Ach, läge Bremen nur am Rhein und Kiel an der A9!

Nordlichter, zieht euch warm an! Was auf europäischer Ebene von Nord nach Süd geschieht, will Bayerns Finanzminister Söder im Inneren vom Süden in den Norden transportieren. Er fordert »einen Solidarpakt nach EU-Vorbild«. Dabei ist das Modell des Fiskalpakts vieles, aber sicher nicht solidarisch.
Ach, läge Bremen nur am Rhein und Kiel an der A9!Tja, liebe Bremer, Schleswiger und Holsteiner, euch hat Söder im Blick. Weil er den Länderfinanzausgleich für eine ausgewiesene Ungerechtigkeit gegenüber jenen Ländern ansieht, die für strukturschwächere Länder aufkommen müssen, will er das ganze Konzept hellenisieren. Möchte er also den Begriff von Solidarität neu definieren: Wer erhält, der soll bluten. Beim Christsozialen klingt das natürlicher hübscher. »Leistungsanreize setzen und Auflagen zulassen« nennt er dieses Prinzip, das in Griechenland, Portugal und Spanien drastische gesellschaftliche Konsequenzen nach sich zog. Nur so könne man dort Reformen erzwingen.

Steigt dann auch in Bremen die Selbstmordrate? Nehmen HIV-Erkrankungen zu und werden notwendige Medikamente knapp? Erhöht sich in Schleswig-Holstein die Zahl der Totgeburten? Wieviele bleiben ohne Sozialleistungen, ohne Krankenversicherung, ohne Job? Wohnen dann wieder mehr Mittvierziger bei den Eltern, weil sie sich ein eigenes Leben nicht mehr leisten können?
Vielleicht will es Söder nicht ganz so derb. Unter Deutschen muss ja ein Mindestmaß an Sittlichkeit gewahrt werden. Das merkt man schon an der Sprache. Griechen waren für diese Sorte von Politikern ja faul, lebten ein nicht mehr zeitgemäßes Leben oder hingen in der Hängematte herum. So spricht man aber nicht von Norddeutschen. Das tut man einfach nicht.
Doch warum nicht anregen, die dortigen Kommunen weiter schleifen und Renovierungen von Kindergärten oder den Haushalt für Stadtbüchereien auszusetzen? Wer Tranchen vom Rettungspaket aus Bayern erhält, der muss schließlich beweisen, dass er gewillt ist, irgendwo Gelder einzusparen. Die Austerität klappt ja auch in Griechenland so fein. Weshalb nicht an der Weser?
Dieser Mann fordert die Auflösung eines Solidarbegriffs, der nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland und Europa entstand. Die neue Solidarität ist eine Pistole, die man vorhält. Strukturausgleiche werden zu Erpressungsversuchen. Monika Maron schrieb in einem kurzen Aufsatz, dass die Westdeutschen ihr »eigenes Wohergehen nur noch als eine gerechte Folge ihrer ehrlichen Arbeit ansahen, nicht aber auch als einen geographischen Glücksfall. Läge Schwaben an der Oder, läge Leipzig am Rhein«, dann hätte es vielleicht mehr Proteste in Stuttgart als in Leipzig gegeben.
Die Passage beschreibt in etwa, warum es Ausgleichsfonds gibt. Sie sind nicht etwa unsolidarisch, sondern eben der Ausgleich für unausgeglichene Bedingungen. Läge Kiel an der A9 als Ausgangsbasis für den Handel in alle europäischen Himmelsrichtungen, wäre Bremen im Dreieck zwischen Rhein, Main und Neckar entstanden und müsste sich nicht mit der wirtschaftlich wesentlich uninteressanteren Weser begnügen, dann sähe manches anders aus. Die Gnade der strukturell begünstigten Geburt sollte man nie mit »ehrlicher Arbeit« verwechseln. Die tun nämlich auch andere und kommen auf keinen grünen Zweig.
Wer Standortnachteile jetzt auch noch mit Austeritätskriterien versehen will, gerade so, wie wir es in Griechenland beobachten konnten und noch können, der verschärft diese Unausgeglichenheit drastisch. Der will ein Gemeinwesen als einen öffentlichen Raum deklarieren, den sich die Mehrheit nicht mehr zu betreten leisten kann. Söder will keinen neuen Solidarpakt, sondern die Entsolidarisierung nun auch im Inneren.
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