„Die Tatsache, dass der Tourismus durch die Beziehung von Mensch zu Mensch geprägt ist, bedeutet, dass der Faktor Persönlichkeit in diesem Wirtschaftssektor eine viel entscheidendere Rolle spielt als in anderen Bereichen", unterstreicht Viegas. Das gelte insbesondere in Bezug auf die Qualität der erbrachten Dienstleistungen.
Algarve-Hotellerie: Mehr bezahlbarer Wohnraum
Für seinen Hotel-Verband AHETA sind die aktuellen Engpässe größtenteils dadurch verursacht, dass viele Tourismus-Beschäftigte aus den dicht besiedelten Städten des Landes stammen, ihren Arbeitsplatz aber außerhalb dieser Zentren an der Algarve-Küste haben. Deshalb fordert der Verbandspräsident der Algarve-Hotellerie von den Kommunen in der Region eine aktive Wohnungsbau-Politik, die mehr bezahlbaren Wohnraum schafft. Das soll Arbeitskräfte aus anderen Regionen Portugals, aber auch Einwanderer aus Drittländern anlocken, ist die Hoffnung.
„Hotels und Tourismusunternehmen haben in den letzten Jahren in dieser Hinsicht große Anstrengungen unternommen, um den Bedürfnissen gerecht zu werden, indem wir den Arbeitnehmern Unterkünfte und andere Einrichtungen zur Verfügung stellen, wann immer dies möglich ist", berichtet der AHETA-Präsident. Diese Anstrengungen reichten jedoch nicht aus, um die großen strukturellen Lücken in der Region zu beseitigen.
Viegas spricht sich in seinem Hilferuf zudem für Partnerschaften zwischen öffentlichem und privatem Sektor aus, um einmal gewonnene Beschäftigte auch im Tourismus zu halten. Das soll nach Vorstellungen der Algarve-Hotellerie insbesondere durch Weiterbildungsmaßnahmen während der Nebensaison erreicht werden. Ziel: stabile und nachhaltig wirkende Teams während des gesamten Jahres, verbesserte Qualität der erbrachten Dienstleistungen und Steigerung der Arbeitsproduktivität und somit der Unternehmens-Rentabilität.
Algarve-Hotellerie fordert mehr Zuwanderung
„Das Arbeitsrecht alleine löst das Strukturproblem des Arbeitskräftemangels nicht", betont Viegas. Eine Rückkehr zu protektionistischen Maßnahmen, wie sie einige politische und gewerkschaftliche Repräsentanten forderten, lehnt er deshalb ab. Der AHETA-Präsident sieht den Staat in der Pflicht, „Maßnahmen zur Verbesserung des Geschäftsumfelds im Tourismussektor zu ergreifen und andererseits die sozialen Probleme zu lösen sowie das Wohlergehen der ansässigen Bevölkerung sicherzustellen".
In diesem Sinne sei es wichtig, für mehr legale Einwanderer nach Portugal zu sorgen. Außerdem möchten die Interessensvertreter der Algarve-Hotellerie, dass der kontrollierte Zustrom ausländischer Arbeitskräfte rationeller und flexibler gestaltet wird. „Für AHETA ist der Mangel an Arbeitskräften eines der drängendsten Probleme der portugiesischen Wirtschaft, insbesondere in der größten und wichtigsten portugiesischen Tourismusregion des Landes, der Algarve", beschließt Viegas seinen Hilferuf.
Gewerkschaft gibt der Algarve-Hotellerie kontra
Der viel beklagte Mangel an qualifizierten Arbeitskräften im Bereich von Hotels und Restaurants sei im Gegensatz zu den von den Arbeitgebern genannten Gründen vor allem eine Folge der niedrigen Löhne und der "brutalen Verschlechterung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeitnehmer in der Branche" . Mit dieser Aussage kontert Tiago Jacinto vom "Sindicato dos trabalhadores da indústria de hotelaria, turismo, restaurantes e similares do Algarve". Er kritisiert, dass die Hotelmanager die schwierige Realität, mit der die Beschäftigten konfrontiert sind, leugneten. Das sei verantwortungslos.
Trotz aufeinander folgender Tourismus-Rekorde gebe es an der Algarve immer mehr prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Die Arbeitszeiten würden immer länger und die Schichtpläne immer unregelmäßiger, so Jacinto. Arbeitnehmerrechte werden nach seiner Beobachtung immer stärker in Frage gestellt. Die Branche werde von den Beschäftigten zunehmend für eine vorübergehende Beschäftigung genutzt, bis man die Aussicht habe, in einem anderen Sektor oder in einem anderen Land etwas Besseres zu finden. Der Gewerkschaftsfunktionär beklagt vor allem, dass die hohe Fluktuation und der zunehmende Einsatz von Leiharbeitnehmern und Auszubildenden für Services die Dienstleistungsqualität beeinträchtige. "Und das, obwohl die den Kunden in Rechnung gestellten Preise weiter steigen", fügt Jacinto hinzu.
Seine Gewerkschaft beobachtet zudem Behinderungen ihres Einsatzes für Arbeitnehmerinteressen. Versuche, Gewerkschaftsarbeit zu kriminalisieren, will Jacinto namentlich unter anderem im Hotel Tivoli Carvoeiro, im Pine Cliff Resort in Albufeira und im Hotel Crowne Plaza in Vilamoura vorgefunden haben.
"Algarve-Hotellerie sollte Beschäftigte wertschätzen"
Um die Situation zu verbessern, fordern die Arbeitnehmervertreter Lohnerhöhungen, die Sicherstellung stabiler Arbeitsverhältnisse, Arbeitszeiten, welche die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben fördern, bequemere Transportmöglichkeiten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz, vermehrte Qualifizierung für den Job und mehr Aufstiegsmöglichkeiten. "Für Qualitätstourismus ist es wichtig, die Arbeitnehmer wertzuschätzen, den geschaffenen Reichtum mit ihnen zu teilen und ihnen bessere Lebensbedingungen zu bieten", fasst Jacinto seinen Appell zusammen.
In der Forderung der Arbeitgeber nach mehr staatlicher Unterstützung sieht der Gewerkschaftler den Versuch, "zur Bekämpfung von Unsicherheit und Saisonalität mehr Euro-Millionen aus dem Staatshaushalt in die Taschen der Bosse zu kanalisieren". Auch die Rekrutierung von "leichter auszubeutenden ausländischen Arbeitskräften, einschließlich Flüchtlingen, die nach besseren Lebensbedingungen als in ihren Herkunftsländern suchen", lehnt er kategorisch ab.
Jungsozialisten: Algarve-Hotellerie beschäftigt vor allem Jugendliche prekär
Die regionale Jugendorganisation der Sozialistischen Partei (JS) wies in einer Stellungnahme darauf hin, dass ein Teil der prekär Beschäftigten Arbeiter im Hotelsektor in der Sommersaison zu den jüngeren Menschen gehört. Diese zielten darauf ab, mir dem verdienten Geld ihre Ausbildungskosten zu bezahlen. Laut den Jungsozialisten ist eine wirksame Regelung der Zeitarbeit unerlässlich. Dies schließe auch Geldstrafen bei Übelastung der Beschäftigten und bei mangelhaften Arbeitsbedingungen ein. In solchen Faktoren sieht die JS Algarve einen Hauptgrund für den Arbeitskräftemangel im Algarve-Tourismus.
Mit der Gewerkschaft der Beschäftigten im Dienstleistungssektor, Handel, Gastgewerbe und Tourismus (SITESE) schloss der AHETA-Verband unterdessen ein neues Tarifabkommen für den Hotel- und Tourismussektor der Algarve ab. Der Vertrag gilt für zwei Jahre und tritt rückwirkend ab 1. Juni in Kraft. Geändert gegenüber dem bisherigen Tarifvertrag wurden die Gehaltsstufen. Für beide Parteien spiegelten die neuen Einkommenstabellen die "Realitäten des aktuellen regionalen Arbeitsmarktes wieder", hieß es in einer Erklärung vom 27. Juli. Das Abkommen gilt nur für Hotels, die im AHETA-Verband organisiert sind.