Der Cellist Alban Gerhardt (c) OPS
Der Leitung des OPS gelang ein neuer Geniestreich bei der Einladung ihrer Gastdirigenten und Gastsolisten. Für das Doppelkonzert am 25. und 26. Februar wurde der aus Russland stammende Dirigent Vassily Sinaisky und der in Berlin geborene Alban Gerhardt engagiert. Sie gestalteten mit dem Orchester des OPS Anton Dvořáks Konzert für Violoncello und Orchester op. 104 in einer Art und Weise, die beiden Musikern größten Respekt abverlangen.
Vassily Sinaisky agierte als Dirigent mit einem enormen Draht zu den Musikern. Mit Gesten, die befeuerten, und Blicken, die man nur mit herzlich, ja beinahe liebevoll beschreiben kann, stand er fast als primus inter pares am Dirigentenpult. Die unglaubliche Leistung, die das OPS an diesem Abend ablieferte, ist einerseits seiner Kennerschaft, aber sicher auch zu einem Großteil seiner Ausstrahlung und dem Umgang mit den Musikerinnen und Musikern zuzuschreiben. An diesem Abend wurde es den Zusehenden bewusst, welch große Freude es sein kann, in einem Orchester zu spielen.
Im Cellokonzert von Anton Dvořák zeigte Alban Gerhardt, was es heißt, Musik mit Leib und Seele zu spielen. Gerhardt war nicht versunken in seinen Solopart, sondern er stand von der ersten bis zur letzten Sekunde unter Strom. Oder war es sein Cello? Mit einem gewaltigen Strich und einer körperlichen Intensität, die bis in die letzten Reihen spürbar war, entlockte er seinem schönen Instrument von Matteo Goffriller (1659–1742) aufwühlende Klänge. Das mit einigen ohnehin sehr dramatischen Partien ausgestattete Werk klang auch in den lyrischen Passagen im Soloinstrument immer, als würde sich hinter dem nächsten Takt, hinter der nächsten Note eine Überraschung bereithalten, auf die man mit dem Anhalten des Atems vorbereitet sein musste. Um Alban Gerhardts Spiel zu beschreiben, müssen Worte gefunden werden, die allesamt einen überaus aktiven, ansteckenden Seinszustand beschreiben: wachrüttelnd, vibrierend, explosiv und intensiv sang sein Instrument von Liebe und Erinnerungen Dvořáks an seine Heimat Böhmen. Gerhardt riss das Orchester mit seiner Dynamik förmlich mit in eine Art Höhenrausch, in der er sich selbst ganz offenkundig wohlfühlte. Die wunderbaren kleinen Gespräche, die er mit der zarten Flöte immer wieder hielt und die aufmerksame Zwiesprache mit dem Konzertmeister geben Kunde, dass Alban Gerhardt an diesem Abend zwar als Solist agierte, aber sein Einfühlungsvermögen in den Part des Orchesters gleich gut ist, wie in den seines Cellos. Die wunderschönen Kantilenen, die ihm das Konzert in allen Sätzen bietet, wurden von den Bässen, Celli und Streichern so zart begleitet, dass es in keiner Minute zu einem Wettstreit mit dem Soloinstrument kam. Nicht zuletzt ein Verdienst des Dirigenten Vassily Sinaisky. Anton Dvořák schrieb das Stück, wohl eines der berührendsten und zugleich berühmtesten Cellokonzerte überhaupt, mit dem Wissen um den bevorstehenden Tod seiner Schwägerin. Die Herausforderung Alban Gerhardts, dieses bereits unzählige Male eingespielte Konzert persönlich so zu interpretieren, dass es einen nachhaltigen Eindruck hinterlässt, gelang ihm mühelos. In seiner Zugabe, einem Moderato von Mstislaw Rostropowitsch, imitierte er mit seinem Cello nicht nur die Klangfarben des Orchesters, sondern zeigte auf, welche technischen Herausforderungen er mit Bravour meistert. Noch einmal ließ er sein Markenzeichen ertönen – eine Lyrik, die immer spannend und nie süßlich wirkt. Hoffentlich ist dieser Künstler bald wieder in Straßburg zu hören.
Mit Sibelius Symphonie Nr. 2 op. 42 war ein Nachfolgestück gewählt worden, dass sich nicht nur an Dvořáks Konzert, sondern auch an die Zugabe von Gerhardt durch die dramatischen Passagen in wunderbarer Weise anfügte. Das gewaltige Werk, das alle Klangfarben des Orchesters bis ins Letzte ausreizt, beginnt etwas sperrig, mit einer ganzen Fülle von Ideen und Klangfarben, deren Logik der Aufeinanderfolge sich erst im Laufe des Satzes erschließt. Der Don-Juan-Mythos, den Jean Sibelius im zweiten Satz beschwor, in welchem er den Frauenhelden mit dem Tod sprechen lässt, erinnert in seiner Orchestrierung tatsächlich an noch ältere mythologische Erzählungen. Mit den langen Pizzicato-Stellen der Celli und Bässe und den Pauken, die wie von Ferne die Szenerie untermalen, sowie den langen Erzählungen der Fagotte, den intensiven Bläsereinsätzen und der Gegenüberstellung der einzelnen Instrumentengruppen bleibt der Komponist auch hier dem System der Vielheit, in einer schließlich sich erst zu Ende des Satzes rundenden Einheit, verpflichtet. Allein die Anzahl der Tempobezeichnungen, die den Satz gliedern – es sind deren 12! – zeigt auf, wie differenziert Sibelius auch hier arbeitete und welche Herausforderungen dies für ein Orchester stellt. Den dritten und vierten Satz mit seinem gewaltigen Finale, ließ Sinaisky fast nahtlos ineinander übergehen. Eine Symphonie, die nicht nur die Bläser fordert und häufig in den Vordergrund stellt, sondern auch die Streicher. Sie erzeugten durch einige lange Tutti-Einsätze Wogen, die einen tief hineinzogen in die klangliche Stimmung dieser Instrumente, und einen dort minutenlang weitertrugen. Melodien, die dem Ohr so sehr schmeichelten, dass man wünschte, sie würden nie mehr enden.
Es wäre ungerecht, an diesem Abend aus dem Orchester gesondert die Leistung eines oder einer einzelnen herauszuheben. Die Schönheit der Interpretation dieser Musik war an diesem Abend ausnahmslos allen Mitwirkenden geschuldet.
Verfasser: Michaela Preiner
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Schlagwörter: Alban Gerhardt, Anton Dvořák Konzert für Cello und Orchester, OPS, Sibelius Symphonie Nr. 2, Straßburg, Vassily Sinaisky
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