Gastartikel
Zehn Tipps für mehr Sicherheit beim Reisen als Frau durch Indien
Seitdem ständig von brutalen Gruppenvergewaltigungen an westlichen Frauen in den Medien zu hören ist, hat die Anzahl der allein reisenden Frauen in Indien deutlich abgenommen. Und traut sich dann doch die ein oder andere Frau, sich auf eine Entdeckungsreise durch den indischen Subkontinent zu begeben, so wird sie meist hier in Deutschland von Freund(inn)en schief angeschaut und ihr davon abgeraten.
Ich lebe nun schon seit fünf Jahren als ausländische Frau in Indien und reise aufgrund meiner Arbeit, aber auch privat, viel durch das Land.
Tatsächlich versuche auch ich es so weitestgehend wie möglich zu vermeiden, allein unterwegs zu sein. Zwar habe ich mich nie wirklich bedroht von Indern gefühlt, doch es ist Fakt, das man vor allem während man mit Bus und Bahn in Indien unterwegs ist, überwiegend von Männern aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten umgeben ist, die oft Ausländerin nur vom Hörensagen oder ihren sogenannten „Sexy Movies“ kennen.
Wann immer ich alleine unterwegs bin, plane ich meine Reise schon im Vorfeld ganz anders. So sorge ich für bestimmte Sicherheitsmaßnahmen, die es mir ermöglichen unbeschwert und ungefährdet zu reisen.
Ich möchte Frauen dazu ermutigen, Indien nicht von ihrer Reiseliste zu streichen und werde im folgenden zehn Reise-Vorkehrungen erläutern, die mir dazu verhelfen, mich beim Reisen in Indien wohlzufühlen.
1. Besser Reisen
Ich weiß, viele Langzeit Backpacker-Reisende sind darauf angewiesen, so günstig wie möglich zu reisen und entscheiden sich oft für Schlafsäle, Zugabteile der dritten Klasse oder den billigen Regierungs-Bus zum Reisen.
Doch der Transport in Indien ist ohnehin schon sehr, sehr günstig und der Betrag für die nächst bessere Reise-Klasse ist oft nicht mehr als 5 Euro. Also Frauen, investiert lieber ein bisschen mehr und genießt nicht nur den besseren Komfort, sondern auch die Sicherheit eurer Reisegesellschaft. Je besser die Klasse, desto wohlhabender, westlicher und gebildeter sind auch die anderen Mitreisenden und dementsprechend relativ uninteressiert an uns! Das einzige Störende beim nachts Reisen, können dann die verschiedensten Schnarch-Geräusche sein!
2. Logistik gut planen und Unterkünfte im voraus Buchen
Indien ist ein riesiges Land mit oft schlecht ausgebauten Straßen. Die Reisezeit von einem Ort zum nächsten beträgt nicht selten über 10 Stunden. Oft reist man über Nacht und kommt zu den unmöglichsten Zeiten am nächsten Ort an – oft entweder sehr früh morgens oder spät nachts.
Das sind keine guten Tageszeiten um sich alleine auf Indiens Straßen herumzutreiben und sich auf die Suche nach einem Hotel zu begeben. Besser: Die Unterkunft vorher buchen und sich vom Bahnhof oder der Bushaltestelle einen Abholservice organisieren.
3. Tagsüber reisen
Wenn es nicht vermeidbar ist, mit einem einfachen sogenannten „Local Bus“ zu reisen, würde ich immer empfehlen tagsüber unterwegs zu sein. Oft werden Busse zu verschiedensten Tageszeiten angeboten und es ist deutlich angenehmer die Reise nicht nachts machen zu müssen.
4. Freunden und Bekannten Bescheid geben
Ich gebe meinen Freunden immer genaue Details zu meiner Reise und wir verabreden Zeitpunkte, an denen ich Bescheid gebe, dass alles gut geklappt hat. Das erhöht das Sicherheitsgefühl.
5. Mit indischen Frauen Reisen
Manchmal gibt es Züge oder Busse, in denen es keine festen Sitzplätze gibt. Aus Tradition und Gewohnheit, sitzen Männer und Frauen oft getrennt. Sucht nach Frauen und setzt euch zu ihnen! Automatisch seid ihr sicher.
In der Delhi Metro ist der erste Waggon ausschließlich für Frauen reserviert, was sehr angenehm ist, und oft gibt es auch in Zügen spezielle Frauenabteile. Bei der Reservierung einfach nachfragen.
6. Selbstbewusstes auftreten
Demonstriert immer Stärke und eine aufrechte Position. Indische Frauen haben oft eine demütige und gebückte Haltung und indische Männer erwarten das auch von uns. Zeigt eure innere Sicherheit und lasst sie durch euer Auftreten spüren, dass mit euch nicht Zuckerschlecken ist, sondern ihr zum Handeln bereit seid.
Manchmal ist das anstrengend, besonders, wenn man müde und erschöpft ist. Doch sollte euch jemand mit einem Kommentar blöd kommen oder anzügliche Gesten machen (leider kommt das bei bestimmten Indern, bei den meisten jedoch nicht, immer wieder vor), nehmt es nicht einfach hin, sondern sagt ihnen die Meinung und erwähnt ruhig die Polizei. Selbst wenn die Männer kein Englisch verstehen, reicht es über den Ausdruck Ärger zu demonstrieren und „Police“ verstehen sie alle.
7. Sucht euch Personen, die verantwortlich für euch sind
Sobald ihr im Zug oder Bus seid, sucht euch eine Person, die sympatisch erscheint und entwickelt eine Beziehung zu ihr. Das kann schon einfach so etwas sein, wie nach der Toilette zu fragen, einen bestimmten Zug oder die Person darum zu bitten, ein Auge auf das Gepäck zu werfen, während ihr noch schnell etwas Proviant kauft. Automatisch wird sich diese Person während der ganzen Reise für euch verantwortlich fühlen und ein beschützendes Auge auf euch haben.
8. Pfefferspray
Ich habe oft eines dabei und es gibt mir einfach Sicherheit. Erscheint mir eine Situation komisch, greife ich zum Spray und fühle mich gleich viel sicherer.
9. Hört auf euer Bauchgefühl
Oft ist es unser Instinkt, der uns erkennen lässt, wenn Situationen gefährlich werden können. Verfeinert dieses Gefühl und handelt sofort. Als ich als neunzehnjährige Freiwillige mit meiner Freundin in einen leeren Zugabteil saß und plötzlich fünf junge Männer einstiegen, handelten wir schnell und verließen den Zug. Wer weiß, was in dieser Nacht passiert wäre.
10. Die Reiseroute
Es gibt sicherere und unsicherere Gegenden in Indien. Menschen in Kerala, Himachal Pradesh, Goa und auch in Großstädten sind an Touristen gewöhnt und schenken uns kaum noch Beachtung, sind aber immer freundlich und hilfsbereit. Diese Staaten sind gut entwickelt und etwas wohlhabender, während man in den ärmeren und touristisch unerschlosseneren Staaten wie Madya Pradesh, Bihar und Teile Rajasthans vorsichtiger sein sollte. Hier macht es Sinn, sich mit anderen Backpackern zusammen zu schließen.
Ich hoffe, diese zehn Punkte schrecken euch nicht allzu sehr ab! Tatsächlich habe ich diese Punkte so verinnerlicht, dass ich sie ganz automatisch beachte. Wie gesagt, die meisten Inder sind tolle Menschen, nett und hilfsbereit und dazu sehr fürsorglich. Doch es gibt überall schwarze Schafe und diesen möchte man lieber nicht begegnen.
Das Reisen durch Indien mit Bus und Bahn ist ein großes Erlebnis. Hier lernt man das wahre Indien kennen, macht nette Bekanntschaften und lernt, langsam zu reisen. Traut euch und genießt es! Seid dabei aber immer aufmerksam!!!!
Die Autorin:
Sarah Appelt lebt und arbeitet seit 5 Jahren in einem kleinen Bergdorf im indischen Himalaya. Von hieraus organisiert sie Individual- und Gruppenreisen durch ganz Indien. Ihre Reisen haben meistens einen aktiven Fokus, wie beispielsweise Fahrradreisen, Trekkingtouren oder Yogaretreats. www.chalo-reisen.de Indien-Blog Bildnachweise: Foto 1 : Steve Evans, „Three Women of Mumbai“, CC-Lizenz (BY 2.0)Via www.piqs.de Foto 2+3: Sarah Appelt