Kampagne-Logo (Foto: E. Frerk)
BERLIN. (hpd) Nach dem Urteil des Landgerichts Köln zur Knabenbeschneidung gab und gibt es eine lebhafte und bisweilen auch unsachliche Debatte. Ein “Arbeitskreis Kinderrechte der GBS” unternimmt den Versuch, mit Argumenten aufzuklären.
Das Gericht stellte fest, dass die Beschneidung eines minderjährigen Knaben als Körperverletzung strafbar ist. Das ist an sich keine sachliche und juristische Neubewertung der Rechtslage. Jeder operative Eingriff ist eine Körperverletzung. Allerdings stellt die Zustimmung zu einer Operation schon immer eine Einwilligung dar und rechtfertigt die Körperverletzung. Da Minderjährige jedoch nicht in der (rechtlichen) Lage sind, das selbst und für sich zu bestimmen, übernehmen die Eltern diese Aufgabe.
Soweit gäbe es an dem Urteil von Köln nichts Außergewöhnliches festzustellen. Neu und die Debatte auslösend an dem Urteil jedoch war, dass das Gericht den Eltern das Recht auf die Zustimmung zu einer medizinisch nicht notwendigen Amputation der Vorhaut absprach. Diese Einwilligung – so das Gericht – sei nicht im Sinne des Kindeswohls erfolgt und könne die Körperverletzung nicht rechtfertigen.
Obwohl es bei dem Verfahren um einen Einzelfall eines muslimischen Jungen ging, reagierte vor allem die jüdische Glaubensgemeinde in Deutschland laut und zum Teil sehr unsachlich. Dabei geht es nur in Ausnahmen darum, eine Debatte zu führen, sondern meist wird in beleidigtem Ton unterstellt, das Kölner Urteil sei “das Aus für das Judentum” in Deutschland. Eine Behauptung, die sich aber schnell als unhaltbar herausstellt, wenn man sie einmal so hinterfragt, wie es Prof. Dr. Michael Wolffsohn tat.
Um einer größeren Öffentlichkeit die Möglichkeit zu geben, sich objektiv zu informieren hat sich in Berlin ein “Arbeitskreis Kinderrechte” zusammengefunden, der in Zusammenarbeit mit der Giordano-Bruno-Stiftung eine Webseite erstellt hat, die sich zum Ziel setzt, eben die Aufklärung anzubieten, die in der Debatte notwendig ist. (Der Arbeitskreis bittet um Unterstützung, um durch eine umfassende Plakat-Aktion auf die Problematik hinzuweisen.) Hervorzuheben ist hier die FAQ der Kampagne “Pro-Kinderrechte”, in der die wichtigsten Fragen zur und über die Beschneidung beantwortet werden. Denn immer wieder wird von Befürwortern der Knabenbeschneidung darauf verwiesen, dass die Beschneidung “nur ein kleiner, unbedeutender Eingriff” sei, dass die Beschneidung der Hygiene und Gesundheit diene oder gar die sexuelle Lust verbessere. All diese Argumente werden zu Scheinargumenten, wenn man sie hinterfragt und genauer betrachtet.
Wie man der Kampagnenseite entnehmen kann – auf der nicht nur in der bereits erwähnten FAQ, sondern auch an anderen Stellen auf wissenschaftliche und juristische Untersuchungen zur Beschneidung von männlichen Kindern verwiesen wird – ist die Diskussion über die Beschneidung nicht allein dem Urteil geschuldet, sondern wird in der medizinischen und juristischen Fachwelt bereits seit einigen Jahren geführt. Insofern kam das Urteil weder überraschend noch widerspricht es dem aktuellen Rechtsempfinden.
Eine davon völlig losgelöst zu betrachtende Frage ist die der politischen Umsetzung. Die Bundesregierung hat in einem einmaligen Vorgang bereits Stellung bezogen, ohne sich mit Fachleuten zu beraten oder wenigstens abzuwarten, welche Empfehlungen der Ethikrat der Bundesregierung geben wird. Allein aus politischem Kalkül und in vorauseilendem Gehorsam einigen religiösen Gruppierungen gegenüber versuchte die Regierung, die angefangene Debatte abzubrechen. Allerdings vergeblich: Die Debatte ist in vollem Gange!
So auch bei der Talkshow “LogIn” des ZDF am vorletzten Mittwoch, in der Michael Schmidt-Salomon (GBS) und Ali Utlu (Pirat und Ex-Muslim) als Verteidiger der Kinderrechte auftraten. Ihnen gegenüber standen Serkan Tören (FDP) und der Mainzer Rabbiner Julian-Chaim Soussan, die beide zwar wenig Argumente lieferten, aber dafür viele Worte machten. Diese Fernsehdebatte kann als Abbild der gegenwärtigen Diskussion gesehen werden: Je weniger gehaltvoll die Argumente, desto lauter die, die sie vortragen. Auch scheint Debattenkultur und Fairness nicht unbedingt eine Stärke der Beschneidungsbefürworter zu sein: Ali Utlu, der sich mehrfach öffentlich gegen die Beschneidung ausgesprochen hat, bekam inzwischen sogar Morddrohungen.
Nic
[Erstveröffentlichung: hpd]