Arbeitsrecht in Einrichtungen der Kirchen ist verfassungswidrig

WEIMAR. (fgw) Nach einer wei­sen Praxis von Juristen und auch ande­rer Menschen mit Verstand erleich­tert ein Blick ins Gesetz die Rechtsfindung. Demnach darf nie­mand wegen sei­nes Geschlechtes, sei­ner Abstammung, sei­ner Rasse, sei­ner Sprache, sei­ner Heimat und Herkunft, sei­nes Glaubens, sei­ner reli­giö­sen oder poli­ti­schen Anschauungen benach­tei­ligt oder bevor­zugt wer­den (Grundrecht nach Art.3.3 GG). Diese Maxime beherrscht unab­ding­bar unser demo­kra­ti­sches Verständnis und Handeln.

von Georg Korfmacher

Die täg­li­che Wirklichkeit stellt sich gegen­über die­sem heh­ren Grundsatz eher jäm­mer­lich dar. Während die Mehrheit der Arbeitnehmer in Deutschland den Vorteil des Schutzes des Betriebsverfassungsgesetzes geniesst, um sich in dem kom­ple­xen Beziehungsgeflecht zwi­schen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu ori­en­tie­ren und sicher zu füh­len, steht eine sehr grosse Zahl von Arbeitnehmern amts­kirch­li­cher Einrichtungen im Regen.

Entgegen jedem demo­kra­ti­schen Verständnis und dem Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz (GG Art.3.1) unter­lie­gen Arbeitnehmer die­ser Einrichtungen und Unternehmen beson­de­ren Regeln, sind vor dem Gesetz also nicht gleich. So z.B. in Sachen Streikrecht. Das viel­stra­pa­zierte Selbstordnungsrecht nach Art. 137 der WRV sagt in Abs. (3):„Jede Religionsgesellschaft ord­net und ver­wal­tet ihre Angelegenheiten selb­stän­dig inner­halb der Schranken des für alle gel­ten­den Gesetzes.” Diese Regelung ist in unser GG durch Art. 140 über­ge­nom­men wor­den. Hierbei dach­ten die Verfassungsväter aber rein kirch­li­che Belange, also an den Klerus, an die vom Staat unab­hän­gige Bestellung und Entlassung oder Besoldung von Pfarrern, Bischöfen usw. Es ging nicht um Einrichtungen und Unternehmen, die sich im Eigentum der Amtskirchen befan­den (und befin­den), die auch mit ande­ren Einrichtungen und Unternehmen kon­kur­rie­ren.

Also müss­ten sich die amts-kirchlichen Einrichtungen eigent­lich an die „Schranken” des gel­ten­den Gesetzes hal­ten. Arrogant und in der Über­zeu­gung, die Wahrheit gepach­tet zu haben, set­zen sie sich aber selbst­herr­lich über Art. 9 Abs. 3 GG (auch Art. 2 Abs. 1 GG) hin­weg, in dem – im Einklang mit dem BVerfG – das Streikrecht ver­an­kert ist. Wie ist so etwas in einer Demokratie über­haupt mög­lich?

Beflissene Advokaten wer­den sofort eine Vielfalt von ver­trag­li­chen Regelungen zwi­schen Staat und Amtskirchen anzie­hen, um die Rechtmässigkeit die­ses Kuriosums zu ver­tei­di­gen. Dabei über­se­hen sie geflis­sent­lich, dass nicht rech­tens sein muss, was juris­tisch schein­bar „sau­ber” gere­gelt ist. Hier geht es nicht um juris­ti­sche Spitzfindigkeiten oder dok­tri­nä­rer Vorstellungen, son­dern um die Abbildung unse­rer gesell­schaft­li­chen und gesetz­li­chen Wirklichkeit.

Ein Arbeitnehmer (die Rede hier ist nicht vom Klerus oder ande­ren inner­kirch­li­chen Amtsträgern, die sich ja auch nicht als Arbeitnehmer ver­ste­hen) möchte Entgelt bekom­men für das, was er kann und leis­tet, und nicht für das, was er sonst noch an Phantasien im Kopf hat. Und dem Arbeitnehmer ist dabei egal, ob sein Arbeitgeber der Staat, die Kommune, eine Organisation, ein Privatunternehmer oder eben eine Kirche.

Alles andere wäre auch aus Sicht eines Arbeitgebers absurd! Man stellt eine Buchhalterin ja wegen ihrer Qualifikation ein und nicht wegen ihrer Einstellung, ob sie zu ver­bu­chende Summen katho­lisch oder evan­ge­lisch oder nicht­re­li­giös sieht. Und wenn es einen Bruch oder eine Situation, wel­cher Art auch immer, in ihrem Leben gibt, hat das mit ihrer beruf­li­chen Qualifikation meis­tens abso­lut nichts zu tun.

Deutsche Gerichte tas­ten hier noch suchend herum, berück­sich­ti­gen aber neu­er­dings zöger­lich die Interessen der Arbeitnehmer in der Befürchtung, dass sonst der EuGMR in Strasbourg bei Anrufung ihre Urteile kas­siert, weil Menschenrechte vor Kirchenrecht gehen. Man kann in Arbeitsverträge zwar hin­ein­schrei­ben, was man will, im Streitfall kommt es aber dar­auf an, was vor Gericht und EuGMR durch­setz­bar ist.

Grundsätzlich darf es in unse­rer Demokratie nicht zuläs­sig sein, dass es für im Wesen glei­che Arbeit unter­schied­li­che Arbeitsrechte gibt. Hier han­delt sich um ein beson­ders skur­ri­les und dis­kri­mi­nie­ren­des Privileg der Amtskirchen. Vor „Gott” (und vor allem dem Gesetz!) soll­ten doch alle Menschen gleich sein und auch gleich zu behan­deln. Das kirch­li­che Sonder-Arbeitsrecht der Amtskirchen muss also ein­deu­tig als anti-demokratisches Privileg weg! Es ist in zahl­rei­chen Ausprägungen ekla­tant ver­fas­sungs­wid­rig.

[Erstveröffentlichung: Freigeist Weimar]


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