Vier deutsche Fußball-Klubs – von der ersten bis zur vierten Liga – haben ihre Wintertrainingslager an der Algarve, im Land des Europameisters, erfolgreich beendet. „Perfekte Bedingungen“ ist das am häufigsten gehörte Urteil im Gespräch mit Spielern, Trainern und Fans vor Ort. Aber hier und da gab es auch interessante Nuancen in der Bewertung durch Leipziger, Stuttgarter, Duisburger und Lübecker, die zwischen dem 4. und 20. Januar im sonnigen Süden weilten – und zum Abschluss sogar noch ein paar leichte Schneeflocken bestaunen konnten, die eine außergewöhnliche Kältewelle an die Ostalgarve blies… – Am Ende des Beitrags finden Sie die Ergebnisse der deutschen Testspiele sowie Links zur Berichterstattung der Vereine.
Die Abneigung deutscher Fußball-Klubs, 2017 wieder in das zur Wintertrainings-Hochburg aufgestiegene Belek in der Türkei zu reisen, hätte dem Süden Portugals die Chance geboten, den bereits erlittenen Rückstand gegenüber Konkurrenz-Destinationen wie Spanien, Florida oder Golfstaaten wieder wettzumachen. Aber warum scheint das nicht gelungen zu sein? Der Algarve-Entdecker fragte direkt bei der ATA nach, der Associação Turismo do Algarve. Sie kümmert sich unter anderem auch um die Förderung von Natur-, Gesundheits- und Sport-Tourismus.
Der Verband in Faro leitete die Anfrage an seine deutsche PR-Agentur in München weiter. „…Detaillierte Informationen über die Entwicklung dieses Marktsegments sind gegenwärtig für uns nicht verfügbar“, hieß es zunächst bedauernd. Das allerdings wäre erstaunlich, da doch die ATA erst Ende September 2016 auf der „SOCCEREX“ in Manchester vertreten war, der größten Fachveranstaltung im internationalen Fußballgeschäft. Mit dieser Beteiligung wollte sich die Algarve als einer von 150 Ausstellern und gegenüber 3.000 Teilnehmern als Hauptregion („região privilegiada“) für die Nutzung von Sportstadien positionieren, wie es auf der ATA-Webseite heißt. Als wir nachhakten, bestätigte ATA, dass offenbar „die Nachfrage nach Trainingscamps gerade wächst“ und die Algarve-Hotelliers darauf mit dem „Angebot von mehr Infrastruktur und mehr Services“ reagierten.
Doch Nachbar Spanien, der allein neun deutsche Erstligisten erfolgreich zu Wintertrainingslagern ins sein Land locken konnte, scheint dabei derzeit erfolgreicher zu sein. Denn nach Algarve-Entdecker-Recherchen war Bundesliga-Überraschungself RB Leipzig leider der einzige deutsche Erstligist, der diesmal zur Rückrunden-Vorbereitung an die portugiesische Südküste kam – ins Cascade Wellness & Lifestyle Resort in Lagos. Trainer Ralph Hasenhüttl sparte nicht mit Lob: „Wir haben hier tolle Sportplätze und ein tolles Hotel, dass ein bisschen ruhiger, ein bisschen kleiner ist. Es ist uns sehr recht, dass es hier nicht so viel Trubel gibt. Ja, und dann ist da noch die schöne Steilküste und das Meer, wo man schnell abschalten kann. Das ist alles sehr angenehm.“
RB-Leipzig-Trainer Ralph Hasenhüttl fachsimpelt mit mitgereisten Fans. Foto: Hans-Joachim Allgaier
Wenn zudem dann noch das Wetter so sensationell sei, könne es einem hier auch ohne Arbeit gut gefallen, witzelte der Coach. Ob er mit seinem jungen Team 2018 wiederkommen wolle? „Abwarten! Wenn wir die Rückründe gut spielen, spricht nichts dagegen“, sagte Hasenhüttl. Sein Stürmer Yussuf Poulsen räumte ein, dass der 28-köpfige Kader nicht viel von Land und Leuten gesehen habe, weil das Training so intensiv gewesen sei. „Aber wir waren wenigstens kurz mal auf dem Golfplatz“, schmunzelte der 22-jährige Däne.
„Schon beim Landen in Faro hatte ich das Gefühl, wieder in der Heimat anzukommen, wo jeden Tag die Sonne scheint“.
Ajax Amsterdam-Profi Heiko Westermann, der früher auch in Sevilla spielte, nach dem Testspiel gegen RB Leipzig
Nach Faro waren die Leipziger Rasenballprofis mit einer Linienmaschine von Berlin-Tegel aus geflogen, zurück ging es per Charterflug zum Airport Leipzig/Halle.
Leipziger Fan-Schal hinterlassen: Lokal in Lagos. Foto: Karsten Schalla
33 mitgereiste Fans, von Leipzig aus über Düsseldorf an die Algarve gejettet, nutzten den hautnahen Kontakt, um ihre Mannschaft auf Schritt und Tritt zu beobachten.
Zwei Vereinsangestellte, Enrico Hommel und Benjamin Jank, betreuten die in einem Nachbarhotel untergebrachen Fans – im Hintergrund und „als Mutti für alles“, wie Hommel formulierte.
RB Leipzig-Fan Christiane Schlecker. Foto: Hans-Joachim Allgaier
RB-Anhängerin Christiane Schlecker, die sich mit ihrem Mann die vom Verein organisierte Fanreise zu Weihnachten geschenkt hatte, fand die Algarve „super, traumhaft schön“. Die Leute erlebte sie alle als „sehr nett, sehr gastfreundlich“.
Als Dankeschön für den guten Service beim Abendessen im Restaurant Adega da Marina hinterließen die Leipziger Anhänger einen Fan-Schal. Er ergänzt jetzt die vielen anderen Fußball-Andenken dort im Lokal.
Oliver Hartmann vom Sportmagazin „Kicker“, sonst auch mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft unterwegs, begleitete den sächsischen Klub und seine Fans ins Wintertrainingslager-Neuland der Algarve. „Wenn die Bedingungen überall so phantastisch sind wie hier, verstehe ich eigentlich nicht, weshalb nicht mehr Bundesligisten an die Algarve gekommen sind“, sagte der Reporter. Die Leipziger Fans hätten sich recht vergnügt gegeben und seien, wie auch zu Hause, „ein ganz angenehmes Völkchen“, stellte er fest.
MDR-Hörfunkreporter Jan Günther. Foto: Hans-Joachim Allgaier
Seine Kollegen Guido Schäfer von der Leipziger Volkszeitung und Jan Günther vom MDR stimmten zu. Es sei von der Vereinsspitze ausdrücklich so gewünscht, dass sich die Fans ordentlich benähmen – im eigenen Stadion und auch auswärts: „Da gibt es null Toleranz“, weiß Schäfer. In der Tat geht es sehr zivil, ja freundlich-familiär unter den Fans zu. Algarve-Liebhaberin Dorothee Schmidt, eine der ältesten Teilnehmerinnen der Reise, betonte: „Wir sind keine Herden-Truppe, sondern ganz individuell. Aber wenn’s drauf ankommt, halten wir zusammen“.
Sprach’s und stimmte in den Schlachtgesang ein „Auf geht’s Leipziger Jungs, schießt ein Tor für uns!“ Für die akustische „Choreographie“ bei den RB-Auftritten sorgt meist Chris vom Fanclub Sportfreunde Leipzig. Er war es auch, der neben dem Trainingsplatz in Lagos in fließendem Englisch portugiesischen Fernsehreportern Rede und Antwort stand.
Chris vom Fanclub Sportfreunde Leipzig informierte das portugiesische Fernsehen über die Reise der Anhänger an die Algarve. Foto: Hans-Joachim Allgaier
50 Fans aus Schwaben…
Im selben Resort, ein paar Tage nach dem Abflug der Leipziger, startete Zweitligist VfB Stuttgart seine Vorarbeit für die zweite Saison-Hälfte und den angepeilten Wiederaufstieg. 45 Personen umfasste die Delegation, davon 22 Spieler. 1,5 Tonnen Ausrüstung hatte ein LKW aus der Schwaben-Metropole an die Algarve nach Lagos gebracht. „Wir sind von daheim nach Lissabon geflogen und von dort aus mit dem Bus nach Lagos gefahren. Das war gut zu organisieren“, berichtete Pressesprecher Tobias Herwerth.
Aufstiegs-Vorbereitungen beim Zweitligisten VfB Stuttgart in Lagos: Foto: Cascade Resort
Trainer Hannes Wolf, früher schon als Urlauber an der Algarve gewesen, lobte die Infrastruktur ebenfalls in höchsten Tönen: „Platz, Hotel, Essen, Kraftraum, Wetter – alles perfekt“. Rund 50 Fans reisten mit, vor Ort betreut von einem Ansprechpartner des Vereins.
Tuchfühlung beim Fanabend im Hotel. Foto: VfB Stuttgart
„Letztes Jahr waren wir auch mit, damals in Belek“, erzählte Frank Raith. Hier in Lagos sei zwar der Rasenplatz ebenso gut wie die in der Türkei, aber wer zugucken wolle, müsse „hinterm Zaun herumstehen“.
In Belek hingegen hätten die Fans auf einer Tribüne sitzend zuschauen und sich etwas zu essen und zu trinken kaufen kaufen können, lobt der Stuttgarter Anhänger.
…plus 50 Fans aus dem Ruhrgebiet…
Duisburger Fans kiebitzen hinter dem Ballfangnetz. Foto: MSV/Linda Kleine-Nathland
Fußballverrückte Fans begleiteten auch den Drittligisten MSV Duisburg, der sein Winter-Hauptquartier ins Ria Park Hotel & Spa am Vale do Lobo bei Almancil verlegt hatte. Die Herberge unterbrach ausschließlich für die 27 Spieler und die Vereinsoffiziellen aus dem Ruhrgebiet ihre Winterpause. Ein Großteil der rund 50 mitgereisten Anhänger gehört zu den besonders treuen Algarve-Liebhabern, seit ihr Team Portugal als Wintertrainingslager wählte.
„2004 hat sich dann ein offiziell beim MSV registrierter Fan-Club Portugal gegründet“, berichtete dessen Präsidentin Ingrid Gerlach. Und Mitglied Detlef Schulte fügte hinzu: „Viele von uns sind so angetan von der Algarve, dass sie hier auch Urlaub machen“.
Rentner Hartmut Steuer, der bei jedem Trainingslager wie eine Klette an der Mannschaft klebt, war wichtig zu betonen, dass von den Fans kaum jemand mitgeflogen wäre, hätte sich der MSV wie im Vorjahr wieder für Belek entschieden. Vereinspräsident Ingo Wald machte einen „Preisvorteil von 60 bis 80 Prozent gegenüber der Algarve“ für die Türkei-Entscheidung im vergangenen Jahr verantwortlich.
MSV-Präsident Ingo Wald (l.) und Sportdirektor Ivica Grlic in Lagos. Foto: Hans-Joachim Allgaier
„Die Fans waren aber immer todtraurig, wenn der MSV nicht an die Algarve geflogen ist“, gab der Klubchef zu. Er war mit anderen Offiziellen von Weeze aus eingeflogen, die Spieler von Eindhoven. „Die Flüge an die Algarve sind keinesfalls überteuert“, freute sich der auf den Euro schauende MSV-Präsident. Er regte Gegenseitigkeitsabkommen zwischen Algarve-Hotellerie und Sportvereinen an, die den Ausgleich von gewährten Rabatten durch Werbeleistungen der Teams regeln: „Die Hotels hier sollten verstärkt darauf schauen, welchen Mehrwert sie durch die Anwesenheit der Fußballklubs und ihrer Anhänger schaffen können“.
…und 40 Fans aus Lübeck
Den Euro vor dem Ausgeben ein paarmal herumdrehen muss auch Viertligist VfB Lübeck, den es nach sechsjähriger Wintertrainings-Pause diesmal ins Ausland zog – ins Alfamar Beach & Sport Resort von Olhos de Água bei Albufeira. Fast 50 Personen aus Vereinsführung und Mannschaft umfasste die Reisegruppe aus der Hansestadt. Dazu hatten sich noch fast 40 Fans gesellt.
Bengalo gezündet: anfeuernde VfB Lübeck-Fans. Foto: Hans-Joachim Allgaier
„Die Entscheidung für die Algarve war allein schon wegen des Wetters richtig“, strahlte Sven Theißen, im Management verantwortlich für Marketing und Vertrieb. Die Bedingungen, vor allem auf den Rasenplätzen, seien optimal, der 23-köpfige Kader habe alles vorgefunden, was er benötige und sei vollkommen zufrieden, so Theißen. Angebote aus Spanien hätten vorgelegen, seien aber „noch ein wenig teurer gewesen als solche hier von der Algarve“. Allerdings sei das Vier-Sterne-Hotel, das vor zehn und mehr Jahren sogar Erstligisten als Gäste hatte, nicht mehr das Neuste, stellte der Marketingmann fest. Deshalb sollten solche Hotels jetzt die Chance nutzen, „ein wenig nachzuinvestieren“, regte Theißen in diplomatischen Worten an.
„Die Vielfalt hier ist extrem schön. Ich möchte im nächsten Jahr wiederkommen!“
VfB Lübeck-Marketingmanager Sven Theißen
Die Lübecker Fans jedenfalls, aus Hamburg per Direktflug nach Faro angereist, waren richtig „heiß auf Wintertrainingslager“ und feuerten ihre Elf entsprechend an. Betreuer Horst Jahnke: „Die Anhänger hat die Abwechslung, das Erlebnis gereizt. Deshalb sind sie in einer Zahl angereist, die für unsere Verhältnisse groß ist“. Mit Christian vom Fanprojekt habe er sich ein Auto gemietet und drei Tage lang Sehenswürdigkeiten besichtigt, so Jahnke: „Ich bin begeistert und überlege jetzt, hier privat auch mal Urlaub zu machen, denn die zerklüftete Küste ist wahnsinnig interessant und die Menschen hier sind nicht so aufdringlich wie manche andere“.
Algarve-Wintertrainingslager: Ergebnisse
der Testspiele deutscher Fußballklubs
Datum Ort Spiel Ergebnis
7. Januar Albufeira Ajax Amsterdam : RB Leipzig 5 : 1
11. Januar Lagos RB Leipzig : SC Farense 6 : 0
15. Januar Lagos VfB Stuttgart : MSV Duisburg 0 : 0
19. Januar Huelva VfB Stuttgart : FC Lausanne-Sport 1 : 0
19. Januar Guia MSV Duisburg : VfB Lübeck 3 : 0
Links zu weiteren Informationen über
Algarve-Wintertrainingslager:
Trainingslager-Tagebuch von RB Leipzig-Fan Katarina
Website des Fanclubs Sportfreunde Leipzig
RB Leipzig Trainingslager-Ticker
VfB Stuttgart-Berichte über Wintertraining
VfB Stuttgart-News über Trainingslager-Abschluss