Willkommen zum dritten Teil meiner Blogpostreihe.
Nach der Einführung und einer kleinen Meditation darüber, welche Risiken die Suche nach Anerkennung in der vernetzten Welt des Internets bringt, kommen wir nur zu den harten Fakten. Warum zum Teufel sollte man mit der Teilnahme an einer Castingshow oder via digitalen Medien versuchen, berühmt zu werden? Was spricht dafür, was dagegen?
Dafür spricht:
Der nächste Teil wird etwas einfacher von den Argumenten her - viel Spaß dann bei Fankult 2.0 - Du bist ein Star, beachte mich gefälligst!
Nach der Einführung und einer kleinen Meditation darüber, welche Risiken die Suche nach Anerkennung in der vernetzten Welt des Internets bringt, kommen wir nur zu den harten Fakten. Warum zum Teufel sollte man mit der Teilnahme an einer Castingshow oder via digitalen Medien versuchen, berühmt zu werden? Was spricht dafür, was dagegen?
Dafür spricht:
- Als allererstes bekommt man nach und nach immer mehr positives Feedback, Anerkennung und Bestätigung. (Wobei ich natürlich schon im letzten Teil persönlich für mich festgestellt habe, dass es mir zu wenig ist, 20x "Du bist so hübsch + toll" zu lesen, wenn ich einen ernsten Vlog zum Thema Tierversuche drehe.)
- Durch die positive Bestätigung kann das eigene Selbstbewusstsein wachsen.
- Durch das Erstellen von Texten, Bearbeiten von Bildern und Schneiden von Videos lernt man natürlich auch den Umgang mit digitalen Medien.
- Man findet eine Community und spürt durch die gleichen Interessen so etwas wie Dazugehörigkeit und kann neue Kontakte und Freundschaften sprechen und Insiderwissen austauschen.
- Hat man erst einmal einen Namen in der digitalen Medienwelt, hat man auch die Möglichkeit, sich für sein Herzblutanliegen wie Fair Trade, tierversuchsfreie Kosmetik, gegen die Pelzindustrie zu sein, Feminismus etc. stark zu machen.
- Man selbst kann Raum für konstruktive Diskussionen zu den verschiedensten Thematiken liefern.
- Die Arbeit im Internet ist immer auch ein öffentliches Networking. Sofern man keine Agentur oder Management hat, dass die Entscheidungen ohne einen trifft oder zumindest ein Mitspracherecht hat, entscheidet man selbst, welche mediale Inhalte und wie viel man von sich preisgibt und wer man sein möchte. Denn machen wir uns nichts vor: Im Internet ist es wie bei einem Schulwechsel - wir können uns komplett neu erfinden und kaum einer bekommt es mit.
- Es besteht die Möglichkeit der Selbstverwirklichung ohne großes Kapital und unabhängig von der Herkunft. Jeder kann irgendwas mit Medien heute machen, dazu muss man nicht auf der Kunstschule Wandsbeck gewesen sein. Ob nun Kunstprojekt, Lyrikvideo oder Gesangseinlagen - im Internet können wir uns nach Herzenslust austoben.
- Natürlich ist Videos zu schneiden oder an einer Castingshow teilzunehmen großer Arbeitsaufwand und mit Stress verbunden. Aber beim vollkommen analogen Theater habe ich als Regieassistenz am Rande der Verzweiflung gelernt: Solche Stresssituationen helfen dabei, über sich hinaus zu wachsen. Am Ende blickt man zurück und ist richtig stolz darauf, dass man so viel geleistet hat. Das ist derselbe Effekt wie bei MTV Made - erst liegst du heulend am Boden, aber am Ende bist du die strahlende Ballkönigin.
- Mediale Inhalte oder Teilnahme an einem Casting ist auch dann eine gute Selbstreflexion durch Begutachten eigener medialer Inhalte. Man kann das als einen konstruktiven Selbstverbesserungsprozess verstehen.
- Letztendlich ist Youtube und alle Castingshows dieser Welt nur eine modernere Form der kurzweiligen und seichten 24/7 Unterhaltung via Video und Mediathek. Oft haben die Inhalte mehr mit Niveaulimbo als mit Qualität zu tun, daher werden immer weitere Grenzen des guten Geschmacks überschritten.
- Da sich der erstellte Inhalt jeglicher Art (Bild/Ton/Text) nach der Veröffentlichung von jedermann vervielfältigen lässt, ist es nicht einfach, Fehltritte zu löschen oder Missverständnisse doppeldeutiger Aussagen aus dem Weg zu räumen. Aufgrund eines Disstracks eines deutschen Rappers hat kürzlich TheRealLiont ziemlich viel Verbaldünnschiss auf Twitter losgelassen. Die Tweets wurden gelöscht und ein "Versteht ihr keine Ironie?"-Tweet geschrieben. Aber da waren schon tausendfach Screenshors erstellt worden, denn auch Follower mögen es nicht, wenn TheRealLiont glaubt, dass es besser ist, Youtubestar zu sein und sinnlos, 10 Jahre studieren zu gehen.
- Bloßstellung, Satire und Verarsche gibt es allerorts und nicht nur im linearen Programm bei Kalkofes Mattscheibe. Im vergangenen Jahr hat Sami Slimani bereits bewiesen, dass er seine Anwälte losschickt, wenn ihn Jan Böhmermann zu Konfetti schießt.
- Den Stempel Youtubestar oder Castingshowteilnehmer wird man wohl nicht mehr los, oder?
- Shitstorms sind jederzeit möglich und sorgen für das Gegenteil von Anerkennung. Die "Stars" (z. B. Britney Spears in ihrer Glatzenphase, aktuell Andreas Kümmert) haben darunter oft sehr psychisch zu leiden. Darf man Menschen denn nicht auch mal Menschen, also fehlbar sein lassen?
- Mit jedem Tweet oder Video kann man bereits seine Karriere in Gefahr bringen.
- Wie soll man sein Privatleben schützen, wenn man allerorts erkannt wird und dann auch immer in der Öffentlichkeit sein Happy Business Face aufsetzen muss, weil das sonst das Image gefährdet?
- Peinlichkeiten oder öffentlich augetragene Konflikte mit anderen können einen eine Ewigkeit lang verfolgen. Ich sag nur: Dschungelcamp!
- Eigentlich sind sowohl YouTube und auch Castingshows eine moderne Form der Freakshow, wie eben vor 150 Jahren die wandelnden Märkte mit den Obskuritätenzelten voller seltsamer Abstaktionen und bärtiger Ladies. Ist es so schön, ein beliebter Freak zu sein, über den man lacht wegen fehlenden Gesangstalents oder schiefen Zähnen, aber nicht über deren Charme und Talent?
- Oberflächliche Beurteilung ist inzwischen der Standard bei Youtube. Da geht es nicht darum, welche Meinung eine Person hat oder welche Soft Skills sie vorweisen kann, sondern die Beurteilung der Zuschauer ist schon oft nach 10 Sekunden "Du bist ja sooo hübsch, weil ..." oder "Du bist echt hässlich, du hast voll den Augenbrauenbusch, hat dein Gärtner grad Urlaub?". So bringt es auch nichts, sich 20 Minuten den Mund über wirklich wichtige Themen wie Vegetariertypen oder Tierversuche innerhalb der EU den Mund fusselig zu reden, da ja meist eher das seichtere an Unterhaltungsvideos für Menschen mit kurzer Aufmerksamkeitsspanne die größere Reichweite haben.
- Wie will man heute denn noch hervorstechen bei all den TAGs, Challenges, 20 Facts, 10 Dingen, die .... und so weiter und so fort. Und wieso ist es eigentlich okay, komplette Videothemen anderer Youtuber zu übernehmen? Besteht nicht die Möglichkeit, einfach sich eine eigene Sparte auszusuchen, wo es noch nicht so viele Beiträge zu gibt? Wo findet man bei Youtube noch echte Innovationen, wenn Leute wie Sami Slimani 1 zu 1 Videos engischsprachiger Youtuber übernimmt?
- Fragen uns wir jetzt einmal ganz elementar: Was ist eigentlich so das Wichtige für uns im Leben? Ist Geld, Anerkennung und ein Starstatus mit allen Vor- und Nachteilen wirklich das, was du in deinem Leben dauerhaft möchtest? Wie weit willst du gehen: Nur als Hobby? Hauptberuflich. Bevor man richtig Kapital, Zeit und Herzblut in so eine Karriere steckt, sollte man alle Senarien und Risiken abwägen.
- Auch die Themenauswahl ist auf Dauer sehr eintönig, da immer den gleichen Trend vordiktiert: Man sollte hübsch und schlank sein, am besten mit langen und gepflegter Wallewallemähne. Gesund essen und alle neusten Esstrends mitzumachen ist natürlich Pflicht - egal, ob einem die armen Tiere leidtun oder nicht, für ein Video kann man sich ja mal 30 Tage vegan ernähren. Modetrends sind auch wichtig, denn keiner will einen modisch eintönigen Youtuber. Heißt: Viel Kleidung zu konsumieren ist auch Pflicht, denn wer kommt auf so doofe Ideen wie Kleidung bei Zalando zu bestellen, sie für Outfitvideos an zuziehen und danach wieder zurückzuschicken? Außerdem braucht man ja die riesen Megahaulvideos für jede Menge Klicks.
- Auf Dauer kann es sehr nerven, denn man wird wirklich für alles kritisiert und ich habe bislang kaum einen Youtuber und wenn, dann nur eine handvoll von den "alten" Hasen getroffen, die auf Kritik eingehen und nicht jede Art des negativen Feedbacks, auch konstruktive Kritik, als Hatertum abstempeln und durch "Du bist doch nur neidisch und laberst voll den Scheiß ey" in 1000 farbenfrohen Variationen, die dann doch immer wieder gleich klingen, jedem Konflikt und jeder Kontroverse versuchen aus dem Weg zu gehen. Meinungen sind nur erwünscht, wenn sie die reinste Bauchpinselei und Arschkriecherei sind.
- Letztendlich ist Youtube seit etwa 2012 auch nur noch eine riesige Materialschlacht um diverse Appleprodukte, Kameras, Richtmikros und Softboxen. Ein gewissen Anfangskapital ist also wohl nötig und kein Erfolg garantiert.
- Freundschaften und andere Beziehungen können den Klicks gut tun. Ist es also auch bei Youtube soweit, dass Pärchen und Freundschaften längst zerbrochen sind, aber für die Fans aufrecht erhalten werden müssen? Und was ist die für die einzelnen Parteien das für ein Gefühl, bei dieser Maskerade mitzumachen?
Der nächste Teil wird etwas einfacher von den Argumenten her - viel Spaß dann bei Fankult 2.0 - Du bist ein Star, beachte mich gefälligst!