Sebastian Lauff hat für sein Online-Magazin Archimag wieder ein interessantes Interview geführt. Dieses Mal stand der Architekturfotograf Bernhard Marks Rede und Antwort. Der ausgebildete Maschinenbau-Ingenieur ist autodidaktisch zur Fotografie gekommen und konzentriert sich heute, nachdem er zwischenzeitlich verschiedene fotografische Gebiete ausprobiert hatte, auf die Architektur. Neben Auftragsarbeiten nimmt er sich Zeit für freie Fotoprojekte.
Das Interview
Frage 1: Herr Marks, steigen wir direkt ein. Was war das letzte Foto, das Sie gemacht haben?
_Berhard Marks [bm]: Mein letztes Foto war ausnahmsweise kein Architekturfoto, sondern ein Sportfoto. Ich habe Fußballfotos bei der Fieldsoccer Tour 2012 in Düsseldorf gemacht. Das ist ein Kleinfeld-Fußball-Turnier für Architekten. Ich bin zwar auf hochwertige Architekturfotografie spezialisiert, habe aber meine Fotografenlaufbahn mit Sport-, Event und Bühnenfotografie (z.B. Tanztheater Pina Bausch) begonnen. Ich bin also auch in der Lage, Dinge zu fotografieren, die sich etwas schneller bewegen als ein Haus. Mein letztes Architektur-Foto (Fotoserie) war eine Aufnahme einer Straßenszene auf Mallorca. Neben der eigentlichen Architekturfotografie, in der es um die Architektur geht, fotografiere ich in meinen freien Projekten auch Architektur im Kontext. So entstehen Serien von Lebens- bzw. Wohnsituationen, z.B. Eigenheime oder Wohnblocks.
Frage 2: Wie sind Sie zur Fotografie und speziell zur Architekturfotografie gekommen?
_bm: Fotograf zu sein, bedeutet (für mich) eine ständige Weiterentwicklung. Ich habe verschiedene fotografische Gebiete „ausprobiert“ (Event, Portrait, Mode, Stills) und z.B. auch einem Werbefotografen (für Stills) assistiert. Diese Erfahrungen kann ich jetzt beim Fotografieren von Interieurs, Möbeln, Küchendesign einsetzen. Letztendlich hat sich für mich aber die Architekturfotografie als Favorit herauskristallisiert, weil sie meiner Art zu fotografieren sehr entgegen kommt und ich leidenschaftlich gerne Architektur fotografiere. Zudem habe ich durch mein Ingenieurstudium (Maschinenbau, Konstruktionstechnik) auch eine gewisse Affinität zur Architektur.
Frage 3: Welches Gebäude möchten Sie auf jeden Fall noch ablichten?
_bm: Den neuen Bahnhof in Stuttgart würde ich sehr gerne fotografieren. Ich bin schon gespannt, welches Licht sich im Inneren durch die Lichtkuppeln ergeben wird. Natürlich möchte ich bis dahin noch viele andere Projekte fotografieren und auch weiter an meinen künstlerischen Serien arbeiten.
Frage 4: Gibt es einen Kundenkreis bei den Architekten, der noch nicht erschlossen ist? Und wenn ja, warum ist das Ihrer Meinung nach so?
_bm: Dieser Kundenkreis schließt jeden Architekten ein, dem mein fotografischer Stil gefällt und der gerne seine Werke in diesem fotografiert sehen möchte. Genannte Zielgruppe ist naturgegeben relativ klein, da sich nur wenige Architekturbüros einen guten Architekturfotografen leisten können oder wollen. Abgesehen davon haben viele ihre(n) Stammfotografen. Der Vorteil derer, die mich engagieren, ist, dass nicht viele ihre Werke in meinem Stil fotografiert bekommen. Das gilt natürlich auch für Werbeagenturen oder Unternehmen, die meine Art Fotografie einsetzen möchten.
Frage 5: Wie sieht Ihre typische Ausrüstung aus?
_bm: Meine Grundausrüstung besteht aus einer Highend-Digitalkamera mit großem Sensor, speziellen Objektiven und Stativ. Die Objektive sind für hochwertige Architekturfotografie konstruiert. Ich bevorzuge den Workflow damit und die Objektive bieten die zurzeit bestmögliche Bildqualität. An dieser Stelle mein Tipp an Amateurfotografen: Wenn möglich, immer ein Stativ verwenden. Die Bilder werden sofort eine Klasse besser.
Frage 6: Analog oder Digital?
_bm: Ich fotografiere ausschließlich digital. Gründe sind, wie bereits erwähnt, der Workflow, die Bildqualität durch die auf Digitalfotografie abgestimmten Weitwinkelobjektive und auch die schwindende Möglichkeit, Filme und Labors für Analogfotografie zu finden.
Frage 7: Architektur und Musik werden Paralellen nachgesagt. Hören Sie beim fotografieren oder nachbearbeiten Musik und wenn ja welche?
_bm: Parallelen zwischen Musik und Fotografie gibt es sicherlich. Das erkennt man schon an Begriffen wie Bildkomposition oder Klangbild. Die Art, Fotografie und Musik zu genießen, ähnelt sich zudem. Das gilt allerdings nicht für jede Fotografie. Oft ist Architekturfotografie nur eine nüchterne Darstellung der Architektur. Dem durchschnittlichen Architekten reicht das meistens. Er sieht ja sein Werk und weiß, was dahinter steckt. Ich erreiche mit meiner Architekturfotografie aber noch zusätzlich einen Sehgenuss, der über die Faszination an der abgebildeten Architektur hinausgeht. So wie man ein Musikstück genießen kann, ohne zu wissen, worum es geht, so kann man meine Fotografie auch genießen, ohne eine Ahnung von Architektur haben zu müssen. Man könnte Fotografie auch mit Essen vergleichen. Ich finde, ein Bild muss „lecker“ sein. Genauso wie Essen nicht einfach nur satt machen sollte, sondern auch schmecken. Wenn ich draußen fotografiere, höre ich keine Musik, beim Arbeiten am Rechner schon. Ich mag Musik, bei der verschiedene Musikstile zusammenkommen: Jazz, Soul, Blues, Pop.
Frage 8: Wie stark bearbeiten Sie Ihre Fotos nach?
_bm: Bei reiner Architekturfotografie manipuliere ich sehr wenig bis gar nicht. Allerdings verbringe ich viel Zeit mit der Bildnachbearbeitung am Rechner. Die Rohdaten müssen entwickelt und optimiert werden. Sie erhalten dadurch erst meine persönliche Note bzw. Anmutung. Es gibt aber auch Projekte, bei denen ich die Bilder mittels Software neu komponiere. Grundsätzlich zieht bei meiner Arbeitsweise jede Stunde Fotografieren ca. eine Stunde am Rechner nach sich.
Frage 9: Lassen Sie mich nochmals auf das oben gezeigte Bild “Straßenszene Mallorca” zurückkommen. Dieses Bild mutet als erstes nicht wir eine klassische Architekturfotografie an. Was war Ihre Intension bei diesem Bild?
_bm: Dieses Bild gehört zu meinen freien Projekten, bei denen die Architektur nicht das Hauptthema ist. Man sagt, Architektur sei ein Spiegel der kulturellen Identität einer Gesellschaft. Ich fotografiere also Menschen, bzw. die Gesellschaft, ohne die Menschen zu fotografieren. Welche Architektur wird für welche Gesellschaftsschicht verwendet? Wie sieht ein Eigenheim in Spanien aus, wie in Deutschland? Trotz aller Diversität erkennt man (ich), daß die Grundbedürfnisse aller Menschen die gleichen sind. Das Bedürfnis “Schutzhöhle” ist hier nur stellvertretend für die anderen Urbedürfnisse, die alle Menschen auf der Welt eint. Wie gestaltet der Mensch seine Umwelt? Wieviel Natur läßt er zu? Architektur zum ursprünglichen Zweck ist ja die Abgrenzung von der Natur. Welche Strukturen ergeben sich, wenn der Mensch eingreift?
Wahrnehmung – Man nimmt viele Bilder wahr. Die meisten vergißt man und dennoch hinterlassen sie einen Eindruck, ein Gefühl. Man sagt z.B. ” War das schön letztes Jahr in Frankreich.” Man erinnert sich nicht mehr an alle Bilder, weiß aber noch, daß es schön war. Solche Bilder fotografiere ich. Ein Tourist fotografiert die Sehenswürdigkeiten, an die man sich ohnehin erinnert. Aus meiner Sicht ist das sinnlos. Der Kölner Dom macht für mich nicht das Gefühl “Heimat” aus. Das machen die Hausecken und Straßenszenen, an denen man achtlos vorbeigeht.
Das sind einige Aspekte, die mich zu meinen freien Projekten bewegen. Als Autodidakt habe ich keine Kunstschule besucht, was Vor– und Nachteile hat. Ein Vorteil ist, daß ich keine Vorgaben erfüllen muß, damit eine Serie von einem Kunstexperten als gelungene künstlerische Serie eingestuft wird. Man hat z.B. den Eindruck, dass bei künstlerischer Architekturfotografie der Himmel auf den Bildern zwingend in einem einheitlichen Grau dargestellt werden muß. Es gab auch eine Zeit, in der nur Schwarzweißfotografie als Kunst galt. An solche Vorgaben halte ich mich nicht. Dadurch sind meine freien Arbeiten wirklich frei. Ein wenig von dieser Freiheit nehme ich aber auch mit in meine Architekturfotografie.
Frage 10: Können Sie mir, unter uns ;), die Einstellungen Ihrer Kamera bei der Aufnahme verraten?
_bm: Kameraeinstellung: f 11 | 1/60 sec. | ISO 100 | Zeit: ca. 13:30
Frage 11: Strahlender Sonnenschein, wie in diesem Bild, ist ja nicht immer der Freund eines Fotografen. Wie sehr achten Sie auf die Wetterbedingenen und Tageszeiten? Ist ihnen ein bewölkter Tag oder die blaue Stunde lieber oder nehmen Sie es wie es kommt?
_bm: Um meinen Fotos ihren besonderen Look zu verleihen, ist das Licht entscheidend. Folglich achte ich sehr genau auf Tageszeit, Wetter usw. Ein bevorzugtes Licht habe ich nicht. Es kommt immer darauf an, welches Licht und Wetter ich brauche, um mein Ziel zu erreichen. Ich bevorzuge meistens einen einheitlichen Himmel, nur blau oder nur grau oder schwarz (nachts). Dann lenkt der Himmel nicht vom Motiv ab und die Bilder wirken sauber, aufgeräumt, grafisch, plakativ.
Frage 12: Im Bild Meerblick sieht man das gleiche Gebäude wie in der Straßenszene. Welches Bild/welche Bildidee ist zuerst entstanden? Sind die in den Weg hineingezogen worden?
_bm: Ich habe mir die Location angeschaut und mich für diese beiden Einstellungen entschieden. Die Reihenfolge der Aufnahmen hätte auch anders sein können.
Frage 13: Sie haben zwei Architekturbildserien auf Ihrer Homepage, die das Alltägliche, ja banale darstellen. Kennen Sie das Buch “Ganz Gut – Quite Good Houses Vol. 1“? Was fasziniert, Ihrer Meinung nach, am Alltäglichen?
_bm: Das Buch kannte ich noch nicht.Meine fotografischen Themen bringen es mit sich, daß das Alltägliche abgebildet wird. Es ist aber nicht mein Thema. Ich habe kein vordergründiges Interesse am Alltäglichen. Jeder Fotograf hat seine eigene Sicht und seine Themen, die ihn anziehen. Vielleicht hat das etwas mit dem Fotografen selbst zu tun. Und dennoch ist es für mich interessant zu sehen, dass es auch Parallelen zu anderen Fotografen, bzw. Malern gibt. Bei meiner künstlerischen Fotografie sehe ich Parallelen z.B. zu Todd Hido, Stephen Shore und Edward Hopper. Was die reine Architekturfotografie betrifft, mag ich die Arbeiten von Rainer Viertlböck. Grundsätzlich möchte ich nicht in eine Schublade gesteckt werden, ob Kunst- oder Architekturfotograf. Ich bin Fotograf mit Schwerpunkt Architektur.
Danke für das Interview Herr Marks.
_bm: Sehr gerne. Das Bild rheinauhafencity ist übrigens, wie der Name schon sagt, aus meinem Bildband “RheinauHafencity”. Infos findet man auf meiner Homepage.
- Archimag-Interview mit Bernhard Marks (mit Bildstrecke)
- Website des (Architektur-)fotografen Bernhard Marks
Vielen Dank an Sebastian Lauff für die Erlaubnis, den Interviewtext hier wiedergeben zu dürfen!