Allgegenwärtiges Bewusstsein und Freier Wille

Es gibt meines Wissens im deutschen Sprachraum, nur eine Handvoll wirklich kompetente Autoren, denen es gelang, das kompliziert erscheinende Thema, über das “erschaffende Bewusstsein”, in normalem Sprachgebrauch schlüssig zu vermitteln und nicht zu vergessen, die den Mut hatten, andere Pfade einzuschlagen, wie alle anderen.

Liebe Freunde und Leser/Innen, dabei möchte ich zwei Schriftsteller besonders hervorheben, zum einen Claus Janew, dessen Werk, die “Erschaffung der Realität”eine erstaunlich kluge Lektüre ist und Jörg Starkmuth, dessen Buch von der “Entstehung der Realität”(wie das Bewusstsein, die Welt erschafft) , einem sicher die “letzten Zähne” ziehen kann .. aber niemanden “dumm sterben” lässt.

Die gekürzte Fassung von Claus Janew’s Buch, die “Erschaffung der Realität”, kann hier als PDF gelesen werden.

Meine “Wenigkeit” muss leider heute in familiären Dingen außer Haus, ich überlasse euch daher den kundigen Händen von Claus Janew, der hier über Willensfreiheit “spricht”. Ein “saftiger Happen” für zwischendurch ..

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Allgegenwärtiges Bewusstsein und Freier Wille

Eine wirkliche Lösung für das Problem der Willensfreiheit

von Claus Janew

Einleitung: Dieser Artikel ist kein Versuch, Bewusstsein im Grunde quantenphysikalisch oder neurobiologisch zu erklären. Statt dessen möchte ich den Begriff „Bewusstsein“ auf eine breitere Basis stellen. Ich werde daher von der alltäglichen Realität ausgehen, von eben dort, wo wir uns als bewusste Wesen erfahren. Ich werde den Begriff so allgemein fassen, dass sich die Frage auflöst, ob nur der Mensch über Bewusstsein verfügt oder nicht schon ein Thermostat; der Unterschied ist zwar beträchtlich, aber nicht fundamental: Jede Wirkung besteht in der Wahrnehmung eines Bewusstseins. Entsprechend allgemein gehe ich auf dessen Wahlfreiheit ein, meines Erachtens die wichtigste Quelle von Kreativität. Die Problematik einer wirklich bewussten Entscheidung verschwindet nicht, indem man Determination mit einem Schuss Zufall mixt. Beide müssen in einer höheren Einheit aufgehen. Dabei wird sich ergeben, dass ein gewisses Maß an Entscheidungsfreiheit genauso allgegenwärtig ist wie Bewusstsein – ein inhärenter Bestandteil der Realität selbst.

Können wir uns frei zwischen mehreren Alternativen entscheiden?

Man ist schnell geneigt zu sagen: „Natürlich! Ich entscheide ja ständig irgend etwas.“ Wir alle haben das subjektive Gefühl, in unserer Wahl relativ frei zu sein. Doch kann allein aus dieser Empfindung eine objektive Tatsache abgeleitet werden? Sind die zur Verfügung stehenden Varianten wirkliche Alternativen? Oder ist die Fortsetzung vielmehr schon festgelegt durch die äußeren Umstände, wobei unsere sogenannte „Entscheidung“ nur eine Täuschung ist? Wird uns der freie Wille nur vorgegaukelt, wie manche Wissenschaftler und Philosophen behaupten?

Um diese uralte Frage beantworten zu können, müssen wir zumindest in Grundzügen verstehen, was Bewusstsein ist. Denn von einer aktiven Entscheidung können wir nur sprechen, wenn diese bewusst erfolgt. Alles andere wird ja nicht durch uns, unser bewusstes Sein, entschieden. Klären wir also zunächst, wie wir uns der alternativen Möglichkeiten bewusst sind.

Die Art dieser Bewusstheit entspricht interessanterweise unserem Bewusstsein von einem Gegenstand, dem wir uns daher zuerst zuwenden wollen.

Rückkoppelnde Umschreibung

Nehmen wir ein beliebiges Objekt unserer Umgebung, sagen wir das vorliegende Magazin. Wir nehmen es als eine ausgedehnte Fläche oder einen ausgedehnten Körper wahr. Außerdem stellt es eine Einheit von diversen Texten, Abbildungen und Lücken dar. Wir wissen, dass diese Einheit relativ ist, denn wir können uns auf einzelne Texte konzentrieren oder deren Seiten aus dem Heft reißen, während wir die anderen vergessen. Wir wissen auch, dass jeder Text aus einzelnen Buchstaben besteht, die aber erst in ihrem aufeinanderfolgenden Zusammenhang Sätze ergeben.

Andererseits lesen wir immer nur einen Buchstaben oder ein Wort zugleich. Und jede Sehzelle unseres Auges kann nur einen winzigen Teil eines Buchstabens aufnehmen. Diese Sehzelle ist auch keineswegs elementar, sondern besteht aus Molekülen und Atomen, die sich ihrerseits aus Elementarteilchen zusammensetzen. Es gibt auf diesem (quantenphysikalischen) Niveau gar keine „festen“ Teile mehr, denn die Unbestimmtheit eines „Körpers“ gilt dort als Prinzip. Andernfalls würden wir schließlich bei unendlich kleinen (infinitesimalen) Teilchen enden – also bei Null.

Doch aus nichts wird auch nichts. Und aus Buchstaben wird kein Text, wenn sie nicht zu fließenden Sätzen verschmelzen. Obwohl wir in einem Moment immer nur einen Teil eines Satzes wahrnehmen, behalten wir letzteren insgesamt im Kopf. Wir haben ihn gespeichert und können seine Worte nun immer wieder nacheinander abrufen, das heißt den Satz wiederholen. Damit führen wir eine rückkoppelnde Bewegung aus, durch die uns der Satz als Ganzes bewusst wird. Dies tun wir auch, wenn wir ihn nur kurz durch einfaches Lesen erfassen, aber seine Gesamtheit nicht in der Summe der Worte, sondern in ihrer wechselseitigen Beziehung aufeinander erkennen. Die Worte umschreiben nur die Ganzheit des Satzes.

Weiterhin ist die schriftliche Form des Satzes weder seine Aussage, noch spiegelt sie seine Aussage wieder. Diese wird vielmehr intuitiv erfasst. Die durch die einzelnen Worte im Leser ausgelösten Gedanken, Bilder und Gefühle (Assoziationen) vereinigen sich zu einem ganzheitlichen Sinn. Der Satz ist daher nur die umschreibende Hülle seines tieferen Gehaltes. Andererseits könnte keine Aussage Bedeutung erlangen, ohne sich in irgendeiner Hülle auszudrücken. Sie wäre nichts.

Genauso verhält es sich auch mit jedem einzelnen Buchstaben, einem Artikel oder dem ganzen Heft. Unabhängig davon, wie tief die Assoziationen reichen, nehmen wir die jeweilige Gesamtheit nur durch bewusste oder unterbewusste Rückkoppelung zwischen den einzelnen Teilen wahr. Manchmal wird diese Bewegung mit den Augen nachvollzogen und manchmal nur im Kopf ausgeführt. Dort kann sie auch nur durch die gleichzeitige Wechselwirkung der „einzelnen“ Bildinformationen gegeben sein.

Alles betrachten wir so. Ohne umschreibende Rückkoppelung wäre jede Wirkung verschwindend klein – räumlich und zeitlich. Wir würden „Punkte“ statt Flächen und „Momente“ statt Zeiträume wahrnehmen. So könnten wir nichts erkennen. Es gäbe keine Unterschiede, die immer nur durch Vergleich, das heißt Rückkoppelung, ermittelt werden können. Es gäbe keinen Raum, der nur durch Objekte umschrieben wird. Es gäbe keine Struktur, die ja nur durch rückkoppelnde Wechselwirkung ihrer Teile zu einer Ganzheit gelangt. Es gäbe überhaupt nichts „Greifbares“, denn „greifen“ können wir nur eine Gesamtheit von Teilen. Allein durch die ständige Umschreibung von an sich nichts bedeutenden zentralen Nullpunkten und Momenten nehmen wir Gegenstände wahr.

„Minimales“ Bewusstsein

Wenn wir annehmen, dass die Außenwelt objektiv existiert, müssen wir auch all den von uns verschiedenen Dingen eine solche umschreibende „Wahrnehmung“ zugestehen, denn sie wirken offenbar real aufeinander ein.

Ein Körper entsteht bekanntlich durch die Wechselwirkung seiner Moleküle miteinander. Das ist Rückkoppelung, also Umschreibung infinitesimaler Zentren in und zwischen den Teilchen, in allen Teilgesamtheiten sowie im Ganzen. Jede als Körper umschriebene Ganzheit wechselwirkt mit anderen solchen, so dass sie zusammen eine höhere rückkoppelnde Ganzheit bilden usw., wobei keine auf etwas Elementares reduziert werden kann, sondern immer nur auf andere Umschreibungen. Auch ein umschriebener Gegenstand umschreibt seinerseits etwas anderes usf.

Zu beachten ist noch, dass erst die vergleichende Wechselbeziehung mit der Umgebung eine konkrete Ganzheit ermöglicht, die sich so auf bestimmte Weise von ihrem Umfeld unterscheidet, aber mit ihm zugleich eine andere Ganzheit bildet.

Vergegenwärtigen wir uns nun, dass Rückkoppelung ebenfalls unserem Bewusst-Sein zugrunde liegt. Denn was sonst ist sein bestimmendes Merkmal, wenn nicht die rückkoppelnde Wahrnehmung eines vermeintlich äußeren Gegenstandes? Dessen Sein wird uns bewusst. Ebenso wenn ein Gegenstand nur vor unserem geistigen Auge erscheint. Wir nehmen scheinbar etwas anderes als uns selbst wahr, mit dem wir wechselwirken. Ohne diese Rückkoppelung gäbe es keine geistigen Inhalte. Die Bewusstheit umschreibt so die Ganzheit unseres Verhältnisses zu dem betrachteten physischen oder geistigen Gegenstand. Auch wenn wir unser Ego als Gegenstand nehmen (Selbstbewusstsein), ist es nicht anders.

Umschreibung

Abbildung 1: Die Frau erkennt den Hubschrauber nur im umschreibenden Vergleich seiner Details. Diese Wahrnehmung stellt selbst eine rückkoppelnde Beziehung zwischen der Frau und dem Hubschrauber dar, eine somit umschriebene Ganzheit. Wenn sich die Beobachterin abwendet, verbleibt das Bild in einer Rückkoppelungsschleife ihres Geistes. Auch die Wechselwirkung zwischen Helikopter und Erdboden beruht auf Rückkoppelung und Umschreibung. Desgleichen deren Unterscheidung voneinander.

Da jede Wechselwirkung für die beteiligten Seiten eine rückkoppelnde Wahrnehmung der jeweils anderen Seite bedeutet und insgesamt eine Ganzheit umschreibt, kommt ein zumindest einfaches Bewusstsein jedem existierenden Ding zu, das ja immer eine solche Umschreibung darstellt.

Was heißt das? Etwa dass jedes durch Schwingungen umschriebene Elementarteilchen denken – „Reflexionen erfahren“ – kann? Offenbar ja. Natürlich auf seine Weise und nicht so komplex wie wir. Vielmehr sollen uns hier elementare Denkvorgänge zeigen, wie Entscheidungsfreiheit grundsätzlich zustande kommt.

Bevor wir jedoch darauf eingehen können, müssen wir uns noch mit einer weiteren fundamentalen Eigenschaft der Realität befassen, die von der Rückkoppelung nicht zu trennen ist.

Struktur und Ganzheit

Wir haben bereits gesehen, dass Wechselwirkung nur in ihrer Gesamtheit etwas bedeutet. Sie ist wesentlich die umschriebene Ganzheit selbst, weil sie nicht vollständig auf Teile reduziert werden kann – im Endeffekt auf nichts. Erst die Umschreibung hebt ein Objekt aus dem Infinitesimalen in die Existenz.

Die umschreibende Bewegung bedingt allerdings relativ ungewisse beziehungsweise unscharfe Grenzen des Objektes. (Wenn wir das Ufer eines großen Sees abgehen, sehen wir nie den ganzen See zugleich und können folglich nicht beweisen, dass er eine geschlossene Oberfläche besitzt. Nur in der Rückkoppelung mit unserer Erinnerung an die anderen Uferseiten erhalten wir die ganze Wasserfläche.)

Doch die Gesamtheit der Rückkoppelung zeichnet das Objekt als Ganzes vor dem Hintergrund des weiteren Unbestimmten aus (vor der Umgebung des Sees, die eine kahle Wüste, ein blühender Garten oder etwas beliebiges anderes sein kann, so lange es nicht von dem See überspült und verschluckt wird).

Indessen unterscheidet die umschreibende Wechselwirkung auch vergleichend ihre Seiten. Gegenüber dieser umschreibenden Struktur wirkt die integrierende Ganzheit relativ diffus beziehungsweise kontinuierlich. (Im Vergleich zu den unterschiedlichen Uferseiten ist die Gesamtheit des Sees eine relativ gleichförmige Erscheinung.)

Die so beschriebene Einheit von Bestimmung und Unbestimmtheit betrifft sowohl quantenphysikalische als auch gewöhnliche menschliche Beobachtungen. Es ist hier völlig gleich, ob es sich um die Ganzheit eines physikalischen Körpers oder die eines komplizierteren Bewusstseins handelt. Beide können nicht ohne diese Einheit existieren.

Jede Struktur ist eine Ganzheit und setzt sich aus solchen zusammen, doch Ganzheiten werden auch nur durch Strukturen – die ihrer Umschreibung und die ihres unterscheidenden Vergleichs mit anderem – gebildet. (Nur eine bestimmte Verbindung von Sesseln, Motor, Blech und Rädern vermittelt uns die Ganzheit eines Autos, und wenn wir es nicht deutlich von einem Schrotthaufen unterscheiden, kommen wir nie auf die Idee, mit ihm zu fahren.)

Struktur und Ganzheit stehen also in einer Wechselbeziehung zueinander und zwar schließlich an jedem Punkt der Realität. Erst deren bis ins unendlich Kleine reichende Einheit kann eine Realität erzeugen. Die Realität ist infinitesimalstrukturiert. Es ist wichtig, dass auf diese Weise alle scheinbar getrennten Dinge miteinander verbunden sind, denn die Wahrnehmung ihrer Trennung ist bereits die Umschreibung ihrer Verbindung, welche die relative Trennung beinhaltet. Die Infinitesimalstruktur verbindet außerdem auch alles mit dem nicht Erkannten. Wie, das werden wir noch sehen.

Aus dem Bisherigen ergibt sich Folgendes: Immer wenn wir eine Ganzheit, das heißt einen Gegenstand oder ein Verhältnis, wahrnehmen, dann nehmen wir dessen Infinitesimalstruktur wahr. (Andernfalls würden wir nichts wahrnehmen.) Dabei ist es nicht nötig, seine Zusammensetzung bis ins unendlich Kleine zu erkennen. Die relative Kontinuität seiner Ganzheit ist bereits ausreichender Ausdruck einer unendlich feinen Struktur. Freilich umgehen wir auch diese in der Regel, indem wir uns keine Rechenschaft darüber ablegen, worin sich Ganzheit und Struktur unterscheiden. Wir nehmen beide an jeder Stelle zusammen, eben infinitesimal vereint, wahr!

Das integrierende Gefühl, das mit jeder Wahrnehmung verbunden ist, lässt dies vielleicht deutlicher werden. Ohne dieses können wir nichts wahrnehmen. Wenn Sie aufmerksam sind, werden Sie erkennen, dass sogar der Anblick eines abstrakten Striches noch eine Empfindung in Ihnen auslöst, die sein Bild „enthält“.

Bestimmtes und Unbestimmtes

Aber auch eine Infinitesimalstruktur kann mehr oder weniger strukturiert sein, denn sie beschreibt ja unterschiedlich stark gegliederte Realitätsbereiche, die sie wiederum infinitesimalstrukturiert miteinander verbindet. Nur so sind Übergänge zwischen relativ diskontinuierlichen und mehr kontinuierlichen Teilen der Realität erklärbar, wie zum Beispiel zwischen wechselwirkenden Objekten und deren vermittelnder Bewegung. Und aus dem gleichen Grund (aber es ist nicht das Gleiche) können wir zwischen einer strukturierten Umschreibungsbewegung und der umschriebenen gleichförmigeren Ganzheit relativ unterscheiden. Beide sind unendlich fein gewoben und ihre Verbindung beziehungsweise Ganzheit ebenfalls. Aus dem unendlich feinen Strukturnetz heben sich die mehr oder weniger strukturierten Gebilde unserer Realität hervor, die ihrerseits miteinander zu einer einzigen verschiebbaren Masche verknüpft sind.

Diese Beschaffenheit erst lässt uns innerhalb einer Ganzheit Unterschiede, insbesondere intuitiv verschiedene Konzentrationen, erkennen. Je bedeutender das Ganze gegenüber den unterschiedenen Teilen ist, desto mehr konzentriert es sich zentral in seiner Umschreibung, da seine äußeren Details geringerer Beachtung bedürfen. Die Gesamtheit „kondensiert“ sozusagen in der Mitte und extrem gesteigert in einem unendlich kleinen Punkt. Das „Kondensat“ verkörpert die Bestimmtheit innerhalb des diffusen Eingeschlossenen und der unbestimmten rückkoppelnden Bewegung. Indessen bestimmt dieselbe Bewegung das Ganze gegenüber der äußeren Unbestimmtheit. Das immer ableitbare infinitesimale Zentrum, in das die Umschreibung übergeht, verbindet jedoch auch direkt mit der unbestimmten Identität aller nicht umschreibend gewahrten Infinitesimalitäten, sowie mit den umschriebenen „an sich“.

Ganzheit

Abbildung 2: Die umschriebene Ganzheit einer Struktur konzentriert sich vorrangig in deren Zentrum. Feine und grobe Struktur, Bestimmtheit und Unbestimmtheit fließen ineinander.

All dies erfassen wir zusammen. Nur die untrennbare Einheit von Identität und Unterscheidung, von Unschärfe und Kontrast, von Bestimmung und Unbestimmtheit ergibt eine realistische Wahrnehmung. Letztere ist aus dem gleichen Grund hauptsächlich intuitiv. Es ist die Wahrnehmung der infinitesimalstrukturierten (einschließlich infinitesimalen) Einheit von Wechselbeziehungen und deren Kernen.

Die freie Entscheidung

So verhält es sich auch, wenn wir zwischen mehreren Alternativen abwägen.

Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Jäger, der ein Rudel Wild (oder einen Haufen Wilderer) verfolgt. Die Fährte gabelt sich plötzlich, und Sie müssen sich für einen der beiden Wege entscheiden. Zunächst versuchen Sie, die Fährte genauer zu lesen, sowie die bekannten Gewohnheiten der Verfolgten und Ihren eigenen möglichen Nutzen zu berücksichtigen, das heißt, Sie versuchen Ihre Entscheidung logisch abzuleiten. Wenn Sie dabei zu einer eindeutigen Schlussfolgerung gelangen, liegt die Fortsetzung Ihres Weges auf der Hand. Sie ist vorbestimmt (determiniert), und Sie brauchen nicht zu wählen.

Kommen Sie dagegen nicht zu einem eindeutigen Ergebnis, können Sie auch eine Münze werfen und den Zufall „entscheiden“ lassen. Auch das ist keine bewusste Wahl. (Es ist höchstens der Entschluss, nicht selbst zu wählen.)

Wenn das eine nicht möglich ist und das andere Ihnen nicht zusagt, werden Sie Ihre Entscheidung „gefühlsmäßig“ oder „instinktiv“ treffen. Ist das nun zufällig oder determiniert? Oder vielleicht beides?

Sollte Ihnen zum Beispiel aufgrund Ihrer Bemühungen zufällig noch ein wichtiges Merkmal an der Fährte auffallen, sind Zufall und Determination beteiligt. Ihre logisch folgerichtigen Anstrengungen führen zu zufälligen Entdeckungen, die dann in Ihre nächsten Überlegungen einfließen usw.

Doch jedes zufällige Zusammentreffen ist, von einem anderen, umfassenderen Standpunkt aus betrachtet, eindeutig vorherbestimmt. Andererseits lässt sich jede Kette von Ursache und Wirkung nur so weit zurückverfolgen, bis sie in etwas Unüberschaubarem „endet“. Auch die Mischung von Determination und Zufall in einem Prozess wie dem Vorgang des bewussten Suchens ergibt noch keine Wahl. Denn obwohl sie sich gegenseitig beeinflussen, bleiben sie doch sie selbst. Das Ergebnis ist abschnittsweise vorhersehbar und dazwischen von Unbekanntem bestimmt, aber keinesfalls frei gewählt. Ebenso wenig bei dem Zusammenwirken zwischen Logik und Zufall während Sie überlegen.

Ihre abwägende geistige Tätigkeit beschreibt dagegen eine Rückkoppelung zwischen den alternativen Wegen. Erinnern wir uns, was das bedeutet: Es wird eine Ganzheit umschrieben, bis hin zu einem infinitesimalen Zentrum. Die umschreibende Wechselbeziehung unterscheidet auch die Alternativen, und äußerste Struktur und innerster Kern bilden eine infinitesimalstrukturierte Einheit.

Diese vereint Bestimmtheit und Unbestimmtheit auch total. In einer solchen Einheit sind beide nicht mehr sie selbst, nicht einmal teilweise voneinander trennbar. Erst aus diesem neuen Zustand heraus kann eine bewusste Entscheidung, eine wirklich freie Wahl erfolgen. Völlig willkürlich getroffen wäre sie aber keine solche mehr, sondern der pure Zufall. Eine bewusste Entscheidung muss für den Entscheidenden sinnvoll sein, das heißt, seine Willkür und die rückkoppelnd sinngebenden Zusammenhänge, welche die Ganzheit umschreiben, müssen intuitiv zusammenfließen. Sie sind im Moment der Wahl identisch.

Entscheidung

Abbildung 3: Alle für den Entscheidungsvorgang wichtigen Faktoren fließen zunächst in den abwägenden Überlegungen des Jägers zusammen – hier als nach unten dunklere Schattierung dargestellt. Doch ihre vollständige Vereinigung in ihm ist nicht der Moment seiner freien Wahl, sondern dieser entsteht aus der totalen Einheit des Identitätspunktes mit der Unterscheidung aller Faktoren, mit ihrer strukturierten Beziehung aufeinander, welche diesem Punkt erst Bedeutung verleiht. Ein solcher Zustand lässt sich bildlich nicht mehr darstellen: Der Übergang zu ihm wird durch die mittleren Dreiecke nur angedeutet.

Als Jäger erfassen Sie also die zweifelhafte Situation intuitiv und entscheiden intuitiv. Logische Überlegungen und zufällige Einflüsse flankieren diese Entscheidung, indem sie notwendigerweise zum Moment der Wahl hinführen. Beide sind an diesem Moment beteiligt, da infinitesimal (-strukturiert) mit ihm verbunden.

Allerdings können Sie nur die linke oder die rechte Fährte als Fortsetzung wählen, welche dann die Rückkoppelung öffnet. Ihre freie Entscheidung bedeutet deshalb sinnvolle Bestimmung innerhalb der Unbestimmtheit des weiteren Weges. Sie erschaffen diese Bestimmung aus der Identität mit dem durch infinitesimale Eingrenzung bestimmten, aber neutralen Punkt im Zentrum der Gesamtheit Ihrer Möglichkeiten. So kann die Entscheidung für keinen Standpunkt schon vorher festliegen. Erst nachdem die Unbestimmtheit der alternativ zu verfolgenden Fährte und die ganzheitlichen Beziehungen total mit der neutralen „unbefangenen“ Bestimmtheit vereint wurden, können sie in eine reale Bestimmung zurückkehren – Ihren frei gewählten Weg.

Damit ist die Entscheidung gefallen, und Wahlmomente wie dieses sind in der infinitesimalstrukturierten Welt überall und jederzeit gegenwärtig, durch uns und alle anderen bewussten Ganzheiten. Ein gewisses Maß an Entscheidungsfreiheit ist also ein wesentliches Merkmal allen Bewusstseins.

Der größere Zusammenhang

Der jeweilige Freiheitsgrad hängt natürlich von den gegebenen Möglichkeiten ab. Und hier bietet sich den komplexeren, sozusagen kollektiven Bewusstseinen mit ihren vielfältiger verzweigten Beziehungen ein größerer Spielraum als den einfachsten, bei denen wir überhaupt keine Alternativen zu erkennen glauben. Doch jede Rückkoppelung tastet die Wege ihrer Öffnung ab. So sucht auch das primitivste Bewusstsein Wahlmöglichkeiten, die durchaus nicht illusorisch sind.

Denn scheinbare Einfachheit ist noch kein Grund, an der Aktivität eines Bewusstseins zu zweifeln. Die Chaostheorie lehrt uns, dass sich keine Rückkoppelung streng wiederholt, da alles mit allem verbunden ist und sich wechselseitig beeinflusst. Nach holistischen Theorien, die Beziehungen in ihrer Ganzheit untersuchen, sind alle Erscheinungen in jeder einzelnen verschlüsselt. Beides bedeutet, dass ein Bewusstsein den Informationsgehalt seiner unendlichen, komplexeren und scheinbar nur äußeren Umgebung einbezieht - als sein Inneres. Im Grunde kann es also gar nicht so einfach sein. Ebenso wenig können seine verfügbaren Möglichkeiten eindeutig festliegen. Jeder bestimmende Einfluss von außen wirkt nur kooperativ mit dem betroffenen Bewusstsein, das sich so immer an der Entscheidung über seine weitere Entwicklung beteiligt.

Die Informationen über seine unendliche Umgebung, die es (um einen Begriff David Bohms zu gebrauchen) einfaltet, bleiben weitgehend verborgen. Sie gehen in eine infinitesimale Einfaltung über. Die Infinitesimalstruktur beschreibt also keineswegs nur die Einheit der jeweils vordergründigen Existenzformen, sondern die winzigste Umschreibung schließt schon die Informationen zur Entfaltung des ganzen Universums ein. Allerdings entfaltet sie deren Gesamtheit immer nur in mehr oder weniger beschränkter Form, als relativ einfache Erscheinung in unserer Realität.

Das bedeutet nicht, dass die größtenteils unterbewusst bleibende komplexe Ganzheit alles für ihre einfacheren Verkörperungen entscheidet. Und auch nicht, dass der Entscheidungsprozess eines Bewusstseins über einen unendlichen verborgenen Weg vollzogen wird.

Die Infinitesimalstruktur der Welt zeigt uns in allen Dingen die Identität des ganzen unendlichen Universums – vermittelt über dessen Struktur und (zwei Worte sind schon zu viel!) unmittelbar als Identität aller Punkte an jedem Punkt. So nutzt jedes konkrete Bewusstsein individuell und unter Einschluss seiner bestimmten Umgebung das an sich unbestimmte Potential der nahen unendlichen Gesamtheit in ihm. Es wählt wirklich selbst, ohne sich völlig auf Entscheidungen anderer oder des ihm Unterbewussten berufen zu müssen. Sein relativ freier Wille ist real.

Resümee

Fassen wir hierzu noch einmal das Wichtigste zusammen:

Rückkoppelung und Infinitesimalstruktur sind Merkmale jeder Existenzform und begründen sie als Bewusstsein. Zugleich bilden sie den „Mechanismus“, der zu kreativen Entscheidungen führt, welche deshalb jedes Bewusstsein pausenlos im Rahmen seiner gegebenen Möglichkeiten trifft. Der unendliche Zusammenhang aller Bewusstseine geht auch in die Infinitesimalstruktur jedes einzelnen ein, hält dadurch den jeweiligen Möglichkeitsrahmen offen und trägt zum Entscheidungsprozess bei, ohne ihn vollständig zu bestimmen.

Bereits jeden der unendlich dicht liegenden Punkte, der sich durch eine rückkoppelnd vergleichende Unterscheidung von relativ Getrenntem auszeichnet, umgibt ein eigenes selbständiges Bewusstsein. Realität bedeutet somit ein unendlich komplex verflochtenes Gewebe von Bewusstseinen, die als Ursache und Folge aufeinander abgestimmter, aber relativ freier universeller Kreativität hervortreten.

Sicher ist vieles von dem Gesagten letztlich nur intuitiv erfassbar. Und die Verhältnisse, die wir in eine relativ getrennte Form aufgeschlüsselt haben, verlangen zu ihrem Verständnis eine andere Denkweise als die gewohnte. Wie uns die Infinitesimalstruktur der Welt zeigt, ist insgesamt eine tiefere Einheit von analytischer und intuitiver Erkenntnis erforderlich, um über eingleisige Beschränkungen sowie aus diesen resultierende Scheinwidersprüche in unserer Erfahrung hinaus zu gelangen. Dann werden wir auch die zugrunde liegende Gemeinschaft und persönliche Verantwortung in all unseren Beziehungen wiederentdecken.

bewusstsein-und-realitaet.de

Dieser Artikel enthält Passagen aus meinem Buch Die Erschaffung der Realität.

Creative Commons License


Die folgende Begründung der Infinitesimalstruktur betont die in Die Erschaffung der Realität ausführlich beschriebene Fokusdynamik:

Infinitesimalstruktur kurz gefasst

Es kann kein Vieles ohne dessen Einheit geben und kein Eines ohne Bestimmung durch Vielfalt.

Eines jedoch bedeutet Identität und diese ist in letzter Konsequenz, über alle „Stufen“ weitergedacht, ein Nullpunkt. Andererseits bedarf dieses infinitesimale Zentrum der Umschreibung durch Einzelheiten. Trotz deren Identität im Einssein müssen sie also auch als solche, als Individuen in die Umschreibung eingehen. Und als Individuen beinhalten sie selbst infinitesimale Zentren usw. Die Umschreibung eines Zentrums ist damit ein Wechseln zwischen Einzelpunkten.

Das heißt, in eine existierende Struktur gehen die Extreme sowohl der absoluten Identität als auch der absoluten Trennung ein. Deren Einheit muss daher auch in einem Wechsel bestehen – nun zwischen diesem gemeinsamen Identitätspunkt und dem Getrenntsein. Beide sind überhaupt nichts ohne diesen Wechsel, durch den sie erst bestimmt werden. Die so gebildete Einheit von Einem und Vielem wiederum hat ihr eigenes infinitesimales Identitätszentrum…

Das gilt für jeden Bereich und auf jeder Größenskala. Ein solches Kontinuum ist die Voraussetzung dauerhafter Objekte. Durch den allgegenwärtigen Wechsel der Extreme von Identität und Trennung ist jeder beliebige Punkt mit jedem anderen sowohl unmittelbar verknüpft als auch kontinuierlich vermittelt und von ihm unterschieden.

Claus Janew

bewusstsein-und-realitaet.de

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