Am liebsten hätte er nicht hingesehen
Er ist zufrieden und sitzt wohlig warm
Vor dem Fernseher, das Töchterchen im Arm,
Plötzlich hört er einen schrillen Schrei,
Besorgt eilt Inge, seine Frau, herbei:
„Wo kam das her, dieses Schreien?“
„Es wird aus dem Fernseher gekommen sein!
Ich bringe jetzt die Kleine ins Bett,
Und dann machen wir es uns so richtig nett!“
Als er am Bett des Töchterchens steht,
Hört er, dass das Schreien weitergeht.
Er gibt ihr ein Küsschen und sagt ihr im Gehn:
„Träume schön, ich werd den Fernseher leiser drehn,
Jetzt schließ die Augen. Gute Nacht!“
Ganz leise er die Tür zumacht.
Das Schreien unterdessen hat aufgehört.
Endlich, denkt er, ist man ungestört.
„Endlich ruhig!“, sagt Inge, „Gott sei Dank!
Und Karin übernachtet heut bei Frank!“
Ja, und die Kleine schläft, endlich allein.
Komm, lass uns etwas gemütlich sein!“
Später, als sie ein Wimmern hören,
Lassen sie sich davon nicht mehr stören.
Am Fernseher drehen sie die Lautstärke rauf,
Da hört das Wimmern auch schon auf.
Am Morgen dann, er wollte zur Arbeit gehn,
Hat er, am liebsten hätt er nicht hingesehn,
Karin neben der Garage gefunden,
Nackt, tot, einen Gürtel um den Hals gebunden.
Das Gedicht stammt aus “Pommes weiß rot, Papagei und Tod. Familiengeschichten”.