfe und Beistand. So einfach ist das. Ich fühle mich tolerant wie ich schon lange nicht mehr, ich könnte glatt Mitglied in der DP und ein Liberaler sein.
Damals wussten wir es natürlich noch nicht, aber das wird die Kirche sein, in der Binh und ich heiraten werden.

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