Auf den letzten Seiten des „Das war deine Kindheit"-Albums folgen die Teenagerjahre. Diese Zeit, in der alles möglich und jeder unmöglich erscheint. Auch ich schließe meine mehrteilige Präsentation alter Kinderfotos mit den Aufnahmen Jugendlicher aus dem ganz frühen bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts ab. Einschließlich einer Epoche, in der die Jugend dazu verführt wurde, sich über andere Menschen zu stellen und bis aufs Blut zu kämpfen.
Zu den Dingen, die für Jugendliche heute ganz normal sind, gehören Smartphones, Youtube, Motorroller, Netflix, Klamotten, Tattoos, Rockkonzerte und Piercings. Das meiste davon gab es bis vor einigen Jahren natürlich noch nicht oder in anderer Form. Ich bin nicht traurig darüber, dass Handys in meiner Jugend noch nicht smart waren und komme damit klar, dass ich auf Streaming verzichten musste, bin aber doch sehr froh, kein Teenager im Nationalsozialismus gewesen zu sein. Das kann man aber als später Geborene leicht sagen.
Wie haben sich junge Leute kurz nach Eintritt des 20. Jahrhunderts so amüsiert? Wie wir auf diesem Bild, das ca. 1906 aufgenommen wurde, sehen können, offenbar mit musizieren, Kochen im Wald und Hüte tragen. Ich kann nicht wirklich sagen, wie repräsentativ dieses Bild für Jugendliche jener Zeit ist, aber es vermittelt einen sehr idyllischen, gleichwohl leicht langweiligen Eindruck. Die Ecken sind übrigens nur aus dem Fotoalbum, ganz so beengt war die Welt damals nicht.
Unerfreulich, aber Realität in den 1930er Jahren. Dieses Bild entstand auf einer „Freizeitreise" der Hitlerjugend und zeigt wie Kids, gerade auf dem Sprung in die Pubertät, für einen Krieg gedrillt werden, in dem ihre Väter und älteren Brüder bald darauf sterben sollten. Ob diese Jungs 1944/1945 auch noch an die Front geschickt wurden, als die Niederlage schon lange nicht mehr abwendbar war, kann ich nicht sagen. Es ist aber zu befürchten. Weitere Fotos dieser perfiden Ausbildung zum Kanonenfutter eines irren Diktators habe ich unter anderem hier und hier veröffentlicht.
Auch dieses Foto stammt aus den 1930er Jahren und zeigt Jungs auf einem Ausflug, wirkt aber ungleich harmloser und entspannter. Die beiden Jugendlichen legen eine Brotzeit ein, mit Eiern und Salz. Die Kulisse ähnelt jener auf dem ersten Foto von 1906, die mehr als 20 Jahre dazwischen lassen sich aber an der Farbgebung durchaus erahnen.
Zu den Hintergründen des Fotos kann ich nicht viel sagen, nur dass es in Dresden aufgenommen wurde. Manchmal stelle ich mir vor, wie es wohl wäre, alle diese Orte auf meinen alten Fotos zu (be)suchen. Wie viele würde ich wohl finden können, wie viele existieren überhaupt noch in vergleichbarer Art wie damals? Bei dieser Stelle dürfte es schwierig werden. Es sei denn, die Jungs sitzen immer noch da und halten ihre Brotzeit ab.
Wir machen einen großen Hüpfer ins Jahr 1962. Dieses Bild könnte ebenfalls aus Dresden sein, zumindest liegt der Verdacht sehr nahe, dass es aus der DDR stammt. Das Propaganda-Poster im Hintergrund, mit der DDR-Fahne auf dem Brandenburger Tor, und Kindern, die Werkzeuge in den Händen halten, würde ich als ziemlich gutes Indiz bezeichnen. Diese sozialistische Kunstform ist heute ja leider so gut wie ausgestorben. Während das Jahr 1962 auf der Dekoration deutlich zu sehen ist, muss man bezüglich des Wortes über der Zahl die Fantasie spielen lassen. Ich tippe allerdings massiv auf „Jugendweihe", eine Veranstaltung, die in der DDR sehr verbreitet war und eine staatliche Konkurrenz zu religiösen Traditionen wie der evangelischen Konfirmation darstellen sollte. Selbst als Katholikin hätte ich die Konfirmation vorgezogen. Die ganz große Begeisterung für die Jugendweihe zeigt sich in den Mienen der drei Jugendlichen auch nicht unbedingt. Die Punkte im Gesicht des Jungen auf der linken Seite könnten beunruhigen, wenngleich sie zum Kleid des Mädchens passen, aber es dürfte sich wohl nur um einen Fotofehler und nicht um eine mysteriöse maxistische Krankheit handeln.