Allianz für Menschenrechte im Iran

Allianz für Menschenrechte im Iran

08.06.2011Konferenzen Aktionen erstellt von Helmut N. Gabel

Die Katholische Akademie Berlin e.V. war am Dienstag 7. Juni 2011 Schauplatz für eine seltene und außergewöhnliche Veranstaltung. Vertreter Neuer Christen, der Bahai und der Derwische schilderten eindrücklich die Situation von Menschen im Iran, die Verfolgung und Ausgrenzung erleiden, weil sie sich anderen Weltanschauungen als der vom Regime in Iran vorgegebenen, zuwenden. Die Veranstaltung richtete sich vor allem an Parlamentsmitglieder und ihre Mitarbeiter in Berlin.

Allianz für Menschenrechte im Iran

Prof. Dr. Ingo Hofmann, Frau Mahin Mousapour, Dr. Mostafa Azmayesh

Mit folgenden einleitenden Worten begrüßte Frau Katrin Visse von der Katholischen Akademie die Gäste:

„Die Menschenrechtslage im Iran ist prekär. Neben der Lage politischer Oppositioneller gibt auch der Umgang mit religiösen Minderheiten Anlass zur Sorge. Jedoch variiert der Umgang des Regimes mit den nicht schiitischen Gläubigen von Religion zu Religion. Während anerkannte religiöse Minderheiten wie Armenier, Assyrer und Chaldäer über einen Abgeordneten im Parlament verfügen, sind Angehörige der jüdischen Minderheit und der Bahá'í oft einem Verdacht einer "Spionage für Israel" ausgesetzt; und auch protestantische Christen und muslimische Derwische wissen von gravierenden Einschnitten in ihre Rechte zu berichten. Im Mittelpunkt der Darstellung soll die Menschenrechtslage nicht anerkannter religiöser Strömungen im Iran stehen.“

Frau Mahin Mousapour, Pastorin einer freikirchlichen Gemeinde aus Frankfurt am Main berichtete von der Sehnsucht vieler Iranerinnen und Iraner sich von einer Ideologie abzuwenden, die sie als brutal und krankmachend erleben und die ihnen von den Vertretern des Systems in Iran als Islam verkauft wird. Laut Frau Mousapour suchen sie die „heilende Kraft“ von Jesus Christus und wenden sich dadurch dem Christentum zu, das zumeist in der Verborgenheit der Hauskirchen praktiziert wird. Laut inoffiziellen Schätzungen leben circa eine halbe Million bekehrte – also Neue – Christen im Land. Diese anwachsende Gemeinschaft setzt den Obersten Führer Irans, Ali Khamenei, unter weiteren Legitimationsdruck. Er warnte vor einigen Monaten davor, dass die Untergrundkirchen der Christen den Islam vernichten würden. Ein Gouverneur einer iranischen Provinz bezeichnete die Hauskirchenbewegung als korrupte, verdorbene Bewegung, die vom Westen gesteuert werde. Frau Mousapour deutete diese Äußerungen als Angst des Regimes. Bekehrte Christen, die sich öffentlich zu erkennen geben und nicht bereit sind zu widerrufen, landen schnell im Gefängnis und werden dort „bearbeitet“: Schlafentzug, Verweigerung medizinischer Behandlungen, Folter, Beiwohnen von Hinrichtungen und kontinuierliches Ausgesetzt Sein von ideologisch-islamischen Belehrungen per Lautsprecher sind gebräuchliche Methoden. Der allgemeine Druck des Regimes auf die Gesellschaft Andersdenkende abzulehnen und auszugrenzen führt auch dazu, dass sich Familien gegen „Bekehrte“ stellen und sogar mit Gewalt auf den Entschluss ihrer Nächsten reagieren, wenn sie sich dem Christentum zuwenden. Frau Mousapour sprach noch über Schikanierungen am Arbeitsplatz und äußerte sich erleichtert, dass das Regime seine 2009 beschlossenen Gesetze zur konsequenten Hinrichtung von Menschen, die ihren Glauben vom Islam zu einer anderen Religion wechseln, bei den Christen noch nicht umgesetzt hat.

Herr Prof. Dr. Ingo Hofmann, Beauftragter des Nationalen Geistigen Rates der Bahá'í in Deutschland für Menschenrechte aus Berlin hob hervor, dass für die Baha’i ein Grundsatz ihres Religionsgründers Bahaullah tragende Bedeutung habe: „dass jeder Mensch seinen Glauben selbstständig suchen solle.“ Genau dieser Grundsatz wird aber von dem Regime in Iran seiner Bevölkerung verwehrt. Betroffen sind laut Herrn Hofmann die Bahai aktuell und kontinuierlich seit Aufkommen des Glaubens. Vor allem wies er darauf hin, dass Bahai das Recht auf Bildung verwehrt wird, wenn das Regime den wahren Glauben der betreffenden Person herausfindet. Dazu gab er mehrere Beispiele. Auch den Bahai wird vorgeworfen Spione des Westens zu sein und eine korrupte, verdorbene Bewegung, die vom Westen instrumentalisiert und gesteuert wird.
Bahai trachten seit Anbeginn ihrer Religionsgründung nach der Einheit aller Rassen, Völker, Geschlechter und Nationen und verlangten schon vor 150 Jahren den Respekt vor anderen Religionen. Genau so lange und seit Gründung der Islamischen Republik in besonderer Weise sehen sich die Bahai im Iran Hasskampagnen ausgesetzt. Herr Hofmann erwähnte hier aktuell den Brandanschlag gegen bestimmte Geschäfte von Bahai in der Stadt Rafsandschan und den sie begleiteten Warnungen an mit den Geschäfteinhabern befreundete Muslime sich von den Bahai fern zu halten.
Nicht vergessen werden sollte der Umstand, dass mehrere Führungspersonen der Bahai in jüngster Zeit hingerichtet worden sind und die gesamte aktuelle Führungsspitze eine 30jährige Haftstrafe verbüßen muss. Auch weitere Personen, die sich zum Bahai Glauben bekennen, sitzen in Gefängnissen, weil ihnen zur Last gelegt wird sich sozial zu engagieren, was das Regime als Missionierungsversuch auslegt. Professor Hofmann bekräftigte am Schluss nochmals, dass der Glaube eines Menschen nur von ihm selbst abhängen darf und nicht von Außen übergestülpt werden kann.

Herr Dr. Mostafa Azmayesh, Vertreter des Nematollahi-Gonabadi Sufi Ordens außerhalb Irans und hoch angesehener Islamwissenschaftler kam aus Paris, wo er seit über 33 Jahren lebt, aber das gesellschaftspolitische Leben im Iran genau verfolgt. Er beschrieb zunächst die Rahmenbedingungen der Ideologie der Islamischen Republik Iran, ging auf unglaubwürdige Statistiken über die Anzahl von religiösen und ethnischen Gruppierungen ein und fügte am Ende noch Aspekte des Sufitums ein, die die Sufi-Derwische in den Augen der Systemvertreter Vernichtens wert erscheinen lassen, hinzu.
Ayatollah Khomeini definierte einen neuen Islam als politische Theorie und nicht als Religion und setzte dem ganzen durch das Prinzip der Herrschaft des obersten Führers (Velayat-e-faghi) die Krone auf. Dieses Prinzip bedeutet auf eine einfache Formel heruntergebrochen: Gehorchen statt selbst denken. Aktuellstes Beispiel wie das Regime versucht diesen Anspruch umzusetzen, ist die Abschaffung aller geisteswissenschaftlicher Fächer wie Philosophie, Soziologie, Psychologie und weiterer Fächer, die im Verdacht stehen unislamisch zu sein und selbstständiges denken zu fördern. Weiterhin bedeutet dieses Prinzip, dass eine Gegnerschaft zu der Position des Obersten Führers gleichgesetzt wird mit einer Gegnerschaft gegenüber Gott.
Statistiken über die Zuordnung ethnischer und religiöser Gruppierungen sind äußerst unglaubwürdig, da es keine ernsthaften Erhebungen gibt und selbst wenn es sie gäbe ihre Aussagekraft schwach wären, da ein Nichtbekenntnis zur offiziellen Religion (12er Schiismus) mit vielen Stigmatisierungen und Ausgrenzungen verbunden wären. Herr Azmayesh bezeichnete den Iran als ein Mosaik von Weltanschauungen und ethnischer Abstammungen. Der Grund für die Darstellung Irans es sei ein Land mit über 90% schiitischer Bevölkerung, liegt in der Legitimation des Systems durch den schiitischen Glauben.
Sufi-Derwische werden im Iran verfolgt, weil sie sich zum einen in ihren Werten diametral entgegengesetzt zu dem Regime positionieren und zum anderen das Prinzip der Herrschaft des Obersten Führers nicht akzeptieren. Mesbah Yazdi, ein Ideologe des Systems propagiert die Vorstellung, dass Islam auf Gewalt basiert, während die Sufis von Toleranz, Freiheit zu Entscheiden und Liebe füreinander sprechen.

An die Statements der drei Referenten schloss sich eine lebendige Fragerunde mit Austausch an, die eine Vertiefung und Ergänzung der Statements ermöglichten. Die Gäste der Veranstaltung blieben auch im Anschluss an die Veranstaltung noch im Austausch miteinander und werteten die Informationen als Horizont öffnend. Der Wunsch wurde geäußert in weiteren Veranstaltungen die Situation Andersdenkender, die Menschenrechte und die Perspektiven auf einen demokratischen Iran ins Gespräch zu bringen.

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